Walliser im Ausland | Joel Vomsattel in Barcelona
«Erstens kommt es anders...»
«...und zweitens als man denkt.» Diese Erfahrung hat Joel Vomsattel aus Glis während seines berufsbedingten dreimonatigen Aufenthalts in Barcelona gemacht. Auf 1815.ch berichtet der 23-Jährige von seinen Erlebnissen.
Joel Vomsattel, Sie haben die ersten drei Monate Ihres Praktikums bei Linguista Sprachaufenthalte in Barcelona absolviert. Weshalb gerade dort?
«Linguista Sprachaufenthalte hat eine Partnerfirma in Barcelona, mit welcher sie im Bereich Online-Marketing zusammenarbeitet. Ich habe die Möglichkeit erhalten, nach Barcelona zu gehen, um dort die Grundlagen für meine Arbeit im Online-Marketing zu erlernen. Seit Anfang April bin ich wieder zurück in der Schweiz.»
Wie sah Ihr Alltag aus?
«Ein normaler Arbeitstag begann bei mir um halb 10 und dauerte dann bis 19.30 Uhr. Dadurch hat sich der ganze Tagesablauf ein wenig nach hinten verschoben. Typisch spanisch machte ich selten vor 14 Uhr Mittagspause und das Abendessen fand meistens gegen 21 Uhr statt. Das war am Anfang zwar eine Umstellung, doch habe ich mich recht schnell daran gewöhnt.»
Worin unterscheidet sich der Arbeitsalltag in Spanien von demjenigen in der Schweiz?
«Die Spanier fangen grundsätzlich später an zu arbeiten. Vor 9 Uhr ist eigentlich niemand im Büro. Zudem machen viele Geschäfte und Büros während dem Nachmittag ‚Siesta’, weshalb diese am Abend länger geöffnet sind. Im Büro, in welchem ich arbeitete, hatten wir das aber zum Glück nicht. Ich bevorzuge es, am Abend früher nach Hause zu gehen. Ansonsten habe ich keine grossen Unterschiede bemerkt. Das liegt aber wohl auch daran, dass ich in einem sehr internationalen Umfeld gearbeitet habe und das Team nicht typisch spanisch war.»
Was waren für Sie die grössten Herausforderungen?
«Die grösste Herausforderung war sicher die Sprache. Ich habe zwar vor meiner Abreise ein wenig Spanisch gelernt, doch das hat bei weitem nicht gereicht, um den Alltag zu überstehen. In den touristischen Gegenden war das kein Problem, dort sprechen alle Englisch, aber sobald ich mich davon entfernte, musste ich mich am Anfang mit Händen und Füssen ausdrücken. Im Büro haben wir zum Glück mehrheitlich Englisch gesprochen. Eine weitere Herausforderung zu Beginn war es, mich in der riesigen Stadt zurechtzufinden.»
Würden Sie einen berufsbedingten Aufenthalt im Ausland weiterempfehlen?
«Auf jeden Fall! Während einer bestimmten Zeit im Ausland zu arbeiten ist eine tolle Erfahrung und neben dem Beruflichen konnte ich auch persönlich viel lernen während dieser Zeit. Es ist interessant und lehrreich, in einem anderen Land, mit unterschiedlichen Leuten und Mentalitäten zusammenzuarbeiten. Jeder, der eine solche Chance bekommt, sollte es zumindest einmal versuchen.»
Was würden Sie beim nächsten Mal anders machen?
«Ich würde versuchen, das Ganze gelassener anzugehen. Ich habe vor meiner Abreise versucht, alles zu planen und zu kalkulieren. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Zudem würde ich mich mehr mit der Sprache des Landes befassen. Obwohl heute die meisten Menschen Englisch sprechen, ist es trotzdem von Vorteil, wenn man zumindest Grundkenntnisse in der jeweiligen Sprache des Gastlandes hat.»
Wem sind Sie in Barcelona zuerst begegnet?
«Das war wohl dem Schuldirektor einer unserer Partnerschulen. Ich musste in der Schule die Schlüssel für meine Wohnung abholen und wurde vom Direktor empfangen. Dieser hat mich dann kurzerhand eingeladen, die Schule zu besichtigen, um mir ein Bild davon zu machen. Er hat ausschliesslich Spanisch gesprochen und erst nach zehn Minuten gemerkt, dass ich nichts verstehe – das war ziemlich amüsant.»
Wie haben Sie gewohnt?
«Ich wohnte in einer Studentenwohnung, die mir von Linguista organisiert worden war. Da Linguista in Barcelona mehrere Sprachschulen hat, habe ich diese angefragt, ob sie ein Zimmer für mich organisieren könnten. Schliesslich wohnte ich in einer Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung im Stadtteil L’Eixample. Die Wohnung teilte ich mit Sprachschülern aus der ganzen Welt. Insgesamt hatte ich mehr als fünf verschiedene Mitbewohner, da manche nur für eine oder zwei Wochen nach Barcelona kamen, um Spanisch zu lernen. Das war einerseits sehr spannend, aber andererseits auch ein wenig frustrierend, da es häufig nicht möglich war, die Leute besser kennenzulernen und vertiefte Freundschaften zu knüpfen.»
Wie haben Sie Ihre Freizeit verbracht?
«Wir hatten bei der Arbeit ein junges Team und so habe ich mich während den Wochenenden oder auch nach der Arbeit mit meinen Arbeitskollegen getroffen. Dadurch, dass viele von ihnen schon lange in Barcelona lebten, zeigten sie mir viele Orte, welche man als Tourist normalerweise nicht besucht oder kennt. Nebenbei blieb immer noch genug Zeit, um die vielen Attraktionen, welche Barcelona zu bieten hat, zu besuchen.»
Was hatten Sie sich von diesem Aufenthalt erhofft?
«In erster Linie ging es bei diesem Aufenthalt natürlich um meine berufliche Ausbildung. Dabei habe ich mir erhofft, mir möglichst ein breites Wissen anzueignen, welches ich dann nach meiner Rückkehr in die Schweiz auch einsetzen kann. Zudem habe ich mir erhofft, einen Einblick zu bekommen, wie es ist, in einem fremden Land zu arbeiten. Meine bisherigen Auslandaufenthalte waren aufgrund des Studiums oder um eine Sprache zu lernen. Diese neue Erfahrung fand ich sehr spannend.»
Haben sich diese Erwartungen erfüllt?
«Ja, ganz bestimmt. Ich konnte sehr viel von der Zeit in Barcelona profitieren. Sowohl in beruflicher als auch in persönlicher Hinsicht habe ich viel gelernt. Zurück in der Schweiz kann ich nun das Gelernte umsetzen und meine Erfahrungen in die Arbeit einfliessen lassen.»
Einige Klischees: Spanier gelten allgemein als laut und herzlich, aber nicht sehr arbeitsam. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
«Das ist schwierig zu sagen. Ganz ehrlich: In unserem Büro arbeitete nicht ein einziger Spanier. Wir waren ein sehr internationales Team aus Schweizern, Engländern, Franzosen, Italienern... Laut und herzlich war es aber auch bei uns. Ich denke aber nicht, dass Spanier nicht sehr arbeitsam sind. Anders als Schweizer, nehmen es die Spanier vielleicht eher eine Spur gemütlicher und sind relaxter, wenn etwas nicht gleich funktioniert. Am Ende ist aber trotzdem alles erledigt.»
Was unterscheidet die Spanier von den Wallisern?
«Die Spanier sind sicher im Allgemeinen temperamentvoller. Wenn ihnen etwas nicht passt, so zeigen sie das meist lautstark. Ich denke, die Walliser sind hier zurückhaltender. Zudem machte ich die Erfahrung, dass man zwar schnell Leute kennenlernt, die Beziehung aber eher oberflächlich bleibt. Ähnlich wie man das vielleicht über die Amerikaner sagt. Bei den Wallisern ist es eher umgekehrt: Es ist vielleicht schwieriger mit uns in Kontakt zu treten, aber wenn wir jemanden an uns heranlassen, dann ist die Beziehung meist auch tiefer.
Noch spannender als die Unterschiede empfinde ich aber die Gemeinsamkeiten zwischen Wallisern und Katalanen: Beide zeichnen sich durch ihre Sprache aus, Fussball wird in beiden Regionen grossgeschrieben und die Leute sind stolz auf ihre Herkunft.»
Welches Bild der Schweiz hat man in Spanien?
«Ein durchaus positives. In Spanien geniessen Schweizer nach wie vor das Image als pünktliches und zuverlässiges Volk. Und viele denken, dass Geld absolut keine Rolle spielt, weil man ja aus der Schweiz kommt.»
Hatten Sie manchmal Heimweh?
«Nein, eigentlich nicht. Es war nicht das erste Mal, dass ich für längere Zeit im Ausland war. Zudem lag es auch daran, dass ich sehr viel Besuch von Freunden und Familie aus der Schweiz bekommen habe.»
Was aus der Schweiz haben Sie am meisten vermisst?
«Als Walliser habe ich die Berge nach einer gewissen Zeit vermisst. Klar, in Barcelona hatte ich das Meer, aber es ist doch schön aus dem Fenster zu schauen und die Berge zu sehen. Und ein feines Raclette habe ich auch das eine oder andere Mal vermisst.»
Haben Sie einen Insider-Tipp für Barcelona-Reisende?
«Allen, die gerne Tapas essen, empfehle ich die Carrer de Blai. Die Strasse ist voll mit kleinen, herzigen Tapasbars und ist perfekt, um nach einer Stadtbesichtigung zu relaxen und etwas zu essen. Hier findet sicher jeder etwas für seinen Geschmack!
Alle, die gerne den bekannten Park Güell besuchen möchten, werden schnell merken, dass man neuerdings Eintritt bezahlen muss, um gewisse Teile des Parks zu sehen. Das ist meiner Meinung nach aber nicht notwendig, da der Grossteil des Parks nach wie vor gratis besucht werden kann. Ich empfehle daher, erst einmal den kostenfreien Teil zu besuchen und anschliessend zu entscheiden, ob man den Eintrittspreis bezahlen möchte oder nicht.
Und zum Schluss: Bei der Placa Espanya gibt es eine ehemalige Stierkampfarena. Die Arena ist mittlerweile in ein Shoppingcenter mit unzähligen Geschäften, Kinos und Restaurants umgebaut worden. Auf dem Dach befindet sich eine Art Aussichtsplattform, von der aus man einen schönen Ausblick auf die Stadt und das Museu National d'Art de Catalunya hat. Viele Touristen nehmen den kostenpflichtigen Aufzug vor der Arena um auf das Dach zu kommen. Was sie aber nicht wissen ist, dass man im Inneren des Shoppingcenters ganz bequem und gratis mit der Rolltreppe auf die Plattform kommt.»
Für unsere Rubrik «Walliser im Ausland» sind wir regelmässig auf der Suche nach Wallisern, die fernab der Heimat leben. Gehören Sie auch dazu oder kennen Sie jemanden? Dann freuen wir uns auf Ihre Nachricht an info@1815.ch.
Weiterführende Informationen: Linguista Sprachaufenthalte ist eine Marke der Media Touristik AG, einer Tochterunternehmung der Globetrotter Group. Das Unternehmen kann auf über 30 Jahre Erfahrung in der Organisation von Sprachaufenthalten zurückblicken. Das Angebot erstreckt sich über 13 Sprachen in mehr als 30 Ländern. Interessiert? Hier erfahren Sie mehr.
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