Zauberei | In 52 Wochen durch 26 Kantone
Besteck-takulär
Seine magische Tour de Suisse führt den Oberwalliser Zauberer Lionel Dellberg in 52 Wochen durch alle 26 Kantone. Seine Eindrücke hält er an dieser Stelle jeweils fest.
«Die 17. Etappe ging in Chur über die Bühne oder besser gesagt über die Küchenzeile. Der Verband GastroGraubünden hatte mich klammheimlich in seine Schulungsküche eingeladen. Die angehenden Köchinnen und Köche, die in ein paar Jahren aus einfachen Zutaten wundervolle Menüs zaubern werden, wussten also nichts vom magischen Besuch aus dem Wallis.Nachdem ich in die Original-Küchenuniform mit Kochmütze geschlüpft war, wurde ich den Lernenden als grosser Kochexperte vorgestellt: Der Bereichsleiter Küche, Erwin Siegrist, erzählte den jungen Frauen und Männern, dass ich gleich ein wichtiges Fachreferat halten werde. Selbstverständlich wollte ich die angehenden Küchenmeister nicht enttäuschen, und so griff ich in die nächstgelegene Schublade und krallte einen Suppenlöffel hervor.
Löffel, das älteste «Werkzeug»
«Das Essen ist–wie das Schlafen–eines der wichtigsten Grundbedürfnisse des Menschen und auch in primitiven Kulturen bereits ritualisiert», begann ich meine Ausführungen. «Für die Zubereitung und den Verzehr braucht man Werkzeug», fuhr ich fort. «Der Löffel ist in der Geschichte des Bestecks das älteste Werkzeug. Bereits in der Jungsteinzeit formten unsere Vorfahren Löffel aus Knochen oder Holz, teilweise sogar aus Ton. Seine Form ist der schöpfenden Hand nachempfunden.» Nach diesem hochtrabenden Ausflug in die Historie des Bestecks steckte ich den Löffel in meine Brusttasche. Mit der Weisheit: «Das Essen mit der Gabel ist eine vergleichsweise neue Sitte, die sich bei uns erst in den letzten hundert Jahren durchgesetzt hat», zog ich den eben erst eingesteckten Löffel als Gabel wieder aus der Brusttasche meiner schicken Kochuniform. Die Kochlernenden nahmen die Verwandlung verdutzt zur Kenntnis. Natürlich wurde den jungen Leuten in diesem Moment umgehend bewusst, dass es sich bei mir kaum um einen Sternekoch, sondern vielmehr um einen Hexer aus den Alpen handeln muss. Zu meinem Glück schienen sie nicht ganz unglücklich ob dieser Erkenntnis. So freuten sie sich über die Zweckentfremdung von Messern, mit denen Spielkarten aufgespiesst wurden, und andern Küchenutensilien.
Nach zwanzig zauberhaften Minuten in der Schulungsküche von GastroGraubünden gab ich meine Uniform wieder zurück an Erwin Siegrist. Der erfahrene Koch weihte seine Schützlinge weiter in die Geheimnisse der Kochkunst ein und gab dabei vermutlich auch das eine oder andere Geheimrezept preis. Ich dagegen verschwand mit meinen Geheimrezepten wieder durch die Hintertür.
Auf der nächsten Etappe meiner magischen Tour de Suisse setze ich meine Geheimrezepte in La Chaux-de-Fonds ein: Im Kanton Neuenburg zaubere ich in einem Geisterhaus. In der Hoffnung, dass ich neben den menschlichen Geschöpfen auch die Geister verzaubern kann, verbleibe ich mit mystischen Grüssen.»
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