Naturgefahren | Winter-Check-up von Lawinen-Sprenganlagen auf der Gemmi vor den ersten Schneefällen
Probesprengungen von Gazex-Zündrohren in der Gemmiwand - das Video
Die Zeiten, in denen ganze Talschaften im Oberwallis wegen Lawinengefahr tagelang gesperrt waren, sind längst vorbei. Dafür sorgen unter andern Systemen auch Gazex-Anlagen, welche Lawinen künstlich auslösen.
Lawinenzüge, welche die öffentliche Sicherheit gefährden, werden im Wallis seit Ende der 1980er-Jahre sukzessive mit Lawinensprenganlagen ausgerüstet. Unmittelbar nach Neuschneefällen werden die Couloirs und Hänge über Dörfern, Strassen und Eisenbahnstrecken sowie oberhalb von Skipisten mit Sprengungen entleert. Immer mit dem einen Ziel, dass einerseits keine Schäden an Strassen und Wohnhäusern entstehen und sich andernseits kein Potenzial für Grosslawinen aufbauen kann.
Für die künstliche Lawinenauslösung stehen in der Schweiz viele Sprengmethoden zur Verfügung. Am häufigsten zur Anwendung kommen Handwurfladungen und Helikoptersprengungen. Allerdings muss dafür ideales Flugwetter herrschen. Die ortsfesten Systeme Gazex, Lawinenmast Inauen-Schätti und der Wyssen-Sprengmast sind eine Weiterentwicklung der künstlichen Lawinenauslösung. Mit ihnen kann aus ausgewählten Standorten jederzeit ab Computer eine gute Sprengwirkung erzielt werden. Voraussetzung ist, dass die Systeme regelmässig auf die Funkverbindung und die Grundfunktionen kontrolliert werden.
Kontrollen vor dem Wintereinbruch
Mit den Kontrollen der 25 Gazex-Anlagen im Goms, auf der Belalp, in Saas-Fee, Eisten, im Lötschental und in Leukerbad mit gesamthaft 34 Zündrohren der französischen Firma Technologie Alpine de Securité ist im Oberwallis Peter Schwitter betraut. Er ist selber Chef des regionalen Sicherheitsdienstes Naters und Spezialist für Naturgefahren. «Jeweils im Spätherbst unterziehen wir jede Anlage im Oberwallis und neu auch solche im Unterwallis im Auftrag der Dienststelle für Wald und Landschaft einer Funktionskontrolle.» Am Montagmorgen waren die Sprenganlagen in den schroffen Felswänden der Gemmi im Gebiet Püschir und Kla oberhalb von Leukerbad an der Reihe.
Ohne Heli geht nichts
Eine Helicrew der Air-Glaciers flog Peter Schwitter mit seinem Assistenten Adrian Ruppen frühmorgens zu den drei exponierten Anlagen in der Gemmiwand. «Damit im Winter die Gazex-Anlage dann funktioniert, wenn Lawinengefahr herrscht, braucht es im Herbst eine ganze Reihe von Kontrollen», erklärt Schwitter. «Denn im Hochwinter bei Lawinengefahr zu defekten Anlagen zu fliegen, ist je nach Standort ein oftmals heikles Unterfangen, sowohl für den Helipiloten wie für den Unterhaltsfachmann.»
Für die Inbetriebnahme einer Gazex-Anlage im Herbst benötigen Schwitter und Ruppen dank eingespielter Teamarbeit mit den Helipiloten von Air Zermatt und Air-Glaciers etwa eineinhalb Stunden, wie sich der «Walliser Bote» am Montag vor Ort an der Gemmi überzeugen konnte. Nach Absetzung durch den Heli im Schwebeflug bei der Anlage arbeiten die beiden eine umfangreiche Checkliste ab, sodass keine Unachtsamkeit im Winter zu Störungen führt. «In den Containern wird die Funkanlage zu den Verantwortlichen für die Auslösung einer Sprengung gecheckt. Möglich ist aber auch eine Auslösung über einen mobilen Sprengkoffer mit Stromversorgung mittels GSM. Weiter werden die Stromversorgung einer Spezialbatterie durch ein Solarpanel, die Befüllung der Propan- und Sauerstofftanks sowie alle Leitungen auf Lecks kontrolliert.»
Probesprengung vor Wintereinbruch
Sind diese Arbeiten durchgeführt, werden der Zündkasten mit Batterie sowie die Rückschlagkappen auf dem mächtigen Zündrohr überprüft, bevor eine ohrenbetäubende Probesprengung per Funk vom Tal aus eingeleitet wird. «Löst der Sicherheitsverantwortliche vom Computer eine Sprengung aus, strömt eine vorprogrammierte Menge an Propangas und mechanischem Sauerstoff vom Container über Zuleitungen ins Zündrohr, wo nach wenigen Sekunden das Gasgemisch mit einer Zündvorrichtung zur Explosion gebracht wird.»
Die Energie der Detonation prallt im Winter auf die Schneeoberfläche und löst so die Lawinen künstlich aus. Gleich viermal liess es Schwitter am Montagmorgen im Talkessel von Leukerbad knallen. «Alle Anlagen sind bereit für den kommenden Winter. Jedes der vier Zündrohre kann nun ohne weitere Wartung im Winter bis zu 15 bis 30 Mal zur Detonation gebracht werden», erklärt Schwitter nach dreieinhalb Stunden am Berg auf dem Rückflug nach Leukerbad.
Auslösung über Funk in Leukerbad
Verantwortlicher für die Bedienung der Gazex-Anlagen in Leukerbad ist Richard Grichting, der dortige Chef der Lawinenkommission. Er löst per Funk mit vorgängiger Eingabe eines doppelten Sicherheitscodes vom Büro im Werkhof im Bäderdorf die künstlichen Lawinen aus. «Im Durchschnitt wird jedes der vier Zündrohre in der Gemmiwand pro Winter zwischen fünf- und zehnmal gezündet. Der Entscheid dazu wird aufgrund der Menge Neuschnee, Wetterprognosen und Lawinenbulletins des SLF gefällt. Zudem zeichnet eine Wetterstation auf den Containern der Gazex-Anlagen die lokale Neuschneemenge auf. Erreicht diese eine Höhe von etwa 50 Zentimetern, wird in der Regel geschossen.» Vorgängig wird die Bevölkerung mittels SMS über die Massnahme informiert.
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