Hitzwelle | Glaziologen erwarten Schmelzraten wie im Jahrhundert-Sommer 2003
Gluthitze setzt den Walliser Gletschern arg zu
Nicht nur Mensch und Tier, auch die Gletscher «schwitzen» gewaltig ob den extremen Temperaturen in diesen Tagen. Allen voran der Aletsch-, der Fiescher- und der Rhonegletscher.
«Wenn die jetzigen Temperaturen weiterhin auf diesem Level verharren, erwarten wir für die kommende Woche Schmelzraten der Gletscher wie im Hitzesommer 2003», sagt der Walliser David Volken, Hochwasser- und Gletscherexperte beim Bundesamt für Umwelt. Jenes Sommer also, der alle vorangegangenen Rekord-Daten in den Schatten stellte. «Die Gletscher verloren in jenem Sommer etwa drei bis fünf Prozent ihrer Eismasse», weiss Volken.
Flusspegel steigen rasant
Denn die derzeit herrschende Gluthitze ist natürlich auch im Hochgebirge spürbar. Auf dem Gornergrat oberhalb Zermatt auf über 3000 Meter etwa sind am Donnerstagmittag über 15 Grad gemessen worden. Die Nullgradgrenze lag bei 4600 bis 4800 Metern und somit höher als die höchsten Gipfellagen von Dom oder Matterhorn.
«Das führt zu markanter Gletscherschmelze. Sichtbar wird dies an den Abflussspitzen an der Rhone oder der Vispa in den Abendstunden. So ist an der Messstelle in Brig am Donnerstag die Abflussmenge innert weniger Tage von knapp 100 auf 160 Kubikmeter Wasser pro Sekunde hochgeschnellt», weiss Volken. Der Hitzewelle-Höhepunkt vom Wochenende wird die Abflussraten bis 200 Kubikmeter ansteigen lassen.
Bereits vergleichbar mit Rekord-Sommer 2003
Und bereits zieht der Glaziologe Vergleiche mit der Hitzewelle im August 2003. «Insgesamt ist die gegenwärtige 10-tägige Hitzewelle zu vergleichen mit den ersten zehn Tagen des August 2003, wo ähnliche Abflussraten gemessen wurden. Wie 2003 war auch der Juni 2015 verhältnismässig warm. Er geht im Rhonetal als der zweitwärmste seit Beginn der Messungen im Jahr 1864 in die Statistik ein.»
Laut den aktuellen Wettermodellen soll die Hitze noch Wochen anhalten, wenn auch mit weniger extremen Temperaturspitzen. «Über Europa herrscht eine klassische ‚Omega’-Lage, wie sie im Hitzesommer 2003 aufgetreten ist. Eine sehr stabile Hochdruckkonstellation, die in der Regel für lang anhaltendes trockenes Wetter sorgt», führt Volken weiter aus. Eine solche Grosswetterlage sorgte im Sommer 2003 mit einem heissen Juni, einem warmem Juli und einem extrem heissen August für einen Wärmerekord mit 4,5 Grad über dem Schnitt der zurückliegenden 30 Jahre.
600 Liter pro Tag für jeden Schweizer Bürger
Allen voran leiden im Oberwallis unter der derzeitigen Hitze die nach Südwesten exponierten Gletscher. Etwa der Aletsch-, der Fiescher- und der Rhonegletscher oder auch der Gornergletscher im Mattertal, wo auch die Abendsonne lange wirkt. «Zurzeit bedeutet das für den Aletschgletscher, dass mit dem aktuellen Abfluss des Gletschers für jeden Schweizer Bürger pro Tag rund 600 Liter Wasser zur Verfügung stünden. Dass zeigen die Abflusswerte an der Massa, in welche die Schmelzwasser des Gletschers fliessen», nennt Volken eine eindrückliche Vergleichszahl.
Gefahr von Felsabbrüchen im Hochgebirge steigt
Die hohe Nullgradgrenze lässt auch die Gefahr von Felsstürzen im Hochgebirge steigen. «Der Permafrost taut auf und kann in der Folge seine Funktion als ‚Leim’ in brüchigem Felsgebiet nicht mehr wahrnehmen. So kann es zu überraschenden Abbrüchen von Felspartien kommen», so Volken. Er verweist in diesem Zusammenhang auf den Abbruch einer Felspartie am Hörnligrat am Matterhorn im Hitzesommer 2003, der auf eben diesen Effekt zurückzuführen war.
zen
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