Wahlen 2019 | Die Meinung des Wahlforschers
«Erstaunlich ist die Höhe des Verlustes»
Die Wahlumfrage zum Kanton Wallis liegt vor. Bruno Wüest von der Forschungsstelle sotomo hat sie erarbeitet. Seine Einordnung.
Bruno Wüest, die C-Familie verliert, die Grünen gewinnen deutlich. Hat Sie das überrascht?
«Dass die C-Parteien verlieren und die Grünen zulegen, ist nicht überraschend. Erstaunlich ist die Höhe des Verlustes bei den C-Parteien beziehungsweise des Gewinns bei den Grünen. Doch es gibt Erklärungen für diese Ergebnisse.»
Welche?
«Bei den Grünen ist es die derzeitige Themenkonjunktur. Ökologische Themen sind schweizweit hoch im Kurs – und demnach auch im Wallis. Bei der CVP zeichnet sich hingegen eine Normalisierung der Parteienlandschaft im Vergleich zu anderen Kantonen ab. Die C-Familie ist zwar immer noch sehr dominant, aber das Wallis rückt parteipolitisch näher an andere Kantone. Auch in diesen verlieren die dominierenden Parteien an Einfluss, in Zürich beispielsweise die SVP. Dominierende Parteien geraten zunehmend unter Druck.»
Hängen die Verluste bei den C-Parteien zusammen mit den Gewinnen der Grünen?
«Nein, das sind zwei verschiedene Trends. Es ist nicht so, dass die Grünen direkt von den Verlusten der CVP profitieren. Vielmehr kommt bei den Grünen ein Mobilisierungseffekt, bei der CVP ein Normalisierungseffekt zum Tragen.»
Die SVP scheint sich im Wallis gut zu halten, in anderen Kantonen
schwächelt sie.
«Richtig, dies ist eine weitere ‹Walliser Eigenheit›. Doch die weiteren Parteien sind nach unseren Einschätzungen im Vergleich zu den Wahlen 2015 relativ konstant – mit leichten Verlusten.»
Die Grünliberalen sind im Gegensatz zu den Grünen bescheiden unterwegs.
«Weil es mit Avenir Ecologie eine direkte Konkurrenz zu den Grünliberalen gibt. Und es ist eine sehr junge Partei. Daher kann die GLP im Wallis nicht punkten wie in der übrigen Schweiz.»
Haben Sie auch Unterschiede zwischen dem Ober- und dem Unterwallis festgestellt?
«Ja, insbesondere bei den Herausforderungen, die man für den Kanton sieht. Die Oberwalliser machen sich mehr Gedanken bezüglich Zuwanderung, die Unterwalliser bezüglich EU. Diese Differenzen gelten aber für die Romandie und die Deutschschweiz im Allgemeinen. Bei Themen wie Krankenkassen oder Klimawandel ticken die Unter- und Oberwalliser jedoch sehr ähnlich.»
2444 Personen haben an der Umfrage teilgenommen.
«Ja, und das ist ein sehr guter Wert.»
Wie sieht die Verteilung zwischen Ober- und Unterwallis aus?
«Die eine Hälfte der Teilnehmenden kommt aus dem Oberwallis, die andere aus dem Unterwallis.»
Verzerrt das die Ergebnisse nicht?
«Wir arbeiteten nach der Umfrage mit statistischen Gewichtungsverfahren, damit wir die Verteilung in der Stichprobe der Bevölkerungsverteilung des Wallis angleichen können.»
«Wir beobachten im Wallis verschiedene Trends»
Es handelte sich um eine Online-Umfrage. Wie repräsentativ ist sie?
«Wir müssen unterscheiden zwischen Umfragen, bei denen die Personen selbst wählen können, ob sie mitmachen, und solchen, bei denen wir die Teilnehmenden per E-Mail anschreiben. Bei der Umfrage, die wir für die Mengis Medien und «Le Nouvelliste» realisierten, handelt es sich um den ersten Typ, und wir konnten hier in sehr kurzer Zeit sehr viele Leute erreichen, was ein grosser Vorteil ist. Hingegen mussten wir mehr investieren für die Gewichtung der Resultate.»
Der Stichprobenfehler liegt bei plus-minus zwei Prozent. Was heisst das?
«Das heisst, dass unsere Werte im schlimmsten Fall bis zu zwei Prozent danebenliegen können. Unsere Erfahrungen zeigen jedoch, dass wir in der Regel gute Resultate erzielen. Vergessen sollte man auch nicht, dass es sich um eine Momentaufnahme handelt und bei den Wahlen am 20. Oktober noch andere Effekte als die blosse Wahlabsicht zum Tragen kommen.»
Interview: bra
Zur Umfrage
Mengis Medien und die Unterwalliser Tageszeitung «Le Nouvelliste» haben die Walliser Wahlumfrage bei der Zürcher Forschungsanstalt Sotomo in Auftrag gegeben. Die Datenerhebung fand zwischen dem 4. und dem 16. September 2019 statt. Die Befragung erfolgte online. Nach der Bereinigung und Kontrolle der Daten konnten die Angaben von 2444 Stimmberechtigten für die Auswertung verwendet werden. Die Umfrage wurde von Politologe Bruno Wüest ausgewertet.
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