Gesellschaft | Nur vier Walliser Unternehmen beteiligten sich beim Projekt «Ein doppelter Gewinn»
«Eltern wünschen sich vor allem flexible Arbeitszeiten»
Wallis | Mit dem Projekt «Ein doppelter Gewinn» wollte das Kantonale Amt für Gleichstellung und Familie Unternehmen und Verwaltungen aufzeigen, wie Berufs- und Privatleben unter einen Hut gebracht werden können. Das Interesse der Unternehmen war aber nur mässig.
Melanie Biaggi
In den Jahren 2010, 2012 und 2014 verlieh das Kantonale Amt für Gleichstellung und Familie jeweils den Preis Familie+ an Walliser Unternehmen und Verwaltungen, die sich in Sachen Vereinbarkeit von Beruf und Familie proaktiv gezeigt und eine Vorreiterrolle innehatten. Zu den Preisträgern gehörte unter anderem die Gemeinde Visp oder auch die CS Versicherungen Oberwallis.
Motivation
und Identifikation
2014 führte das Amt für Gleichstellung bei Walliser Familien eine Umfrage durch, um herauszufinden, wo der Schuh im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie am meisten drückt. «Die Eltern wünschten sich vor allem Flexibilität des Arbeitgebers in Randzeiten, sodass sie beispielsweise die Kinder zur Schule bringen oder auch abholen können», so Ursula Stüdi vom Amt für Gleichstellung und Familie. 2015 lancierte das Amt für Gleichstellung zusammen mit der Fachstelle UND (schweizerisches Kompetenzzentrum für die Umsetzung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie) daraufhin das Projekt «Ein doppelter Gewinn». Für dieses Projekt konnten sich Walliser Unternehmen oder Gemeindeverwaltungen melden, um zu einem attraktiven Preis ihr Personalmanagement analysieren zu lassen, gefolgt von konkreten Empfehlungen und einer Unterstützung bei deren Umsetzung. Bekanntlich basiert die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen vor allem auf motivierten Mitarbeitenden. «Diese sind auch Familienväter- und -mütter. Mit dem Projekt soll gezeigt werden, dass ein Personalmanagement, das mit dem Privatleben der Mitarbeitenden vereinbar ist, eine klare Erfolgsstrategie darstellt. Zudem lässt sich damit qualifiziertes Personal anziehen», hiess es damals im Projektbeschrieb.
Für Sandra Zurbuchen von der Fachstelle UND gewinnen die Unternehmen sehr viel, wenn sie sich für die Vereinbarkeit einsetzen. «Es hat sich gezeigt, dass die Mitarbeitenden motivierter sind, sich mehr mit dem Unternehmen identifizieren und es weniger krankheitsbedingte Ausfälle gibt.»
Keine Rückmeldungen
Doch beim Walliser Amt für Gleichstellung meldeten sich wider Erwarten nicht Dutzende Unternehmen und Gemeindeverwaltungen für das Projekt; die Anmeldefrist musste gar um ein paar Monate verlängert werden. «Wir haben mit vier Unternehmen gestartet. Die Zusammenarbeit mit ihnen verläuft hervorragend», sagt Stüdi. Bei den vier Unternehmen – zwei aus dem Ober- und zwei aus dem Unterwallis – handelt es sich bei dreien um einen Handwerks- und bei einem um einen Gastrobetrieb. Von Gemeindeverwaltungen gab es überhaupt keine Rückmeldungen.
«Neutralere»
Trägerschaft
Aber warum haben nicht mehr Unternehmen und Gemeindeverwaltungen die Chance ergriffen? Für Zurbuchen von der Fachstelle UND kann man nur mutmassen: «Das Thema Vereinbarkeit ist vielleicht in einigen Regionen oder Branchen im Wallis aufgrund der Gesellschaftsstruktur mit zum Teil noch traditionellen Familienmodellen und Kinderbetreuung durch das familiäre Umfeld noch nicht so aktuell. Denkbar ist auch, dass der Fachkräftemangel noch nicht akut ist.» Wie die Expertin weiter ausführt, könnte das Kantonale Amt für Gleichstellung und Familie als Trägerin des Projekts in gewissen Kreisen auf mehr Skepsis stossen, als eine «neutralere» oder wirtschaftsnähere Trägerschaft, wie beispielsweise ein Gewerbeverband.
Skeptische Unternehmen
Horchen Walliser Unternehmen also auf und sind kritisch, wenn das Gleichstellungsamt ein solches Projekt lanciert? Dazu Stüdi: «Vielleicht schreckt es Unternehmen ab, wenn wir in einem solchen Bereich auftreten, ja. Vielleicht weil sie das Gefühl haben, wir würden den Zeigefinger erheben und ihnen vorschreiben, was sie zu tun hätten. Das Büro als Trägerschaft weckt vielleicht direkt Skepsis und wirkt abschreckend.
«Vereinbarkeit wird oft falsch verstanden»
Ursula Stüdi, Amt für Gleichstellung und Familie
Nach den Erfahrungen, die wir jetzt gemacht haben, werden wir uns überlegen, uns einen Verband als Partner ins Boot zu holen.» Wie Stüdi weiter betont, gehe es ihnen nie darum, Unternehmen oder andere Organisationen zu belehren oder ihnen Dinge vorzuschreiben, sondern nur darum, gemeinsam etwas zu entwickeln und Hilfestellungen anzubieten. «Ich habe das Gefühl, dass Vereinbarkeit auch oft falsch verstanden wird. Es geht nicht nur um Teilzeitarbeit und ist ein Wunschprogramm seitens der Arbeitnehmenden. Vielleicht hilft es, wenn man den Unternehmen nochmals aufzeigt, dass es Kleinigkeiten sind, die Vereinbarkeit erleichtern. Etwa wenn Mitarbeitende abends mal eine Stunde früher Schluss machen können», fasst Stüdi zusammen.
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