Zauberei | In 52 Wochen durch sechs Kantone
Die Magie von 42 muhenden Zaungästen
Auf der achten Etappe meines Projekts 52/26 warteten in Froideville im Kanton Waadt neben den zweibeinigen Gästen 42 muhende Vierbeiner. Als wäre das nicht speziell genug, muhten die Kühe auf Französisch. Die menschlichen Wesen taten es ihnen gleich und bedienten sich ebenfalls der Sprache Molières. Sowohl die Kühe wie auch die Sprache weckten in mir so einige Erinnerungen. Die Sommermonate verbrachte ich während meiner Kindheit auf einer Alp im Simplongebiet. Meine Eltern sömmerten oberhalb von Gondo jeweils um die 60 Kühe. Den Umgang mit den Vierbeinern hatte ich also von der Pieke auf gelernt, und so war mir bereits vor dem Auftritt bewusst, dass die Kühe das ganze Spektakel durch ein gemütliches und rhythmisches Wiederkäuen wertschätzen werden.
Zaubershow mitten im Kuhstall
Wie sich herausstellte, hatten an diesem Abend nicht nur die Kühe was zu kauen: Die Bauernfamilie hatte einen kleinen Apéro und ein kleines Abendessen vorbereitet. Apéro wie Essen wollten aber verdient sein, und so schlich ich mich gegen halb fünf, mitten während der Melkzeit, zwischen die Kühe, um den Stall nach möglichen Zauberutensilien abzusuchen. Nach kurzer Zeit wurde ich dann auch fündig. Unter anderem fanden sich im Stall Stricke, um die Kühe zu heften, und etliche Schnüre, um die Strohballen zu binden. Im Milchzimmer fand ich dann ein weiteres wunderbares Zauberrequisit vor: kuhwarme Milch. Ich machte mich also umgehend daran, einen Liter frische Milch in ein Tetra Pak abzufüllen. Gut gelaunt durch den Fund des neuen Zauberrequisits, war ich in der Euphorie etwas gar schnell unterwegs, und so wurde mir die Kurve hinein in den Stall zum Verhängnis. Ich glitt auf der Milch aus, und ehe ich mich versah, lag ich auf dem Rücken. Bei einer solch gelungenen Einlage ist man natürlich froh, dass die Vorbereitung jeweils unter Ausschluss des Publikums stattfindet. Nachdem ich von der Horizontalen wieder in die Vertikale gewechselt hatte und alle Requisiten am richtigen Ort waren, bat ich mein Publikum, auf ein paar Strohballen inmitten der Kühe Platz zu nehmen. Alles war bereit für die Zaubershow mitten im Kuhstall.
Aus Milch wird Cola
Als Erstes nahm ich eine Schnur, die die Strohballen fest zusammenhält, und durchtrennte sie mit blossen Fingern. Die zwei Teile verband ich anschliessend mit einem festen Knoten, der auf der Schnur problemlos auf und ab wanderte. Schliesslich öffnete ich den Knoten wieder und liess die zwei Teile zu einer einzigen Schur zusammenschmelzen. Die Zeit der Milch war nun gekommen. Aus dem Tetra Pak gab ich einem der anwesenden Milchfreunde ein Glas Rohmilch zur Degustation aus. Klar, dass in dieser muhenden Umgebung der Milchtester den weissen Saft sehr zu schätzen wusste. Leider ist es aber heutzutage so, dass die Euterlimonade nicht mehr alle zu begeistern vermag, und so verwandelte ich die Milch kurzerhand in Cola, Orangina, einen Energydrink und in Weiss- und Rotwein. Die Anwesenden wussten das magische Apéro sehr zu schätzen.
Auf meiner nächsten Etappe bleibe ich den Wundern der Milch auf der Spur. Im Kanton Appenzell Innerrhoden zaubere ich in einer Alpkäserei. Zum Ärger der Appenzeller und zum Vergnügen der übrigen Helvetier darf ich heute in dieser Zeitung verraten, dass ich das Geheimrezept der Appenzeller lüften werde.
Mit geheimen Grüssen und käsigem Handschlag.
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