Walliser im Ausland | Walburga Baur-Stadler in Südkalifornien

«Ja, wir Ausland-Schweizer»

«Jasser in unserem Garten am jährlichen Picknick unseres Chores
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«Jasser in unserem Garten am jährlichen Picknick unseres Chores 'Harmonie'.»
Foto: zvg

Walburga Baur-Stadler lebt seit 18 Jahren in Südkalifornien und weiss, was Ausland-Schweizern auf Heimreise das Leben schwer macht.
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Walburga Baur-Stadler lebt seit 18 Jahren in Südkalifornien und weiss, was Ausland-Schweizern auf Heimreise das Leben schwer macht.
Foto: zvg

Quelle: 1815.ch 19.07.16 1
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Seit 18 Jahren lebt Walburga Baur-Stadler in Südkalifornien. Sie ist im Wallis aufgewachsen und seitdem hat es sie in alle Himmelsrichtungen verschlagen. Auf 1815.ch berichtet Baur-Stadler heute, woran Ausland-Schweizer in den Ferien «Zuhause» oft scheitern.

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  • «Feriendiskussionen»

Walburga Baur-Stadler (wbaur@roadrunner.com) hat sich nach zahlreichen Auslandserfahrungen vor 18 Jahren in Südkalifornien niedergelassen, ausserhalb von Los Angeles, am Fuss der San Gabriel Berge. Ihre Zeit widmet sie ihrem Garten, dem Malen und Singen.

Auf 1815.ch berichtet sie in loser Reihenfolge über ihr Leben im Land der unbegrenzten Möglichkeiten:

«Jeden Mittwoch ist bei Ueli im Restaurant 'Matterhorn Chef' Jassabend. Jemand war gerade zurück von den Ferien in der Schweiz. Und so begann es: 'Wenn ihr wüsstet, was mir in der Schweiz passiert ist!' Und einer nach dem anderen hatte etwas zu erzählen.

Da war einmal das Tram. Wie Jahre zuvor, stiegen wir ein und stellten plötzlich mit Schrecken fest, dass weit und breit kein Trämler da war, der uns ein Billett verkaufen konnte und wir also Schwarzfahrer waren, weil wir die Billett- Automaten übersehen hatten. Bei der nächsten Haltestelle also wie der Blitz raus, um ein Billet zu kaufen. Bis wir die Instruktionen gelesen und das Münz zusammengezählt hatten, war das Tram schon längst weg.

Frank wollte wieder einmal den Zug benützen. Am kleinen Ort, an dem er wohnte, hatte es auch nur Billett-Auomaten und er hatte keine Ahnung, wie diese zu benützen waren. So lief er zu Fuss bis ins nächste Dorf, in dem es noch einen Schalter mit einer lebendigen Person hatte, die ihm die Fahrkarte verkaufte. Auf dem Perron hatte es Nummern am Boden und er beschloss, in den Wagen Nummer 1 einzusteigen. Als der Kontrolleur kam, forderte dieser ihn ganz diskret auf, ihm in den Gang hinaus zu folgen. Sie haben es erraten: Er sass in der 1. Klasse! Er hatte sich richtig gefreut, dass die Bahn jetzt so schöne Sitze installiert hatte. Der Kontrolleur glaubte ihm schliesslich, dass er seit 40 Jahren nicht mehr in einem Zug war und sah davon ab, ihm eine Busse aufzubrummen.

Hans wollte das Mietauto auftanken. Nachdem er nirgends einen Kreditkarten-Automaten sah, wartete er längere Zeit an der Tanksäule auf Bedienung und klopfte schliesslich an die Garage-Türe. Dann musste er sich sagen lassen, er könne selber tanken, er müsse einfach Banknoten in die Tanksäule einschieben – Kreditkarten, das kennen wir, aber Bargeld?

Jeannette, kaum gelandet, war nachmittags noch schnell im Merkur. Die Verkäuferin stand schon ganz aufgeregt an der Türe und wollte schliessen. Jeannette fragte, ob denn schon so früh Ladenschluss sei. Ziemlich barsch kam da die Antwort: 'Hüt isch doch Donschtig. Da mache mir früener zue. Heit ihr das nid gläse? Äs isch doch i dr Zytig gschtande!'

Einer der Höhepunkte jedes Schweizer Aufenthalts ist ein Einkaufstripp zur Migros. Mit glänzenden Augen bestaunen wir die Fleisch- und Wurstwaren, die Chrömli und Schoggi-Fülle. An der Kasse stehen wir dann mit hochbeladenem Einkaufswägeli verlegen da und kommen uns blöd vor, weil wir, einmal mehr, die Einkaufstaschen vergessen haben. Bei uns im Supermarkt heisst es ‘Paper or Plastic?’, dann wird uns alles flott eingepackt und danach wird noch gefragt, ob wir Hilfe brauchen beim Einladen ins Auto!

Ich war im Winter von Marokko aus in der Schweiz in den Ferien und kaufte mir ein wunderbares Paar braune Wildleder-Stiefel, mit Schaffell gefüttert und Speckgummi-Sohle. Kaum war ich zurück in Marokko, bekam ich Bescheid, dass ich nach Thailand versetzt werde. So wurden die Stiefel sorgfältig verpackt, in Bangkok irgendwo in einen Kasten gestellt und vergessen, bis ich zwei Jahre danach anfangs Dezember in die Schweiz kam. Wenn man in den Tropen lebt, sind Winterferien natürlich sehr attraktiv. Das war jetzt auch die Gelegenheit, meine fein säuberlich aufbewahrten Stiefel anzuziehen. Es war in Bern. Draussen hatte es geschneit und dann hineingeregnet. Drei Schritte und meine Füsse waren völlig durchnässt. Ich hatte nicht bemerkt, dass die Speckgummi-Sohle ganz spröde geworden war und bei jedem Schritt etwas mehr wegbröselte. Ich trabte nassen Fusses zum nächsten Schuhladen. Das war zu einer Zeit, in der man sich die Schuhe noch nicht selbst aussuchen konnte, sondern von einer Verkäuferin bedient wurde. Als mir auch das dritte Paar nicht gefiel, sagte diese ziemlich spitz: 'Wenn sie so 'was ganz Besonderes wollen, dann müssen Sie Ihre Stiefel halt anfangs Saison kaufen und nicht erst im Dezember!' Soll ich ihr jetzt meine Lebensgeschichte erzählen?

Noch mehr geschämt habe ich mich, als man mir an einer Kasse sagte, mein Geldschein sei zu alt, den könne ich nur noch auf der Bank einlösen. Und innerlich wird die Kassiererin wohl gedacht haben, ob die gute Frau denn eigentlich auf dem Mond wohne, dass sie das nicht wusste!

Unser Problem: Wir sprechen Schweizerdeutsch! Niemand hört und sieht uns an, dass wir unter Umständen seit mehreren Jahren nicht mehr in der alten Heimat waren. Für uns bleibt die Schweiz so wie sie war, als wir ins Ausland gingen. Und dann stellen wir melancholisch fest, dass die Betonung beim Wort 'Ausland-Schweizer' wohl eher auf 'Ausland' liegt und wir in der Schweiz nicht mehr so richtig Zuhause sind. Aber schöööön ist es immer noch!»

Als Vierjährige zog Walburga Baur-Stadler mit ihrer Familie ins Wallis, wo sie aufgewachsen ist und die Real- und Handelsschule im Institut St. Ursula in Brig besuchte. Nachdem sie zwei Jahre lang Sekretärin bei den Walliser Kraftwerken in Visp war, zog es sie nach Oxford, um Englisch zu lernen.

Danach trat Walburga Baur-Stadler eine Stelle beim Politischen Departement in Bern (heute: Departement für auswärtige Angelegenheiten) an und wurde in Belgien, Marokko, Thailand und Madagaskar als Sekretärin eingesetzt. Nach ihrem Wechsel in die konsularische Laufbahn kam es erneut zu Versetzungen: Mailand, Kongo, Peru, Costa Rica und Kalifornien, wo sie ihren Mann, einen Zürcher, kennenlernte und heiratete. Gemeinsam waren die beiden noch in Spanien und Argentinien, wo sich Baur-Stadler Ende 1998 im Grad einer Generalkonsulin frühzeitig pensionieren liess.

(Dieser Artikel ist zwischen 2003 und 2005 in der «Neuen Zürichsee-Zeitung» erschienen. Für 1815.ch wurde er von Walburga Baur-Stadler aktualisiert.)

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19. Juli 2016, 07:00
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Kommentare

  • Oskar Ruppen - vor 9 Jahre ↑11↓7

    Die traurigen Erlebnisse sind echt nicht lustig, sie zeigen auf dramatische Weise auf, dass die betroffenen Personen unfähig sind, sich an neue Situationen anzupassen.

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