Wahlbetrug | Gefälschte Wahlcouverts abgefangen
Falsche Stimmen für Freysinger
Die vergangenen Grossrats- und Staatsratswahlen wurden von Wahlfälschungen in drei Oberwalliser Gemeinden überschattet. Es ist davon auszugehen, dass die Täterschaft Oskar Freysinger unterstützen wollte – und damit auch die SVP.
Bereits im Vorfeld des zweiten Wahlgangs der Staatsratswahlen horchte man in den betroffenen Gemeinden Naters, Brig und Visp auf. Bürger beanstandeten bei den Behörden, sie hätten ihr Stimmmaterial nicht heimgeschickt bekommen. Unmittelbar danach flatterten die ausgefüllten Wahlzettel der reklamierenden Wähler aber schon in die Briefkästen der Kanzleien. So gelang es, innerhalb der drei betroffenen Gemeinden mindestens eine Handvoll gefälschte Rückantwortecouverts samt Wahlzettel abzufangen, bevor diese in die Urnen gelegt wurden. Die Unterschriften auf diesen Stimmkarten wurden mit derselben Art und Weise gefälscht. In die Couverts wurde jeweils die gleiche Liste gelegt: Oskar Freysinger, Staatsrat, Savièse. Zwei voneinander unabhängige Quellen bestätigen diese Informationen gegenüber dem «Walliser Boten». Zudem heisst es aus Ermittlerkreisen, dass die Suche nach der Täterschaft fortgeschritten sei. Oberstaatsanwalt Rinaldo Arnold wollte sich indes weder zum Inhalt der gefälschten Couverts noch zum aktuellen Stand der Ermittlungen äussern.
Beschwerde der SVPU dürfte sich erübrigen
Die Übereinstimmung bei den abgefangenen Couverts ist ein klares Indiz dafür, dass auch die restlichen falschen Stimmen auf das Konto Freysingers gingen. Im zweiten Wahlgang der Staatsratswahlen hat man in den drei Gemeinden zusammen rund 130 Fälschungen festgestellt. Dadurch würde sich Freysingers Abstand auf den fünftplatzierten Kandidaten der FDP, Frédéric Favre, vergrössern. Offiziell verpasste der SVP-Staatsrat seine Wiederwahl um 2124 Stimmen.
Damit dürfte sich der angekündigte Gang der SVP Unterwallis vors Bundesgericht erübrigen. In einer Beschwerde verlangt die Partei, die Staatsratswahlen zu wiederholen. Im Parlament fand sie damit jedoch kein Gehör. Die Abgeordneten kamen zum Schluss, dass die festgestellten Unregelmässigkeiten das Resultat des Urnengangs ohnehin nicht in entscheidender Weise beeinflusst haben. Dieser Entscheid wird nun bestärkt.
Dass der oder die Betrüger ausgerechnet Freysinger unterstützen wollten, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. In einer zweiten Beschwerde bezichtigte die SVPU nämlich ein Mitglied der Oberwalliser CVP, Wahlzettel bestimmter Wählergruppen eingesammelt und diese ausgefüllt zu haben. Die Beschwerde wurde zwischenzeitlich zwar zurückgezogen, wurde damals aber medial aufgegriffen – mit rufschädigenden Folgen für das CVPO-Mitglied, das nun rechtliche Schritte gegen die Autoren der Beschwerde, die SVPU-Grossräte Jérôme Desmeules und Ilan Garcia, erwägt.
Imesch-Studer und Zenklusen wären wohl gewählt
Während die Wahlfälschungen keine Auswirkungen auf den Ausgang der Staatsratswahlen haben, muss nun davon ausgegangen werden, dass die Parlamentswahlen entscheidend beeinflusst wurden. Für den ersten Wahlgang der Staatsratswahlen – und damit auch der Grossratswahlen – ist in den Gemeinden Brig-Glis und Naters von rund 55 gefälschten Wahlzetteln auszugehen. Bereits 14 Listen hätten laut Analyse von Grégoire Nicollier, Mathematik-Dozent an der HES-SO Wallis, gereicht, damit im Bezirk Brig die CSPO mit der SVPO gleichauf wäre.
Geht man davon aus, dass die Täterschaft bei den Grossratslisten die gleiche Richtung «wählte», käme es zu Verschiebungen. Die SVP hätte einen Briger Sitz an die CVP abtreten, die CVP dafür den Sitz in Östlich Raron der CSP überlassen müssen. Nicht die CSP-Grossrätin Irmina Imesch-Studer wäre im Bezirk Östlich Raron abgewählt worden, sondern CVP-Grossrat Guido Walker. Im Bezirk Brig hätte indes Pascal Salzmann von der SVP die Wahl nicht geschafft. Dafür würde CVP-Grossrat Andreas Zenklusen weiterhin im Parlament sitzen. Das heisst: Die CVP hätte ihre Sitze behalten – aber mit anderem Personal. Die SVP würde einen Sitz verlieren, den die CSP wiederum gewinnt. Das Parlament in seiner jetzigen Besetzung wurde aber bereits vereidigt, auf entsprechende Vorbehalte seitens der «Gelben» wurde bei der konstituierenden Sitzung nicht eingegangen.
Trotz diesen Erkenntnissen bleiben weitere Fragen offen. Waren bei den systematischen Fälschungen in den drei Oberwalliser Gemeinden mehrere Täter am Werk? Wie nahe stehen diese der SVP tatsächlich? Oder war es die Tat eines einzelnen, der – aus welchen Gründen auch immer – das hiesige Polit-System vorführen wollte? Das Parlament wird sich mit der Frage beschäftigen müssen, wie solche Unregelmässigkeiten in Zukunft zu verhindern sind. Was sicher bleibt, ist ein fader Nachgeschmack. Nicht nur aufgrund der kriminellen Energie, die hier freigesetzt wurde. Die Verantwortlichen in den betroffenen Gemeinden hielten die Unregelmässigkeiten unter dem Deckel. Ein Verhalten, dass das Vertrauen in die hiesigen Institutionen und Demokratie ebenso wenig stärkt.
dab
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Kommentare
Arthur Heinzmann, Visp - ↑87↓80
Wo manipuliert werden kann und wird, hat man niemals einen totalen Überblick. Bei besagten Wahlen wurden Manipulationen entdeckt. Doch die Frage stellt sich, wie viele manipulierte Stimmen nicht entdeckt wurden. Wer kann uns garantieren, dass in keiner anderen Gemeinde betrogen wurde? Dabei spielt es gar keine Rolle, zu welchen Gunsten betrogen wird oder es versucht wird. Man sollte sich eher überlegen, wie man solchen Manipulationen ab sofort entgegenwirken kann. Unser Wahlsystem ist unsicher und verlangt nach gründlichem Umdenken.
Nebenbei... für mich persönlich ist das Wallis, immer noch ohne Regierung; ich kann keine Regierung anerkennen oder ihr sogar vertrauen, wenn ich weiss, dass bei den Wahlen manipuliert wurde. Diese Tatsache macht mir sehr zu schaffen. Vielleicht sollten sich die direkt Betroffenen auch mal darüber Gedanken machen!?!
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