Wespen | Die Stützpunktfeuerwehr Gampel/Steg hat diesen Sommer aussergewöhnlich viele Wespeneinsätze zu bewältigen
Der Kampf gegen die Wespen
Gampel/Steg | Kaum noch können die Einsatzkräfte der Stützpunktfeuerwehr Gampel/Steg einen Abend verbringen, ohne gegen Wespen vorgehen zu müssen. Zu solch einem Einsatz rückte am Montagabend der Pikett-Offizier Herbert Hildbrand zusammen mit einem Feuerwehrmann aus.
Cedric Zengaffinen
«Heute haben wir Glück», meint Hildbrand und deutet auf die Regentropfen, die von der Frontscheibe des Einsatzfahrzeuges abperlen. «Der Regen hat die Region etwas abgekühlt, die Wespen ziehen sich in ihre Nester zurück.» Wespennester werden nämlich erst abends gespritzt, wenn die Temperaturen tiefer sind. In den letzten Nächten fiel das Thermometer jedoch kaum. Die Insekten schwirrten bis tief in die Nacht hinein umher. Den Temperaturanstieg macht Hildbrand auch für Wespen in höheren Lagen verantwortlich: «Vor zehn, zwölf Jahren wäre ein Wespennest in Jeizinen (1525 m ü. M.) undenkbar gewesen. Dieses Jahr entfernten wir dort bereits eines, ein weiteres erwartet uns am Freitag.»
Der erste Einsatz ist rasch erledigt
Am Montag blieben die Feuerwehrleute aber im Talgrund. Ein Nest in Gampel und eines in Steg mussten weggeräumt werden. Eine ältere Frau aus Gampel rief an, sie hatte ein Nest über ihrem Balkon entdeckt. Beim Eintreffen der Feuerwehr wartet die Frau bereits unter dem überdachten Hauseingang. Sie steht mit ihren Krücken da und beobachtet gespannt die Handlungen der Feuerwehrleute.
Hildbrand hat die Lage bereits zuvor inspiziert: «Hier haben wir es bloss mit einem kleinen Nest zu tun. Einfacher Wespenspray genügt, um ihm Herr zu werden.» Gekonnt zieht Hildbrand die Teleskopleiter auseinander und stellt sie an die Hausmauer, gleich neben den Balkon. Er streift sich dicke Imkerhandschuhe über, schliesst das glänzende Visier seines Helmes und mit wenigen Tritten erklimmt er die Leiter. Er sprayt zweimal und schon kann er das Nest vom Sonnenstoren pflücken.
Hildbrand präsentiert der Frau das ausgestorbene Wespennest, das in seiner Handfläche gut Platz findet. Sie bedankt sich herzlich bei den Feuerwehrleuten. Balkon und Garten kann sie wieder ungestört betreten.
Es werden immer mehr
«Als ich vor 25 Jahren bei der Feuerwehr angefangen habe, benutzten wir bloss den Spray, um die Wespen zu beseitigen. Ein paar Dosen reichten für den ganzen Sommer aus», erzählt der Offizier auf der Weiterfahrt nach Steg. «Mit der Zeit bekamen wir aber immer mehr Anrufe und wir konnten den Bedarf mit einfachen Spraydosen nicht mehr decken. Wir mussten schwerere Geschütze auffahren.» Das Wespengift wird nun in Kanistern angeschafft und in kleinere Gefässe abgefüllt. Verbunden mit einer Sauerstoffflasche wird es mit Druckluft versprüht.
Die Zunahme der Einsätze führt Hildbrand aber nicht nur auf die Vermehrung der Wespenpopulation zurück: «In der Schweiz sterben jährlich zwei bis fünf Menschen an den Folgen von Wespenstichen, darunter auch Feuerwehrleute. Deswegen rücken wir zur Bekämpfung von Wespen immer zu zweit aus. Wird einer gestochen und zeigt eine allergische Reaktion, so steht der zweite mit einer Spritze dagegen bereit.» Allergische Reaktionen können sich unangekündigt und spontan entwickeln: «Jahrzehntelang kann jemand unempfindlich gegen Wespen sein und trotzdem kann bei einem Stich plötzlich eine allergische Reaktion auftreten.»
Ring frei für Runde zwei
Am zweiten Einsatzort treffen die Feuerwehrleute auf vier junge Erwachsene, die erst seit einer Woche in Steg wohnen. Bei ihnen nisten die gelb-schwarzen Insekten im Storenkasten. «Diese Kästen sind der Klassiker für Nester», weiss Hildbrand zu berichten. Dieser Fall gestaltet sich allerdings etwas komplizierter: Die Wespen haben sich von aussen in die Wand gefressen und sich einen regelrechten Korridor gebahnt. Bis auf die Innenseite der Wand erstreckt sich der Korridor, wo die Wespen ungestört hervortreten können. Für diesen Einsatz streift sich Hildbrand den weissen Imkeranzug über: «Bei einem Nest von unbekannter Grösse ist es wichtig, sich ausreichend zu schützen.» Um zu giften, benutzt er nicht mehr den Spray, sondern versprüht das Gift gleich mit der grossen Kanne.
Die WG-Bewohner stellen den Feuerwehrleuten eine kleine Podestleiter zur Verfügung, die Hildbrand zuerst auf der Aussenseite aufstellt. Er steigt auf die Leiter und vergiftet die Wespen mit gezielten Stössen. Von den Insekten regt sich kaum Gegenwehr: Einige brechen aus und fliegen in der Dämmerung ihre letzten Kreise. Die meisten aber purzeln aus dem Nest, taumeln auf dem Fenstersims herum und bleiben dort liegen.
Die Wespen schlagen zurück
Mit dem Vorstoss auf der Aussenseite ist die Schlacht noch nicht entschieden. Viele Wespen blieben unversehrt. Wortlos packt Hildbrand die Leiter zusammen und verlegt sie in das Innere des Hauses. Er steigt auf die Leiter und will gegen das Nest vorgehen. Dieses Mal aber sind die Wespen alarmbereit und bloss die Erscheinung des Mannes im weissen Anzug versetzt sie in Rage. Zu Dutzenden schwärmen sie aus und wirbeln in der Wohnung umher. Regungslos und fasziniert schauen die Bewohner dem seltsamen Luftballett zu, bis ein Schrei ertönt: Einer wurde getroffen. Sichtlich beunruhigt, ja ein wenig panisch, eilen die vier ins Nebenzimmer. Einzig Hildbrand verharrt auf der Leiter. Der Baumwollstoff seines Imkeranzugs ist zu dick, als dass ihn ein Stachel durchdringen könnte.
Doch auch auf der Innenseite beginnt das Wespengift seine Wirkung zu entfalten. Das Surren wird leiser, die umherschwärmenden Wespen weniger. Allmählich setzen die letzten zum Sinkflug an und die WG-Bewohner betreten den Raum wieder. Das Nest ist sauber.
Einsatz beendet
Die frisch eingezogenen Bewohner danken den Feuerwehrleuten aufrichtig. Bescheiden winkt Hildbrand ab: «Wir haben bloss unseren Job getan.» Den gestochenen Mann weist er an, seine Wunde zu kühlen und, falls die Schwellung sich vergrössern sollte, die notwendigen Einsatzkräfte zu rufen. Die nächsten zwei Wochen solle er sich möglichst vor Wespen in Acht nehmen: «So lange ist das Gift noch in seinem Körper.»
Die Feuerwehrmänner waren froh. Nicht selten dauern die Wespeneinsätze bis spät in die Nacht. Diese aber konnten die beiden erfolgreich beenden und zeitig zur Retablierung des Materials schreiten. So blieben ihnen genug Stunden, um sich von den Strapazen zu erholen. Die nächsten Wespen warten nämlich schon.
Cedric Zengaffinen
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