Aviatik | Hermann Geiger verunglückte heute vor 50 Jahren – Rückblick mit seinem Sohn Pierre Geiger
«Erst im Spital habe ich vom Tod meines Vaters erfahren»
Am 26. August 1966 verunglückte der berühmte Walliser Rettungsflieger Hermann Geiger über dem Flugplatz in Sitten tödlich, nachdem er kurz nach dem Start mit einem Segelflugzeug kollidierte. Sein Sohn blickt 50 Jahre zurück.
Der heute in Brig-Glis wohnhafte Pierre Geiger, einziges Kind des 1914 in Savièse geborenen Gletscherpiloten Hermann Geiger, entsinnt sich noch sehr genau an den Tag vor 50 Jahren, als ihn die Nachricht des tragischen Unfalltods seines Vaters erreichte. «Der Zusammenstoss mit dem Segelflugzeug, das sich im Landeanflug auf den Sittener Flugplatz befand, ereignete sich am späten Nachmittag gegen 17 Uhr.» Hermann Geiger, ein weit über die Landesgrenzen hinaus bekannter Flugzeug- und Helikopterpilot, habe an jenem verhängnisvollen Tag in einer Piper HB-OAV mit einer Schülerin zu einer Flugstunde aufbrechen wollen. Kurz nach dem Start sei es zum tödlichen Unfall gekommen.
Seinerzeit absolvierte der damals 19-jährige Pierre Geiger eine Ausbildung zum Automechaniker in einer Garage in Sitten. «Dort wurde ich von einer Drittperson über den Zwischenfall informiert», blickt Geiger auf das Unglück zurück. Erst im Spital in Sitten habe er schliesslich von einem Arzt erfahren, dass sein Vater den Zusammenstoss nicht überlebt hatte. Hermann Geiger, der bis dato Tausende waghalsige Einsätze im Hochgebirge geflogen war und damit Hunderten in Not geratenen Alpinisten und Berggängern das Leben rettete, verstarb noch auf der Unfallstelle. Ein «stupide accident», meldete die welsche Presse damals.
Seit jeher vom Fliegen fasziniert
Schon als Bub habe der «Adler von Sitten», der zusammen mit 14 Geschwistern in Savièse aufwuchs, von der Fliegerei geträumt – inspiriert von den Flugkünsten der Alpendohlen, die Hermann Geiger in den Sommermonaten, die er jeweils als Alphirt in den Bergen verbrachte, bewunderte. «Während seiner Lehrzeit zum Automechaniker baute er dann zusammen mit Max Caspar, seinem zukünftigen Schwager, im Elternhaus einen Segelflieger.» Allerdings seien die ersten Flugversuche mit dem selbstkonstruierten Luftgefährt nur von kurzer Dauer gewesen, schmunzelt sein Sohn, der selbst das Piloten-Brevet in der Tasche hat.
Die anfänglichen Rückschläge und die Wirren des Zweiten Weltkriegs, welche Hermann Geiger als Gemeindepolizist nach Winterthur und Bern führten, vermochten seiner Begeisterung für die Aviatik jedoch keinen Abbruch zu tun. Mit einem Piloten- und Fluglehrerdiplom kehrte der spätere Mitbegründer der Schweizerischen Rettungsflugwacht Rega 1946 ins Wallis zurück und übernahm den Chefposten auf dem Flugplatz in Sitten. «In dieser Funktion konnte sich mein Vater voll und ganz seiner Passion widmen, bot Flugstunden und Rundflüge an und entwickelte die Fliegerei weiter», erzählt der heute 70-jährige Pierre Geiger, der seine Kinder- und Jungendjahre aufgrund der Leidenschaft seines Vaters fast ausschliesslich auf dem Flugplatz in Sitten verbrachte. «Schon früh half ich etwa beim Verladen von Personen und Gütern mit, betankte Flugzeuge, putzte die Scheiben der Flieger, mähte den Rasen.» Und nicht selten habe er seinen Vater damals auf dessen Ausflüge in die Luft begleitet. «Nicht immer bin ich gerne mitgeflogen.»
Durch Versorgungsflüge zum Rettungswesen
Zur Rettungsfliegerei habe sein Vater erst später gefunden, erinnert sich Pierre Geiger. Die grossen Bauvorhaben an den Walliser Stauseen der damaligen Zeit haben vor allem in den Wintermonaten erhebliche Versorgungsprobleme mit sich gebracht, schreibt die Schweizerische Gletscherpiloten Vereinigung zu Hermann Geigers Werdegang. Der erfahrene Pilot habe diese Marktlücke sogleich erkannt und sich mit zahlreichen Materialabwürfen über den Baustellen rasch unentbehrlich gemacht. Darüber hinaus habe er festgestellt, dass nicht nur Abwürfe, sondern auch Landungen im Hochgebirge möglich sein müssten.
Dieser bahnbrechende Denkansatz Geigers sollte vielen Piloten schon bald neue Möglichkeiten sowohl bei Versorgungsflügen als auch bei der Rettung von verletzten Personen im Gebirge eröffnen. Geigers Mission und Lebensziel sei stets gewesen, dass das Flugzeug ein zuverlässiges Instrument des Transports und der Hilfeleistung im Hochgebirge werde, schreibt die «NZZ» zum tödlichen Unglück vor 50 Jahren.
Meilenstein in der Gebirgsfliegerei
Folglich entwickelte der nimmermüde und mutige Flugspezialist eine Landetechnik für Schneehänge und Gletscher, welche er am 10. Mai 1951 zusammen mit einem Militärpiloten auf dem Gletscher Kanderfirn im Kanton Bern mit einer mit Skiern ausgerüsteten Piper PA-18 Super Cup ein erstes Mal wagte. «Auf eine nur sehr kurze Distanz wurde bergauf gelandet und bergab gestartet», erklärt sein Sohn das riskante, aber wegbereitende Vorgehen seines Vaters, der damals 37 Jahre alt war. «Mit der ersten gelungenen Landung in den Berner Alpen, sowie den Tausenden weiteren, die noch folgen sollten, hat mein Vater unter anderem auch den Grundstein zur heutigen Rettungsfliegerei in den Bergen gelegt», ist sein Sohn überzeugt.
Denn obwohl er seinen Ruf als Gletscherpilot dem Flächenflugzeug verdanke, habe Geiger als einer der Ersten die Überlegenheit des Helikopters in gewissen Situationen erkannt», heisst es in der «NZZ» weiter. «Der Verband schweizerischer Konsumvereine – der Vorgänger von Coop – übergab meinem Vater daraufhin anno 1957 einen Helikopter und offerierte ihm die Ausbildung zum Helikopterpiloten, die damals nur in Paris angeboten wurde», weiss Pierre Geiger. Fortan habe der Helikopter das Flugzeug bei Rettungseinsätzen im Gebirge allmählich abgelöst.
Grosse Ehre für Hermann Geiger
Dank seines Pioniergeists und seines unermüdlichen Engagements rettete Hermann Geiger unzählige in Bergnot geratene Personen aus ihrer misslichen Lage und viele von ihnen auch vor dem sicheren Tod. Während seiner Karriere flog er mehr als 4000 Rettungseinsätze. Nicht nur damit habe er die Gebirgsfliegerei in den Alpen entscheidend mitgeprägt, sondern vor allem auch, weil er unermüdlich weitere Piloten in die Kunst der Gletscherfliegrei einführte. «Er unterrichtete gerne und oft, stand mit zahlreichen angehenden Piloten in Kontakt», weiss sein Sohn über die rege Schultätigkeit Geigers zu berichten.
Ein grosses Vermächtnis, das Hermann Geiger schon zu Lebzeiten internationalen Ruhm einbrachte und im Wallis noch bis heute nachhallt, unter anderem auch, weil er 1965 Mitbegründer des Flugunternehmens Air-Glaciers war. Am 26. August 1966 fand der sturmerprobte Gletscherpilot ausgerechnet bei einem eigentlichen Routineflug den Tod – «stupide accident».
Zum Gedenken an Hermann Geiger, der am 26. August 1966 während eines Schulungsfluges tödlich verunglückte, wird es heute auf dem Flugplatz in Sitten ab 11 Uhr im Rahmen einer kleinen Gedenkfeier eine Kranzniederlegung sowie ein Apéro geben.
pan
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