Quecksilber | Fehlende Dokumente, fehlende Erklärungen: Was lief schief bei der Dienststelle für Umweltschutz?
Dienststelle beseitigte Dokumente zur Quecksilber-Affäre
Sitten | Wie kann es sein, dass bei der Dienststelle für Umweltschutz Archivdokumente zum Walliser Quecksilber-Dossier vernichtet wurden? Vorneweg: Wir wissen es nicht. Und wir sind nicht die Einzigen.
Armin Bregy
Der Quecksilber-Bericht der Geschäftsprüfungskommission (GPK), der letzten Freitag publiziert wurde, ist sorgfältig ausgearbeitet. Trotzdem birgt er Geheimnisse. Etwa wenn es um verschwundene Dokumente geht, die für die weitere Aufarbeitung des Quecksilber-Dossiers relevant sein könnten.
Dienststelle handelte
auf Eigeninitiative
Die GPK hat festgestellt, dass in den Archiven der Dienststelle für Umweltschutz (DUS) mehrere Dossiers abhandengekommen sind. Es stelle sich die Frage nach dem Beweggrund der DUS, Archivbestände zu vernichten, so die GPK in ihrem Bericht. Dabei geht es um Dokumente zur Oberwalliser Quecksilber-Affäre aus den Jahren vor 2005. Trotz verschiedener Anfragen konnte die DUS keine Erklärung für die verschwundenen Dokumente liefern.
Das Staatsarchiv Wallis stellte bereits anlässlich einer Inspektion zwischen Ende 2004 und Anfang 2005 fest, dass die DUS – zu diesem Zeitpunkt war der Posten des Dienstchefs vakant und die Stelle ausgeschrieben – auf Eigeninitiative Dossiers vernichtet hat. Und damit gegen das Reglement betreffend die Archive der Staatsverwaltungen verstiess, in dem es heisst, dass «ohne Zustimmung des Staatsarchivs und entgegen dessen Weisungen keine Akten vernichtet werden dürfen». Ein Verstoss, der ohne Folgen blieb. Und erst jetzt publik wurde.
Im Bericht vom Mai 2005 steht weiter, dass die DUS die Schritte zur Nachverfolgung der Vernichtung in den letzten Jahren nicht mehr rekonstruieren könne. «Die Dokumente wurden auf Eigeninitiative von der Dienststelle selbst vernichtet, und nicht vom Staatsarchiv, das seinerseits keine Dokumente in Zusammenhang mit dem Quecksilber-Dossier vernichtet hat, die in seinen Beständen aufbewahrt werden», sagt Kantonsarchivar Alain Dubois auf Anfrage.
Unbeabsichtigt verschwunden
Damit ist klar, wer für das Verschwinden der Dossiers verantwortlich ist: die DUS. Was bleibt, ist die Frage, wie dies passieren konnte. Und wer für das Verschwinden der Dossiers verantwortlich ist. Christine Genolet-Leubin sagt, dass sie keine Informationen über den Verbleib der Dokumente habe. Sie habe zur Zeit der Vernichtung nicht bei der Dienststelle für Umweltschutz gearbeitet, so Genolet-Leubin, die nach Joël Rossiers Freistellung die Federführung der DUS innehat. Trotzdem ist sie überzeugt: «Die Dokumente wurden vernichtet, ohne den Willen, etwas zu verbergen.» Das heisst: Die Dokumente sind unbeabsichtigt verschwunden. Wie und wieso weiss niemand.
Die GPK schreibt in ihrem Quecksilber-Bericht abschliessend, dass die Archivierungsrichtlinien des Staates Wallis künftig strikt einzuhalten seien. «Ohne vorgängige Konsultation des Staatsarchivs darf es auf keinen Fall erneut zu Vernichtungsaktionen von Dokumenten kommen, insbesondere wenn diese sensibel sind», so die GPK, die weiter daran erinnert, dass es im Umweltrecht keine administrative Verjährungsfrist gibt.
Genolet-Leubin hält fest, dass die DUS die internen Prozesse verbessern wolle. Die Dienststelle sei Teil eines Informatikprojekts, das als Zielsetzung habe, sämtliche Prozesse zu informatisieren. «In diesem Projekt sind auf höchster Stufe sowie bei der Umsetzung Mitarbeiter des Staatsarchiv involviert», so die Adjunktin der Dienststelle für Umweltschutz.
Stillschweigen
Im Bericht der GPK erstaunt ein Briefwechsel zwischen dem Chef der Dienststelle für Umweltschutz (DUS) und dem Bundesamt für Umweltschutz von 1974. Darin bittet der Chef der DUS das Bundesamt, Informationen zur Quecksilber-Verschmutzung nicht zu verbreiten – und argumentiert mit einem Schreiben von Ciba-Geigy: «Es wäre gefährlich, die Informationen der Öffentlichkeit bekanntzugeben, die ihre tatsächliche Bedeutung nicht verstehen und sie zu Agitations- oder Propagandazwecken verwenden könnten.» Ob Lonza ebenfalls auf Stillschweigen bestanden hat, bleibt offen. Der Brief ist verschwunden.
bra
Artikel
Kommentare
Noch kein Kommentar