Matterhorn | Einheimische Pioniere am «Berg der Berge»

Der Wettlauf an der Nordwand

Kämpften in der steilen Nordwand. Die Täscher Bergführer Kaspar Mooser, Viktor Imboden und Joseph Lerjen (von links nach rechts).
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Kämpften in der steilen Nordwand. Die Täscher Bergführer Kaspar Mooser, Viktor Imboden und Joseph Lerjen (von links nach rechts).
Foto: zvg

Das Matterhorn und seine Nordwand. Bis in die Dreissigerjahre des letzten Jahrhunderts galt sie als eine der letzten ungelösten alpinistischen Probleme der Alpen.
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Das Matterhorn und seine Nordwand. Bis in die Dreissigerjahre des letzten Jahrhunderts galt sie als eine der letzten ungelösten alpinistischen Probleme der Alpen.
Foto: Keystone

Quelle: 1815.ch 08.07.15 2
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Noch Jahrzehnte nach der Erstbesteigung des Matterhorns vor 150 Jahren zählte dessen Nordwand zu den grössten ungelösten Herausforderungen in den Alpen. Bis ins Jahr 1931 kam es an seiner steilen Flanke zu einem regelrechten Wettlauf. Wesentlich daran beteiligt waren auch drei einheimische Bergführer aus Täsch.

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«Dennoch hatten sie in jedem Augenblick den Eindruck, dass die Steilheit und die Schwierigkeiten im Abnehmen begriffen seien. Aber immer, wenn ein Abschnitt überwunden war, die gleiche Enttäuschung: Wieder wurde die Wand steiler, wieder lagen die Griffe weit auseinander», beschreibt Emile Robert Blanchet in seinem Buch «Als letzter am Seil» den ersten dramatischen Aufstiegsversuch der Täscher Bergführer Kaspar Mooser und Viktor Imboden in der Nordwand.

Die beiden waren im Sommer 1928 mit einem ehrgeizigen Ziel am Matterhorn unterwegs: Bis dahin war es den Alpinisten des frühen 20. Jahrhunderts noch nicht gelungen, das Matterhorn über seine steile Flanke zu bezwingen. Rund 1’100 Höhenmeter und eine Route von beinahe 5 Kilometern Länge in unbekanntem Terrain lagen vor ihnen.

Waghalsige Bergsteiger, bescheidene Ausrüstung

Bis in die Dreissigerjahre des letzten Jahrhunderts zählten die Nordwände des Matterhorns, der Grandes Jorasses und des Eigers als besondere Herausforderungen in den Alpen - sie wurden damals als die «letzten drei ungelösten Probleme der Alpen» bezeichnet. Ihre Flanken galten als unüberbrückbare Hindernisse. Nagelschuhe, Steigeisen ohne Frontzacken, Laternen, Holzpickel und Filzhüte: Nur die waghalsigsten Bergsteiger trauten sich, mit der dazumal bescheidenen Ausrüstung eine Begehung in Angriff zu nehmen.

«Speziell war damals auch, dass die einheimischen Führer nicht etwa alleine einen Aufstieg versuchten, sondern stets Gäste mitnahmen», erklärt Hermann Biner, Zermatter Bergführer und Buchautor, im Gespräch. Der 63-jährige Biner unternahm selbst unzählige Touren am Matterhorn, nicht jedoch an der Nordwand, wie er betont.

Wettlauf mit Täscher Bergführern

Den Beginn des Wettlaufs um die Matterhorn-Nordwand markierte ein erster Versuch der Österreicher Alfred Horeschowsky und Franz Piekielko im Jahr 1923. Aufgrund eines Steinschlags in der Wand mussten die beiden ihr Vorhaben allerdings unvollendet abbrechen und auf der Höhe der Solvayhütte aussteigen. Sie sollten nicht die Letzten sein, die mit den Widrigkeiten in der Nordwand zu kämpfen hatten.

Es folgten zwei weitere Versuche durch einheimische Bergführer aus Täsch, allen voran Kaspar Mooser, der bei beiden Seilschaften massgeblich beteiligt war. «Rund um diese Erstbegehungsversuche ist nicht viel überliefert. Sie sind auch in der Literatur praktisch unbekannt», beschreibt Biner die Quellenlage zu den damaligen Unternehmungen der Täscher Bergführer.

Wetterumbruch vereitelt Versuch

Überliefert ist jedoch, dass Kaspar Mooser bereits 1928 gemeinsam mit seinem Bergführerkollegen Viktor Imboden einen ersten Versuch unternahm. Ihr Gast Emile Blanchet war, wie dieser in seinen Notizen überlieferte, kurzfristig verhindert. Der Versuch der beiden Führer wurde durch einen plötzlichen Wetterumsturz jedoch jäh beendet.

Nachdem sie nach 12-stündiger harter Arbeit eine Wandhöhe von rund 500 Metern erreicht hatten, wurden sie beim Biwakieren mitten in der Nacht überrascht und mussten sich zum Rückzug entschliessen. Auf einem mühseligen Abstieg von über zehn Stunden kämpften sie sich zur Hörnlihütte zurück – mit einer um die Hose gebundenen Taschenlampe und an der Brust befestigten Laternen nahmen sie dabei den nächtlichen Abstieg auf sich.

Zu harte Köpfe

Mooser liess nicht locker und unternahm zwei Jahre später nochmals einen Versuch, diesmal mit seinem Schwager und Bergführerkollegen Joseph Lerjen sowie ihrem gemeinsamen Gast Emile Blanchet. Die beiden Führer waren bereits einen Tag früher aufgestiegen, um auf dem untersten Teil der Route auf rund 250 Metern Länge mit ihren Täscher Willisch-Pickeln Stufen ins Eis zu schlagen. Durch diese Vorarbeit sollte Zeit beim Aufstieg gewonnen werden.

Beim Aufstiegsversuch selbst stiessen sie dann aber am Ende des untersten Eisfelds auf abwärts geschichtete Felsen, die mit einer dünnen Eisschicht überzogen waren. Nachdem sie mehrmals in Steinschläge geraten waren, mussten sie schliesslich entkräftet aufgeben. Beim Rückzug wurden die beiden Führer von Felsbrocken am Kopf getroffen, konnten der Wand jedoch unverletzt entkommen. Entweder seien ihre Köpfe zu hart gewesen oder die Steine hätten sie nur gestreift, soll Blanchet später vermutet haben.

Verhältnisse entscheidend

«Eine Begehung der Wand ist extrem abhängig von den Verhältnissen», erklärt Biner die Schwierigkeiten bei den damaligen Aufstiegsversuchen. «Wenn es viel Schnee und guten Trittschnee hat, ist es im Normalfall viel einfacher, als wenn der Fels hervorschaut und vielleicht noch zusätzlich mit dünnem Eis überzogen ist. Die Täscher Führer hatten mit solch schlechten Verhältnissen zu kämpfen.» Als die Bedingungen ein Jahr später günstiger waren, wollten Mooser und sein Gast Blanchet deshalb nochmals einen Versuch starten.

Dazu sollte es aber nicht mehr kommen: Als sie für die Besteigung in Zermatt ankamen, erhielten sie die Kunde, dass die beiden deutschen Alpinisten Franz und Toni Schmid die Erstbegehung geschafft hatten. Obwohl die Brüder, die mit Fahrrädern von aus München nach Zermatt angereist waren, ihnen die Nordwand «weggeschnappt» hatten, mochte Blanchet den beiden «den Erfolg von Herzen gönnen», vermerkte er in seinen Dokumenten.

Eine Stunde und 46 Minuten

Wie Biner weiter erklärt, folgten in den Jahren nach der Erstbegehung weitere Besteigungen der Wand. «Auch später nach dem zweiten Weltkrieg gab es vereinzelt und ab den 60er- und 70er-Jahren häufiger Führer, die Gäste durch die Nordwand führten.» Im Jahr 1965 wurde die Flanke schliesslich erstmals durch eine Frau begangen: Unter Beteiligung des Zermatter Bergführers Othmar Kronig erreichten Yvette Vaucher und ihr Mann Michel das Matterhorn über die Nordwand.

Laut Biner wird die anspruchsvolle Route heute indes eher weniger oft begangen. «Nichtsdestotrotz gibt es Jahre mit guten Schneeverhältnissen, in denen Begehungen häufiger sind.» Fest steht, dass die Wand bis heute eine Herausforderung geblieben ist: Erst vor wenigen Wochen etwa stellte der Urner Daniel Arnold einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf - eine Stunde und 46 Minuten benötigte er für den bislang schnellsten Aufstieg über die Schmid-Route.

pmo
08. Juli 2015, 07:00
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Kommentare

  • Oberländer - vor 10 Jahre ↑1↓0

    Einheimische die versuchten die Matterhorn-Nordwand zu durchsteigen ist ja interessant. aber welche Einheimischen haben als Erste die Nordwand erfolgreich bezwungen?

    antworten

    • H. Bär - vor 10 Jahre ↑1↓0

      Alexander Graven und Alexander Taugwalder mit Berchtold Hediger und Alfred Sutter am 12.07.1946

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