Ursula Jones-Strebi, 86, verhalf Musikern zu Weltruhm
Enterbt, weil sie einen Trompeter heiratete
Martin Schmidt
Sie wurde von der englischen Queen geadelt, begegnete als Gast an einer Vernissage in Paris Pablo Picasso, den sie dereinst heiraten wollte, und kannte viele Musikgrössen des vergangenen Jahrhunderts persönlich – einigen davon verhalf sie höchstselbst zu Weltruhm. Ursula Jones-Strebis Leben bewegt sich oft in Kreisen, zu denen normale Leute keinen Zutritt haben. Dennoch hätte sie, als ich sie in ihrem Feriendomizil Grächen treffe, keinen bodenständigeren Eindruck erwecken können. Ihr strahlendes Lächeln hat eine geradezu ansteckende Wirkung. Sie sei meist ein fröhlicher Mensch, wird sie später erzählen, und könne es nicht ganz verstehen, wie viele Menschen tagtäglich miesepetrig durch die Gegend laufen. Solchen Passanten schenke sie jeweils ein besonders herzliches Lächeln – neun von zehn würden es erwidern. Doch erst muss sie nochmals kurz weg. Sie habe etwas auf der Post aufzugeben, sagt sie, nicht aber ohne höflich nachzufragen, ob das in Ordnung gehe . Dann entschwindet Ursula Jones-Strebi mit zügigen Schritten um die nächste Hausecke, als ob es Dinge gäbe, für die man nicht unnötig Zeit verlieren sollte, und als ob sie niemals auch nur annähernd 86 Jahre alt wäre. Ein paar Minuten später taucht sie am vereinbarten Treffpunkt, der Gartenterrasse des Restaurants Walliserhof auf dem Grächner Dorfplatz, wieder auf und beginnt, vom Dorf und seinen Bewohnern zu schwärmen – und ganz besonders von den 55 Nachwuchsmusikern des «National Youth Wind Orchestra of Great Britain». 40 Frauen und 15 Männer, allesamt zwischen 14 und 21 Jahre alt, die seit dem 6. August in Grächen weilen und zu den besten jungen Blasmusik-Talenten Grossbritanniens zählen. Jones-Strebi strahlt. Nicht mit den Augen einer 86-Jährigen. Keine Spur von Mattheit. Keine Müdigkeit. Keine Saturiertheit, die aus ihnen spricht. Nur Lebensfreude und ein wacher Geist.
«Meine Eltern wollten, dass ich etwas mache, mit dem ich meinen Lebensunterhalt verdienen könnte»
Dass Ursula Jones-Strebi zu einer der grössten Schweizer Förderinnen klassischer Musik wurde, ist kein Zufall. «Schon mein Vater war ein grosser Musikliebhaber», hält Ursula Jones-Strebi fest. Walter Strebi war 1938 auch einer der Mitbegründer des heutigen Lucerne Festivals, weshalb in Ursulas Elternhaus Grössen wie Karajan, Furtwängler oder Toscanini ein und aus gingen. War Besuch da, musste Ursula Jones-Strebi beim Bewirten mithelfen. Dabei freundete sie sich mit dem einen oder anderen Dirigenten oder Musiker an. Besonders beeindruckt hat sie dabei der junge Karajan. Und das weniger, weil er daheim bei Walter Strebi jeweils direkt aus der Weinkaraffe trank. Zu dieser Zeit träumte die junge Ursula Jones-Strebi noch von einer Laufbahn als Archäologin. «Meine Eltern wollten, dass ich etwas mache, mit dem ich meinen Lebensunterhalt verdienen könnte», erinnert sie sich. Ursula Jones-Strebi begann, Sprachen zu studieren und reiste für ein Auslandsemester nach London – von wo sie schliesslich nie mehr zurückkehrte. Ganz entgegen ihres einstigen Traums, eines Tages als Frau des Malers Pablo Picasso in Paris zu leben. Ursula Jones-Strebi ist dem weltberühmten Maler gar über den Weg gelaufen: «Ich bin Picasso tatsächlich einmal begegnet.» Die damals 18-Jährige wurde von ihrem Onkel, dem bekannten Schweizer Maler Hans Erni, eines Tages an eine Vernissage in Paris eingeladen. «Als ich mich umgedreht habe, stand Picasso plötzlich mit seinen Stieraugen vor mir. Ich hatte solch einen Schrecken, dass ich einfach davongelaufen bin», so Jones-Strebi.
Ein Lächeln,
ohne den gewohnten Zauber
In London fand sie eine Anstellung als Sekretärin am Philharmonia Orchestra und lernte ihren zukünftigen Mann, den Trompeter Philip Jones, kennen. Doch als sie sich dazu entschied, Philip Jones zu heiraten, brach für ihre Eltern eine Welt zusammen. «Meine Eltern haben mich enterbt, weil ich einen Trompeter geheiratet habe», sagt Ursula Jones-Strebi und lächelt, diesmal jedoch ein wenig verkrampft und ohne den natürlichen Zauber. Sie entschied sich für die Liebe und bereut diesen Schritt bis heute nicht. Nach ein paar Jahren harter Arbeit gründete die gewiefte Schweizerin schliesslich ihr eigenes Orchester, das English Chamber Orchestra, und führte es durch überaus erfolgreiche Jahrzehnte, in denen sie so mancher Musikgrösse zum Durchbruch verhalf. «Nach etwas mehr als 20 Jahren war es dann aber nicht mehr dasselbe», blickt sie zurück, während sie mit ihren sonnengebräunten Armen, die aus den zurückgekrempelten Ärmeln ihrer sandfarbenen Jacke hervorblitzen, gestikuliert. Eine Jacke mit der passenden Hose dazu, wie man sie auch problemlos auf einer Safari tragen könnte und die nicht im Geringsten den Anschein erweckt, als hätte man es mit einer Frau im Ruhestand zu tun. Ihr stilsicheres Gesamtbild wird von «very british» weissen Turnschuhen und einer weissen Armbanduhr abgerundet. «Mein Mann ermunterte mich deshalb dazu, doch noch an der Universität in London ein Archäologie-Studium in Angriff zu nehmen», fährt sie fort. Ursula Jones-Strebi schrieb sich mit 50 Jahren an der Universität ein. Nebenher übernahm sie das Sekretariat der Brassband ihres immer erfolgreicheren Mannes. «Er war im Bereich der Blechbläser in der klassischen Musik ein Pionier», sagt sie. Mit 60 Jahren promovierte Ursula Jones-Strebi in Archäologie und gab während zehn Jahren Vorlesungen. Seither geht sie wieder voll und ganz in der Musik auf. Fördert junge Talente, wie jene des «National Youth Wind Orchestra of Great Britain», denen sie mit ihrem Netzwerk und mit ihrem Einfluss zu spannenden Auftritten verhelfen kann. «Nach dem Studium ist es für viele Musiker nicht leicht. Es gibt so viele Talentierte und die Veranstalter setzen auf bekannte Namen, mit denen sie sicher Geld verdienen. Hier kann ich mit meinen Kontakten helfen», so Jones-Strebi. Dabei sei sie für fast alles offen. Sie brachte auch schon einen Gitarristen zusammen mit einer Akkordeonistin bei einer klassischen Veranstaltung unter. «Damals wollte so etwas niemand hören. Heute sind beide Weltstars.» Wohin es mit den Musikern des Wind-Orchesters gehe, werde sich zeigen. Jones-Strebi selber will noch, so lange sie fit bleibt, weitermachen – Musiker unterstützen und so auch Musik in die Welt hinaustragen.
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