Immer weniger Gämsen im Wallis - auch als Folge falscher Bejagung?
Gute Gämsböcke müssen her
Die Zahl der Gämsen im gesamten Alpenbogen sinkt seit Jahren. «Die Gründe sind multifaktoriell», sagt Reinhard Schnidrig, Chef der Sektion Wildtiere und Waldbiodiversität beim Bundesamt für Umwelt (BAFU).
Die Population der Gämsen wird aktuell in der Schweiz auf rund 90'000 Tiere geschätzt. Sie leben vorab in den Kantonen Graubünden, Bern, Tessin und im Wallis (geschätzte 20'000 Tiere). Zieht man die eidgenössische Jagdstatistik als Massstab für die Gämspopulation in der Schweiz und im Wallis heran, wird schnell ersichtlich, dass es den Gämsen derzeit nicht allzu gut geht. Wurden im Jahr 1993 schweizweit noch 21’670 Tiere erlegt, waren es im Jahr 2013 noch 12’227. Nicht anders im Wallis: fast 4000 Gämsen wurden 1993 von Walliser Jägern erlegt, 2719 waren es noch im Jahr 2013.
Lebensraumveränderung und Schafsömmerung
Die Veränderungen der Landwirtschaft mit dem Wegfall der gestuften Alpnutzung mit einem einhergehenden Rückgang an Kühen und Rindern bewirken eine Verwaldung vormals offener Landschaften oder Weidemosaike. «Im Goms etwa stellen wir einen starken Vormarsch der Grünerle oder von Legföhren und Lärchen fest. Das ist gut für den Hirsch, nicht aber für die Gämse. Sie bevorzugt übersichtliche, offene und steile Gebiete mit nährstoffreichen Gräsern und Kräutern als Lebensraum», stellt Reinhard Schnidrig fest.
Gleichzeitig werden durch die ausgedehnte Schafsömmerung Krankheiten wie Gämsblindheit und Klauenfäule übertragen, die in der Vergangenheit immer wieder Sterbewellen beim Gämswild und bei Steinböcken ins Rollen brachten. «Die Übertragung erfolgt oftmals an Stellen, wo Salz für Schafe ausgelegt wird.» Deshalb sollten nur gesunde Schafe zur Sömmerung aufgetrieben werden.
Schnidrig weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass im Wallis trotz geltender Schafalpplanung nach wie vor Schafe in Gebieten, wo eigentlich Gämsen und Steinböcke stehen sollten, gesömmert werden. «Das ist weniger im Sommer ein Problem, im Winter hingegen fehlt in den guten Einständen das Futter für die Wildtiere.»
Ungehemmter Freizeittourismus
Zu schaffen macht dem Wild und insbesondere der Gämse der boomende Freizeittourismus in immer ausgedehnteren Gebieten. «So wird das Wild oftmals aufgescheucht, und es verbraucht so seine Energiereserven zur Überwinterung unnötig früh.» Deshalb seien gerade die vom Kanton ausgeschiedenen Wildruhezonen für das Wild eminent wichtig, so Schnidrig. «Besonders in harten Wintern, die Wintertouristen in Massen in verschneite Wälder locken, stellen wir in der Folge eine hohe Sterberate bei Wildtieren fest.»
Zugleich bewirken aber auch grosse Schneefälle im Frühjahr eine hohe Fallwildzahl. «Die Energiereserven sind zu diesem Zeitpunkt erschöpft, in der Folge sterben die schwachen Tiere.» In Tourismusgebieten, wo das Rot-- und Gämswild schon viel Energie durch Störungen in den Wintereinständen verloren hat, ist das doppelt fatal. Gerade beim Gämswild sei in den harten Wintern 1999, 2002, 2003, 2009, 2012 und 2013 in gewissen Regionen eine erhöhte Fallwildzahlen festgestellt worden.
Wolf und Luchs
Dass der Wolf zurzeit Einfluss auf die Population des Gämswilds hat, verneint Schnidrig. «Der Wolf geht vorab auf Rotwild. In Anbetracht der hohen Hirschbestände etwa im Graubünden und im Wallis, stellt das für diese Wildart kein Problem dar. «Der Luchs hingegen hat Reh und Gämse im Beuteschema. Vorab unerfahrene Jungtiere und geschwächte, ältere Tiere werden vom Lauerjäger an Orten mit Wildwechseln in bewaldeten Gebieten angesprungen und getötet.»
Mit dem ausgedünnten Bestand im Wallis, wo ein Luchsmonitoring des Kantons kürzlich gerademal fünf Tiere auf der Nordseite nachwies, dürfte das allerdings nicht allzu stark ins Gewicht fallen. «In Gebieten mit mehr Luchsen -- etwa auf der Alpennordseite -- führt die Präsenz der Raubkatze eindeutig zu einer Absenkung von Gämsbeständen, vorab in Waldgebieten.» Daran hätten sicher die Förster Freude, nicht aber die Jäger.
Der Einfluss des Hirsches
In einigen Regionen des Wallis verdrängen die zu zahlreich gewordenen Hirsche die Gämsen in weniger optimale Lebensräume. «Ein gutes Beispiel dafür ist das Goms. Hirsch und Gämse stehen hier in Konkurrenz. Schwierig wird dies für die Gämsen besonders im Winter. Hirsche und Gämsen teilen sich den gleichen Lebensraum und benötigen die gleiche Nahrung.»
Gleichzeitig beeinflusst aber auch die Hirschjagd den Bestand der Gämsen. «Aufgrund der hohen Hirschbestände ist auch eine hohe Zahl von Hirschjägern auf der Pirsch. Jäger, welche an Couloirs und Lawinenzügen auf einen Hirschabschuss warten, erlegen bei dieser Gelegenheit auch Gämsen.» Ein intensiver Hirschjagddruck erhöht demzufolge auch die Abschussquote von Gämsen. «Dieser Effekt macht sich nun im Goms nach Jahren hoher Abschussquoten beim Hirsch auch in zunehmend geringeren Gämswildbeständen bemerkbar», erklärt Schnidrig.
Falsche Bejagung?
Das auch die Art der Bejagung des Gämswilds die Bestände massgeblich beeinflusst, ist nicht von der Hand zu weisen. «Der Jadgdruck auf den mittelalten, das heisst fünf- bis zehnjährigen Gämsbock, ist viel zu hoch. Gerade diese Tiere stellen aber sicher, dass die Gämsgeissen zeitig im November trächtig werden, damit diese möglichst früh im Frühjahr die Jungen setzen zu können. So erhöhen sich die Chancen, dass die Jährlinge den ersten Winter überstehen», stellt Schnidrig klar.
Junge Böcke hingegen verstünden es nicht, die Geissen auf den Brunftplätzen zusammenzuhalten und zu decken. «So kommt Unruhe auf den Brunftplätzen auf. Mit der Folge, dass viele Gämsgeissen erst in einer der darauffolgenden Brunften im Dezember oder gar im Januar gedeckt werden.»
Der Fortpflanzungsbetrieb mitten im Hochwinter aber hat eine Schwächung der Tiere zur Folge. Sind die Energiereserven vorzeitig vor Frühlingsbetrieb aufgebraucht, verenden die Tiere. Bei einer geringen Fortpflanzungsrate von nur einem Jungen pro Jahr wirkt sich das nachhaltig auf den Bestand aus.
«Bündner Bockregel» als Lösungsansatz?
Mit Seitenblick auf den Kanton Graubünden, das in den 1980er-Jahren vor ähnlichen Problemen bei den Gämsbeständen wie jetzt im Wallis stand, sieht Schnidrig für das Wallis etwa in der Einführung der «Bündner Bockregel» einen Lösungsansatz. «Der Jäger darf erst dann einen Bock erlegen, wenn er eine nicht führende Gämsgeiss oder ein schwaches Jungtier geschossen hat.» So könnte der Druck auf den Gämsbock vermindert und die Jagd beruhigt werden, glaubt Schnidrig.
Zudem müsste wohl auch in Betracht gezogen werden, dass auf der Hochjagd im Wallis nur mehr ein Gämsbock statt deren zwei von einem Jäger erlegt werden sollte. Mit dem neuen Walliser Gämsbejagungsmodell von 2006 sei man zwar auf dem richtigen Weg, aber noch lange nicht am Ziel...
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Kommentare
Jägernichtversteher - ↑8↓0
Indianerlegende: Als der Mensch hungerte, wurde der Bison erschaffen. Als der Mensch nur die starken, gesunden Tiere erlegte, wurde der bestand krank. So wurde der Wolf erschaffen. Dieser riss nun die alten, schwachen und kranken, so dass sich die Bisons wieder erholten.
Der Mensch hätte die Möglichkeit auch ohne Wolf die Gämsen "richtig" zu bejagen. Politisch will man aber nicht. Egoismus?
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Irma Julen - ↑4↓7
Die Jagd gehört einfach verboten. Es handelt sich schlicht um eine Freizeitaktivität für eine Elite auf Kosten der Allgemeinheit. Die Jäger decken sich reichlich und praktisch gratis mit Fleisch ein.
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logo - ↑5↓7
oh ja Gemsböcke müssen her ,aber zuerst müssen die Raubtiere verschwinden.
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lama - ↑4↓7
An Natürli ·het naürli kei ahnig lade dich nächsten Sommer ein, dann kannst du bei uns halb tote blutverschmierte vor angst zitternde Nutztiere eisammel und dann werde ich dich fragen ob diese von Freeridern gejagt wurden.
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lama - ↑3↓6
An brigante angelina : Ja das stimmt der Mensch ist an vielem schuld auch daran das Wolf und Luchs in unseren Regionen ausgesetzt wurde ."illegal ausgesetzt wurde "
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lama - ↑6↓9
Der bestand von Gämsen nimmt rapide ab seid dem Wolf und Luchs im Alpenbogen präsent sind und das ist so egal was dieser Herr Schnidrig. behauptet.
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brigante angelina - ↑5↓6
was sie aber hier erzählen ist ein mist!leider ist es eben so, dass der mensch an vielem schuld ist.wir zerstören die natur,weil wir zu viel eingreifen,dabei könnte sie sich selber regulieren.was aber noch schlimmer ist,dass leute wie sie, es nicht einmal merken!!! wolf und luchs sind geschützt und haben das recht hier zu leben.
Freerider - ↑2↓4
Der vielen Jäger sind der Gämsen Tod. Freerideabfahrten sind inzwischen längst in Zonen geregelt, in denen es keine Wintereinstände der Gämsen gibt.
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Dani - ↑5↓3
Es wäre geregelt....
Lena - ↑3↓2
Man könnte doch einfach auch mal eine Jagd auslassen??!! Autsch, ich spüre schon die Ansage der Jäger.... :-)
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Hans - ↑1↓4
Es ist natürlich am einfachsten den Freeridern und den Schafhaltern die Schuld zuzuweisen,es gibt genug Rückzugsmöglichkeiten in denen es keine Freerider,Biker und Schafe gibt.Die Gemsen werden schon überleben....
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Uli - ↑4↓1
Die Schafe werden auch überleben... trotz Wolf... Unwort des Jahres:-) Schaf
Stefi - ↑3↓4
Habe selten ein Schäfer und Freerider zusammen im Wald gesehen:-) im Sommer können die Freerider nicht und die Schäfer wollen nicht... Im Ernst wieso fühlen sich die Schäfer immer angegfriffen? Schlechtes Gewissen oder wieso?
Natürli - ↑2↓7
NEIN. Der Wolf ist nicht schuld am Rückgang der Wildtiere! Er frisst nur das verendete Wild, welches nach der Hetzjagd durch Freerider überall liegen bleibt. Im Winter Skifahrer in den Wäldern und im Sommer kommen die selben mit dem Bike überall in einem Garacho runter. Das Wild hat keine RUHE. NEIN. Nicht der Wolf tötet die Tiere er frisst sie nur!!!
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mona - ↑3↓4
Natürli der Wolf ist keine Hyäne
Peter - ↑4↓3
Richtig... Und die sogenannten Heger und Pfleger des Waldes lassen ebenfalls ihre Plastikhülsen der Prokektile im Wald liegen welches irgendwann in die Nahrungskette gelangt...
äs Gommi - ↑5↓0
Schuld ist alles andere...Jäger sind ja bekennende und einzige Heger und Pfleger der Fauna..der beste Beweis ist ja der legale Abschuss führender Muttertiere beim Rotwild...auch ein Teil dieser Hegearbeit
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Guschti - ↑3↓4
Immer mehr natürliche Feinde schaffen und anschliessend mit Studien beweisen, dass es weniger Gämsen gibt. Das nenn ich Arbeitsbeschaffung.
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Hunter - ↑4↓3
Patentjagd abschaffen und Revierjagd einführen, dann haben wir ein wirksames System dito Österreich. Die Hobbyjagd im Wallis funktioniert leider für eine gezielte und waidmännische Jagd nicht.
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Imwald Skifahrer - ↑2↓2
Die Probleme sind "multifaktoriell"- genau- am Schluss sind die bösen Schafe und die Skifahrer schuld (und sicher nicht der liebe Wolf, dieser ernährt sich ja ausschließlich von Waldbeeren und Tannennadeln...)
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Du Fantasynamen - ↑2↓2
OK, dann werde ich nächstes mal meine ID-Karte meinem Kommentar beilegen, damit ich nicht mehr von Dir geduzt werde! Renault Modus aus...
Dsni - ↑4↓0
Solange man Leute mit Fantasienamen liest, dutzt man diese...Ironie Ende
Junge Triebe Zerstörer @ mit Intelligenz Ausgerüsteter - ↑1↓2
Zu Ihrem Kommentar fällt mir folgendes ein: Ein Schüler hat den Lehrer immer geduzt. Zur Strafe musste er zehnmal an die Tafel schreiben -ich werde den Lehrer nicht mehr duzen. Als er dies anstatt zehn Mal zwanzig Mal geschrieben hat und der Lehrer gefragt hat wieso er das gemacht hätte, sagte er: "Ich wollte Dir eine Freude machen..."
Dani - ↑4↓1
So was von einem dämlichen Kommentar? Was bitte schön hat das mit dem Wolf zu tun... Genau Leute wie du hetzen mit ihren Skis das Wild im Wald auf, zerstören junge Triebe usw... Also bevor du einem natürlichen Wesen die Schuld zuspielst, könntest du, ebenfalls natürliches Wesen, das mit Intelligenz ausgerüstet wäre ( betonung wäre) etwas besseres tun als so ein Kommentar zu schreiben.
Der alte Jäger - ↑2↓3
Hätte man auf die "Nestbeschmutzer" vom Goms gehört...aber eben Walliser Rat kommt nach der Tat!!!!!!
Ich durfte sie noch erleben...die einst so schöne Jagd....
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