Bauweise | Neue Atelierreihe stellt heimisches Handwerk ins Zentrum
Echtes Handwerk an der Fassade
Am Dienstag organisierte der Oberwalliser Heimatschutz einen Atelierbesuch in der farbe + gips ag. Das Unternehmen mit Sitz in der Natischer Weingartenstrasse setzt bewusst auf alte Verputze.
Über dreissig Fachleute und Interessierte folgten der Einladung und liessen sich von Willy Jossen in sein Handwerk einführen. Der Fachmann ist Mitinhaber der 2001 gegründeten farbe + gips ag. Nach einem Rundgang durch das Werkstattatelier, das vor 15 Jahren in der alten Schreinerei D’Alpaos eingerichtet wurde, zeigte Jossen die Entwicklung vom heutigen Industrieputz zurück bis zum historischen Mörtel der Antike, dem opus caementitium, auf. Dabei mischte er auch gleich vor Ort einen historischen Mörtel zusammen. Ein spektakulärer Vorgang, beim dem die einzelnen Komponenten sichtbar aufeinander reagieren.
Wertvolles Handwerk
Während der anschliessenden Diskussion waren vor allem die Ästhetik historischer Verputze, etwa durch ihre Individualität, und die Unterschiede zu modernem Material ein Thema. Aber auch das Handwerk selbst, das sowohl bei der Herstellung als auch bei der Verarbeitung von historischem Putz zur Geltung kommt. «Industrielle Verputze sind ein fixfertiges Massenprodukt aus der Fabrik, mit entsprechender Garantie und Absicherung durch den Hersteller. Bei der historischen Variante, wie wir sie anwenden, ist man als Handwerker demgegenüber komplett auf sich allein gestellt, etwa auch bei einem Schadensfall», erklärte Jossen in einem anschliessenden Gespräch.
Derzeit ist Jossen am Ende einer zweijährigen Weiterbildung im Bereich Handwerk in der Denkmalpflege, mit Spezialgebiet Mauerwerk und Verputz. «Das ist ein Lehrgang, den ich berufsbegleitend über zwei Jahre hinweg absolviert habe.» Für sein Unternehmen, dass sich in den letzten Jahren zunehmend auf Renovationen und den Unterhalt historischer Gebäude spezialisiert und von 0815-Produkten entfernt hat, ein Muss. «Die Ausbildung ist wichtig, damit man überhaupt auf ein solches Wissen kommt. In der herkömmlichen Ausbildung werden die historischen Aspekte nur mehr am Rande erwähnt.» Seine Abschlussarbeit schreibt er zum Salzbefall im Mauerwerk des historischen Grengjer Bellwalder-Gitsch-Hüs, mit dem er auch in der Praxis zu tun hat.
Startschuss zu neuer Reihe
Über das rege Interesse an der Veranstaltung zeigte sich Giuseppe Curcio, Präsident des Oberwalliser Heimatschutzes, sehr erfreut. Er fügte an, dass «es wünschenswert wäre, wenn die Baukunst und das Handwerk wieder vermehrt geschätzt würden.» Es müssten nicht immer nur grosse Glasfronten in der Fassade sein. «Es kann eben auch eine schöne, individuelle Hauswand erstellt werden. Man muss auch etwas alt werden lassen. Ein Haus kann nicht immer genau so aussehen, wie ein bestelltes Legoteil, das immer gleich bleibt.» Leider werde bei Neubauten häufig zu wenig Wert auf die Fassade gelegt. «Viele Bauherren laufen mehrmals zum Küchenbauer für eine neue Küche. Wenn es um die Fassade geht, wird aber meist auf das Billigste zurückgegriffen.»
Der Atelierbesuch war zugleich der Startschuss zu einer neuen Veranstaltungsreihe des Oberwalliser Heimatschutzes. «Derzeit sind zwei bis drei Anlässe pro Jahr vorgesehen, zusätzlich zur alljährlichen Übergabe des Raiffeisenpreises», erklärte Curcio. Der nächste Atelierbesuch ist provisorisch für den kommenden September angesetzt. Dann soll ein ähnlicher Anlass zum Thema Fenster veranstaltet werden, mit Fragen zur Anbringung von Sprossen, zur Materialwahl und weiteren Aspekten. Ziel sei es, jeweils ein anderes Atelier zu besuchen, um für einmal auch das heimische Handwerk ins Zentrum zu rücken.
Preisträger gesucht
Im Rahmen des jährlichen Raiffeisenpreises sucht der Oberwalliser Heimatschutz (OHS) in diesem Jahr gelungene Bauten in Dorfzentren, welche zu deren Aktivierung beitragen und einen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen. Dabei kann es sich sowohl um einen klassischen Umbau oder um eine Neukonstruktion handeln. Der Bau soll abgeschlossen und nicht älter als vier oder fünf Jahre sein. Vergeben wird der diesjährige Preis an Privatpersonen oder aber auch an Gemeinden und andere Körperschaften, die Projekte in diesem Rahmen umgesetzt haben. Vorschläge können bis am 2. September 2016 an den Oberwalliser Heimatschutz, Postfach 548, 3900 Brig eingereicht werden.
pmo
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