Walliser im Ausland | Walburga Baur-Stadler berichtet aus Südkalifornien
«Freud und Leid im Garten»
Seit 17 Jahren lebt Walburga Baur-Stadler in Südkalifornien. Die 72-Jährige ist im Wallis aufgewachsen und seitdem hat es sie in alle Himmelsrichtungen verschlagen. Auf 1815.ch berichtet sie, wie sie in ihrem Garten Gott spielt, Marienkäfer als Insektenvernichter einsetzt und ihre reiche Zitronenernte an Mexikaner verkauft.
Walburga Baur-Stadler (wbaur@roadrunner.com) hat sich nach zahlreichen Auslandserfahrungen vor 17 Jahren gemeinsam mit ihrem Mann in Südkalifornien niedergelassen, ausserhalb von Los Angeles, am Fuss der San Gabriel Berge.
Ihre Zeit widmet die 72-Jährige ihrem Garten, dem Malen und Singen. Auf 1815.ch berichtet sie in loser Reihenfolge über ihr Leben im Land der unbegrenzten Möglichkeiten:
«Kaum waren wir in Kalifornien eingezogen, stand ich schon mit gerunzelter Stirne vor meinen acht Zitronenbäumen, die voller Früchte hingen. Was macht man mit so einem Segen? Wer immer ins Haus kam, sei es als Arbeiter oder als Freund, wanderte mit einem Plastiksack voll Zitronen davon. Und die Bäume hingen immer noch voller Früchte. Hilfe kam, als ich eine Mannschaft Mexikaner sah, die mir zu meiner Überraschung sogar 30 Dollar für die gesamte Ernte bezahlten! Ich konnte mich also als Farmersfrau betrachten!
Von den übrigen Bäumen erkannten wir den Avocadobaum sofort. Da es Mitte Februar war, hatten wir aber keine Ahnung, was die anderen kahlen Bäume uns bescheren würden. Sie blühten wunderbar. Reif wurden dann zuerst die Aprikosen. Als Walliserin war ich überglücklich. Im Haus roch es nach Aprikosenkuchen und die Konfitürenproduktion lief auf Hochtouren. Ich konnte kaum aufatmen, waren Pfirsiche reif, denen Riesenpflaumen folgten. Und dann war da der Feigenbaum. Sobald die Krähen den ganzen Tag im Baum sitzen und einen aufs Ärgerlichste beschimpfen, sind sie reif! Ich machte Feigenkonfitüre, Feigen-Zitronenkonfitüre und Feigensyrup.
Meine Schwester sandte mir eine Packung Sonnenblumenkerne und eine Packung gemischte blaue Blumen aus der Schweiz. Den Sonnenblumen gefiel es hier so gut, dass sie gute vier Meter hoch wurden. Es sah aus wie in einem Urwald. Von den blauen Blumen wuchsen vor allem die Vergissmeinnicht. Aber auch sie schossen in die Höhe wie wild und sahen eher mickrig aus. Dafür versamten sie, so dass ich auch nach vier Jahren immer noch neue Schösslinge ausreissen muss.
Rund um den Briefkasten wachsen Osterglocken und Narzissen. Die scheinen das Lieblingsfutter der Schnecken zu sein. Ich dachte mir: 'Was gut für Präsident Bush ist, soll auch mir recht sein!' und habe den Schnecken den totalen Krieg angesagt. Schneckengift wurde als Massenvernichtungswaffe eingesetzt und in einem raffinierten Umkreisungsmanöver rund um die Blumen gestreut. Jeden Morgen lese ich nun erbarmungslos die Todesopfer auf.
Mit den Tulpen ist das so eine Sache. Da sie einen Winter haben müssen, kaufe ich die Zwiebeln im September und lagere sie dann für zwei Monate im Kühlschrank. Jedes Jahr müssen die Zwiebeln der verblühten Tulpen ausgegraben, getrocknet und auch wieder im Kühlschrank gelagert werden, falls sie auch nur die geringste Chance auf ein Wiederblühen haben sollten.
Dann wären da die Rosen. Sie werden im Januar/Februar fest zurückgeschnitten, um einen künstlichen Winterschlaf zu provozieren. Im April blühen sie alle wieder. Das Hausfrauenmittel mit einer Mischung von Brennesseln, Knoblauch und Geschirrspüler hat nicht gross gegen die Läuse gewirkt, dafür roch es wie in einer Küche. In der Gärtnerei kann man Marienkäferlein kaufen, die dann zu hunderten in den Rosen ausgesetzt werden um sich an den Läusen gütlich zu tun. Einziges Problem: Wenns nicht mehr so viele Läuse hat, fliegen die Marienkäfer davon, ohne jeglichen Sinn für Dankbarkeit. Neuerdings werden sogar Gottesanbeterinnen feil geboten. Religion hin oder her, ich glaube nicht, dass sie viel gründlicher sind in der Insektenvertilgung.
So ist mein Garten ein Mikrokosmos, in dem sich, grad wie überall auf der Welt, Schlachten abspielen und die Stärkeren die Schwächeren verdrängen. Und ich spiele Gott und entscheide, wer noch weiter wachsen oder am Leben gelassen wird, und wer verloren hat!»
Als Vierjährige zog Walburga Baur-Stadler mit ihrer Familie ins Wallis, wo sie aufgewachsen ist und die Real- und Handelsschule im Institut St. Ursula in Brig besuchte. Nachdem sie zwei Jahre lang Sekretärin bei den Walliser Kraftwerken in Visp war, zog es sie nach Oxford, um Englisch zu lernen.
Danach trat Walburga Baur-Stadler eine Stelle beim Politischen Departement in Bern (heute: Departement für auswärtige Angelegenheiten) an und wurde in Belgien, Marokko, Thailand und Madagaskar als Sekretärin eingesetzt. Nach ihrem Wechsel in die konsularische Laufbahn kam es erneut zu Versetzungen: Mailand, Kongo, Peru, Costa Rica und Kalifornien, wo sie ihren Mann, einen Zürcher, kennenlernte und heiratete. Gemeinsam waren die beiden noch in Spanien und Argentinien, wo sich Baur-Stadler Ende 1998 im Grad einer Generalkonsulin frühzeitig pensionieren liess.
(Dieser Artikel ist zwischen 2003 und 2005 in der «Neuen Zürichsee-Zeitung» erschienen. Für 1815.ch wurde er von Walburga Baur-Stadler aktualisiert.)
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