Zeitzeuge | Marcel Sarbach hat auf der Deponie Gamsenried gearbeitet. Seine Erinnerungen
Blauer Schlamm, brennende Augen, juckende Haut
Gamsen/Susten | Während zweier Jahre hat Marcel Sarbach (65) auf der Deponie Gamsenried Rohre verlegt. Dass der Boden verseucht war, wusste er nicht.
Armin Bregy
Ihm sei ein Licht aufgegangen, als er die verschiedenen Berichte in den Medien gelesen habe, sagt Marcel Sarbach und holt seine Unterlagen hervor. Der 65-Jährige stammt aus St. Niklaus und wohnt in Susten. Die Deponie Gamsenried kennt er gut. Während zweier Jahre arbeitete er dort. Weniger wusste er über die Stoffe Bescheid, mit denen er täglich konfrontiert war. Er sagt: «Uns war nie bewusst, dass dort auch gefährliche Materialien wie Benzidin oder Quecksilber gelagert wurden. Wir hatten keine Informationen. Uns wurde verschwiegen, um was es geht.»
Sarbach war Polier bei einem grossen Oberwalliser Bauunternehmen. In den Jahren 1987 und 1988 arbeitete er zusammen mit seinem Team – sechs Leuten – auf der Deponie Gamsenried. Die Aufgabe: ausheben von Gräben, verlegen von Entwässerungsrohren. «Es handelte sich um blau gefärbtes, schlammig-glitschiges Material mit einem ätzenden Geruch», erinnert sich Sarbach. In dieses gruben die Arbeiter mit ihren Baggern Gräben von fünf Metern Tiefe. Die Sohle war so breit, dass ein Lastwagen hindurchfahren konnte.
«Verschwiegen, um was es geht»
Was Sarbach heute irritiert: «Dieses blaue Material war überall, auch ausserhalb der eigentlichen Deponie. Die Rohre haben wir nördlich der Deponie verlegt, entlang der heutigen Kantonsstrasse.» Abdichtungen der Grubensohle gab es keine. «Wir haben die Rohre einfach zugeschüttet», sagt Sarbach, der den Sinn der Arbeiten heute infrage stellt. «Auch unterhalb der Entwässerungsrohre war diese blaue Schlacke. Ich bin nicht erstaunt, dass man nun im Grundwasser Benzidin festgestellt hat.»
Anfänglich wurden die Rohre in den Gruben zusammengesteckt – mit Folgen. «Die Haut juckte, die Augen brannten», so Sarbach. Schliesslich wurde beschlossen, die Entwässerungsrohre nicht mehr in der Grube, sondern am Rand zusammenzufügen. Mit Seilen wurden sie platziert. Trotzdem blieben die Beschwerden: Die juckende Haut, die brennenden Augen, Sarbach bekam gar gesundheitliche Probleme. «Schutzbrillen waren dazumal kein Thema», sagt er, «genauso wenig wie Schutzbekleidung. Einzig Arbeitshandschuhe hatten wir.» Heute wäre das sicher anders, dazumal seien Umweltprobleme kein Thema und der Stress gross gewesen. Und zudem ziemte es sich nicht, über Arbeitsbedingungen zu diskutieren. Für Sarbach ist klar, dass die Sanierung der Deponie eine «Riesengeschichte» ist. «Vor allem bin ich überzeugt, dass die grossen Probleme neben der eigentlichen Deponie auftauchen werden. Denn auch dort war alles voll mit diesem blauen Schlamm. Ich werde die weiteren Massnahmen genau beobachten.»
bra
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