Strategiepapier | Der Kanton Wallis und die Stadt Sitten forcieren die zivile Luftfahrt
Der Walliser Traum von mehreren Hunderttausend Flugpassagieren
Sitten | Der Kanton Wallis und die Stadt wollen den ehemaligen Armeeflugplatz in der Kantonshauptstadt für neue Höhenflüge in der zivilen Luftfahrt bereitmachen. Ganz im Sinne von Tourismus und Wirtschaft. Der Flughafen bleibt grösstenteils in der öffentlichen Hand. Den Betrieb soll ein privater Partner übernehmen. Noch gibt es zahlreiche Fragezeichen.
Es folgte ein mehrmonatiger Spiessrutenlauf, als die Fluggesellschaft PowdAir, ein Start-up, ankündigte, Linienflüge von diversen englischen Städten nach Sitten anbieten zu wollen: Erst schwenkte man in den Planungen auf einen kleineren Flugzeugtyp um. Dann musste die Anzahl der beinahe täglich angebotenen Flüge nach unten korrigiert werden. Als Nächstes sprang der Grossinvestor ab. Die Pläne wurden gecancelt. Die Cancellung sistiert. Bevor es zum endgültigen Übungsabbruch kam.
Auch die Fluggesellschaft Skyworks wollte den Flughafen in Sitten anfliegen. Glücklicherweise kam dies rückblickend nicht zustande, sagt der Walliser Wirtschaftsminister Christophe Darbellay dazu. Am 29. August musste das Unternehmen den Flugbetrieb einstellen. Skywork war pleite.
Arbeitsgruppe eingesetzt
Seit die Aufhebung des Militärflugplatzes in Sitten vor über zwei Jahren bekannt wurde, ist die Zukunft der Flughafen-
infrastruktur in der Kantonshauptstadt Dauerthema. Die bisherigen Hoffnungsschimmer, den zivilen Flugverkehr am Standort deutlich ausbauen zu können, verglühten. Um die Entwicklung der Infrastruktur nicht dem Zufall zu überlas-
sen, wurde im März 2017 unter der Führung von Darbellay und Philippe Varone, Stadtpräsident von Sitten, eine Arbeitsgruppe zusammengestellt, die sich mit der Frage nach der Zukunft des Flughafens beschäftigen sollte. Gestern präsentierten die beiden im kleinen Warteraum des Sittener Flughafens das Ergebnis.
Etappenweise Umsetzung
«Der Flughafen soll als Instrument für die Wirtschafts- und Tourismusförderung des ganzen Kantons eingesetzt werden», sagt Varone. Der Weg dorthin soll in zwei Etappen erfolgen. Ab dem 1. Januar 2020 wird eine Projektgesellschaft Stadt-Kanton die Betriebskonzession des Flughafens übernehmen. Diese wird den neuen Sachplan im Infrastruktur-Bereich ausarbeiten sowie die Gründung einer institutionellen öffentlich-privaten Partnergesellschaft vorbereiten. «An dieser Partnergesellschaft wird der Kanton gemeinsam mit der Stadt Sitten mit 51 Prozent die Mehrheit halten», so Darbellay. 19 Prozent sollen in den Händen von Gemeinden und Tourismusdestinationen liegen. Von einem kommerziellen Ausbau des Flugverkehrs in den Bereichen Geschäftsreisende und Feriengäste würden schliesslich gerade diese am stärksten profitieren. Im Auge hat man dabei
vor allem die grossen Destinationen wie Zermatt, Saas-Fee, Crans-Montana, Verbier und Champéry.
Die übrigen 30 Prozent soll der private Operator, der mit dem Flughafenbetrieb betraut wird, übernehmen. Ein entsprechender Betreiber muss jedoch erst noch gefunden werden.
Infrastruktur wird
bereits ausgebaut
Varone bezeichnet die ausgearbeitete Strategie als grosse Chance für seine Stadt: «Damit können wir den Erhalt und
die Fortentwicklung der Flughafen-Infrastruktur sichern. Und mit diesen Plänen können wir auch den Nutzen der bis heute getätigten Investitionen erhöhen», sagt der Stadtpräsident. Sitten investiert zur-
zeit in einen Ausbau der Infrastruktur. Würden gegenwärtig innerhalb kurzer Zeit zwei grössere Flugzeuge mit jeweils 80 Passagieren in Sitten landen, müsste die Hälfte der Gäste im Freien verweilen, da das Flughafengebäude zu klein ist.
Sobald man einen Betrei-
ber gefunden hat, will man schliesslich weitere Umbauarbeiten ins Auge fassen. Besonders im Bereich des Parkings und der Gastronomie wären Investitionen notwendig. Touristen und Geschäftsreisende, die nach Sitten fliegen, dürften gewisse Ansprüche mit sich bringen. Bereits heute erziele das Restaurant am Flughafen über zwei Millionen Franken Umsatz pro Jahr, so Darbellay. «Und vor ein paar Jahren waren es gar mehr als drei Millionen.»
Der Staatsrat sieht auch im Aufbau eines Duty-Free-Einkaufsbereichs grosses Potenzial für den zukünftigen Betreiber. Gemäss ersten Prognosen rechnet man mit Investitionen in Höhe von 6,5 Millionen Franken, die notwendig sind, um Teile der Flugpiste zu renovieren, die Infrastruktur zu erneuern und einen Einkaufsbereich aufzubauen. Darauf will sich Darbellay jedoch nicht behaften lassen: «Das sind ers-
te Erwartungen, die dann je nach Bedürfnissen eines Betreibers angepasst werden müssen.» Der Betreiber müsste sich zudem an den Investitionen beteiligen.
Grosses Potenzial
Die Partnergesellschaft soll voraussichtlich ab dem 1. Januar 2023 operativ tätig sein. Dann soll der Betrieb innerhalb von zehn Jahren rentabel werden, so Darbellay. Aktuell übernimmt der Kanton 50 Prozent des Betriebsdefizits von insgesamt 2,5 Millionen Franken – also 1,25 Millionen. Ein Fehlbetrag, der sich anfänglich erhöhen dürfte, da die Armee zurzeit hundert Prozent der Flugsicherheitskosten, die sich auf mehrere Millionen Franken belaufen, übernimmt. Um die Rentabilitätsgrenze zu überschreiten, brauche es wohl etwas mehr als 100 000 Passagiere, so Darbellay. Derzeit sind es 32 000. Bei jährlich zwölf
bis 15 Millionen generierten Übernachtungen im Kanton sieht er noch viel Luft nach oben.mas
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