Geschichte | Generalversammlung des Geschichtsforschenden Vereins Oberwallis
Ein blutiges Geschichtskapitel
Raron | Raub, Mord und Totschlag: Das Ende des 18. Jahrhunderts war im Wallis blutig. Eine Menge Kultur wurde zerstört. Der Geschichtsforschende Verein Oberwallis blickte darauf am Samstag zurück.
An der Generalversammlung des Geschichtsforschenden Vereins Oberwallis hielt der Ortspfarrer Paul Martone am Samstagmorgen ein spannendes Referat. Er sprach über die Zerstörung der Kultur in den Jahren 1798 und 1799. Für das Wallis ist es ein blutiges Geschichtskapitel.
«Die Französische Revolution hatte für unseren Kanton verheerende Folgen», sagte Paul Martone zu Beginn des Vortrags. «Sie zwang dem Volk eine Verfassung auf, die mit seiner althergebrachten Ordnung völlig brach und es verbitterte. Dabei war die Französische Revolution unter dem Motto Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gestartet. Doch was darunter zu verstehen ist, spürten sehr bald jene, die diesen Versprechungen nicht blindlings folgten.»
Feuer der Revolution
Grosse Hoffnungen auf Freiheit und Gleichheit seien besonders im Unterwallis geweckt worden. Denn das Unterwallis war seit 1476 Untertanengebiet des Oberwallis. Die Oberwalliser wollten die Unterwalliser aber keineswegs in die Freiheit entlassen und die Zenden gleichberechtigt betrachten. Im Unterwallis breitete sich das Feuer der Revolution immer stärker aus.
Napoleon entsendete den Französischen Residenten Michel Mangourit. Kurz danach erklärte das Oberwal-
lis die Untertanengebiete des Unterwallis als frei. Der erste Verfassungsentwurf wurde aber von Mangourit abgelehnt. Also legte Mangourit gleich selbst einen eigenen Entwurf vor und drohte damit, dass in Aigle bereits französische Truppen bereitstehen würden. Also wurde die Verfassung angenommen.
Die Walliser dachten, sie könnten dadurch unabhängig bleiben. Napoleon wiederum befahl, dass sich das Wallis der Helvetischen Republik anschliessen müsse. Das Wallis stimmte dem Befehl widerwillig zu, einige Zenden nahmen sich aber vor, ihre Religion weiter auszuüben. Für die Geistlichen war die damalige Zeit äusserst schwierig. Einigen kostete sie gar das Leben.
Mangourit sagte, dass der Klerus das Volk schlecht unterrichte und nur das Dogma lehre. Das Volk sei in seiner Unwissenheit der moralische Sklave des Priesters. Deshalb müsse für eine bessere Zukunft des Landes zuerst die Religion und mit ihr der Klerus kleingemacht werden.
Um dieses Ziel zu erreichen, gingen die waadtländischen und die Unterwalliser Invasionstruppen mit äusserster Brutalität vor. Zuerst wurden die Kirchen verwüstet, dann die Priester gefoltert, gefangen genommen und getötet. Die Hauptstadt Sitten geriet zum Schauplatz nie da gewesener Gräuel. Zwölf wehrlose Männer wurden von den Waadtländern an einem Nachmittag getötet und 18 verwundet. Insgesamt erbeuteten sie 25 schwer beladene Wagen.
Die Franzosen rückten dann auch ins Oberwallis vor. Und sie hinterliessen auch hier eine Schneise der Verwüstung und des Mordes. So etwa in Leuk, aber auch in Termen, im Lingwurm und in Agarn. «Das Kollegium
in Brig wurde zur Kaserne und die Kirche von Glis zum Getreidedepot, später zum Rossstall», sagte Martone. Auch die Gemeinde Raron sei nicht verschont geblieben. Der Pfarrer wurde im Schloss Chillon eingesperrt, die Kirche geplündert. Und Grengiols wurde von den Österreichern niedergebrannt. Das Wallis war besiegt, unterjocht und es kam zu schweren Hungersnöten.
Neue «Blätter» und Buch
An der Generalversammlung wurde zudem ein kommendes Buchprojekt über Raron vorgestellt. Philipp Kalbermatter und Gregor Zenhäusern erzählten, dass sie versuchen, alle Epochen und viele unterschiedliche Themengebiete von Raron in einem Band zu vereinen.
Zudem ist kürzlich ein neuer Band «Blätter aus der Walliser Geschichte», der vom Geschichtsforschenden Verein Oberwallis herausgegeben wird, veröffentlicht worden. «Der Vorstand des Geschichtsforschenden Vereins freut sich, mit dieser breit gefächerten Artikelpalette der Vorliebe unserer Leserschaft nach einem Strauss an thematisch variablen Texten Rechnung
zu tragen», heisst es im Vorwort des neuen Bands.
Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis zeigt: Die Themenpalette ist tatsächlich bunt. So wird etwa die Simplonstadt Brig als Drehscheibe des Verkehrs und die Hotel- und Tourismusbranche im Saastal historisch untersucht. Weiter finden sich Beiträge über die unsterbliche Hauptstadt Sitten, die Frauen in der Oberwalliser Geschichtsschreibung und die Hexenforschung. Und auch das Referat von Pfarrer Paul Martone über die Zerstörung der Kultur ist in dem Band festgehalten.mgo
mgo
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Kommentare
Peter Fux, St. Niklaus VS - ↑5↓1
Ist Herr Pfarrer Martone auch bereit über die Missstände der KIRCHE im Oberwallis während der Zeit von Kardinal Schiener berichten?Da ist auch viel Blut geflossen !
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