#UnternehmenWallis | Die recapp IT AG im Porträt
Besser als «Äppel und Mäikrosoft»
Die im Oktober 2014 gegründete Unternehmung recapp IT AG mit Sitz in Martinach hat sich auf Spracherkennung spezialisiert. Die bereits mehrfach ausgezeichnete Walliser Jungunternehmung, welche im Bereich Sprachtechnologie Aussergewöhnliches leistet, hat eine Webapplikation entwickelt, mit der gesprochene Worte in mehreren Sprachen automatisch und unkompliziert verschriftlicht werden können. Auch stark akzentuierte Aussprache und teils Dialekte werden zuverlässig bearbeitet.
«Die Cloud-basierte Lösung erstellt aus Audio- oder Videodateien ein interaktives Dokument, welches nach Sprecher oder Thema durchsuchbar ist», erklärt David Imseng, Postdoktorand des Instituts Idiap in Martinach und Geschäftsführer der recapp IT AG. Die Idee des recapp-Mitbegründers bestand darin, mithilfe einer mobilen Anwendung während einer Sitzung oder Debatte ausgesprochene Wörter leicht wiederzufinden, indem Benutzer nach Sprecher, Sprachen oder Schlüsselwörtern suchen können.
Grundsätzlich bestehe die Dienstleistung der recapp IT AG aus verschiedenen Komponenten, führt David Imseng zusammen mit Präsidentin und Mitbegründerin Erika Imseng, beide wohnhaft in St. German, weiter aus. Zunächst können aufgezeichnete Gespräche in den sicheren Cloud-Account hochgeladen werden, worauf der Wortwechsel mittels neuster Sprachtechnologie verarbeitet und schriftlich festgehalten wird. «Eine innovative und intuitive Benutzeroberfläche, welche die nun suchbar gemachte Audio- oder Videodatei anzeigt, erlaubt es den Benutzern schliesslich, diese zu verändern, zu exportieren oder zu teilen.»
Walliser Parlament führt Spracherkennung ein
Nach einer Testphase wird die Spracherkennungs-Software seit Anfang 2015 beim Walliser Kantonsparlament eingesetzt. Mit ihr werden die aufgezeichneten zweisprachigen Parlamentsdebatten unterdessen selbstgesteuert protokolliert. Zuvor wurde jedes einzelne gesprochene Wort durch sogenannte Memorialistinnen manuell abgetippt – eine mühevolle und zeitintensive Angelegenheit, welche recapp entscheidend vereinfachen konnte.
Erika Imseng dazu: «Durch die Dienstleistung von recapp werden die Wortprotokolle im Parlament nun sofort automatisch erstellt und so massgeblich erleichtert.» Und David Imseng ergänzt: «Zweisprachige Debatten werden mit einer Präzision von rund 90 Prozent umgesetzt.» Momentan sei es schwierig, das Programm noch präziser zu machen. Fehler würden sich meist bei jenen Rednern ergeben, die unvermittelt zwischen den Sprachen wechseln, oder bei Wortführern mit stark ausgeprägten Dialekten.
Auch deshalb wird der Parlamentsdienst durch das Programm von recapp nicht überflüssig. Die Protokollführer müssen ihre Zeit zwar gegenwärtig nicht mehr für die manuelle Transkription aufwenden, sondern korrigieren lediglich noch die Fehler, die das Programm gemacht hat. Diese Korrekturen werden vom System erkannt und beim nächsten Mal berücksichtigt – eine enorme Entlastung für den gesamten Staatsapparat.
Der Schritt zum E-Government
Und die Anwendung von recapp vermochte beim Walliser Kantonsparlament Weiteres zu bewirken. Die beiden Mitbegründer betonen, dass der Walliser Grosse Rat mit der Lancierung der Software – quasi das Herzstück des Projekts – schweizweit bisweilen eine Vorreiterrolle im Bereich «papierloses Parlament» eingenommen habe. Einst träge parlamentarische Abläufe konnten durch die Applikation grundlegend vereinfacht und beschleunigt werden.
Das Jungunternehmen profitiert seinerseits von der Zusammenarbeit mit dem Kanton und der Stiftung The Ark. «Glücklicherweise haben wir mit dem Walliser Parlamentsdienst einen innovativen Kunden gefunden, der unser System fortlaufend prüft. Im Weiteren hilft er mit, unser Produkt weiterzuentwickeln», zeigt sich David Imseng mit der für das IT-Unternehmen wertvollen Kooperation zufrieden. «Der Walliser Parlamentsdienst ist mit unserem Produkt derart zufrieden, dass er auch gleich Werbung bei anderen Parlamenten der Schweiz macht.»
Inzwischen hätten weitere Kantonsparlamente Interesse angemeldet und der Einsatz der Applikation werde derzeit zur Verschriftlichung von polizeilichen Einvernahmen immer konkreter. Aber auch Partnerschaften mit weiteren öffentlichen Institutionen oder anderen Berufsgruppen, wie Gerichtsschreiber, Ärzte oder im Medienbereich, sind laut Erika und David Imseng angedacht.
Tester und Förderer
Der Oberwalliser David Imseng, der zu den weltweit führenden Forschern im Segment der multilingualen Spracherkennung gehört, erklärt, wo die Herausforderungen beim Projektstart lagen: «Im Bereich Spracherkennung wurde schon viel versprochen und wenig gehalten.» Mit Siri, der Spracherkennungs-Software von Apple oder jener von Microsoft Windows benennt Imseng nur zwei, bisweilen unausgereifte Systeme auf dem Weltmarkt. Es galt also eine Applikation zu entwickeln, die aufzeigen konnte, dass Spracherkennung tatsächlich funktioniert. «Dabei sind mehrere Faktoren entscheidend. Zum einen der Kunde, der bereit ist, das System laufend zu testen, und zum anderen der Geldgeber, der die Entwicklung mitfinanziert», blickt der Informatiker auf die Anfänge von recapp zurück.
Durch ein Innovationsprojekt der Hasler Stiftung, deren Ansinnen die Förderung der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) zum Wohl und Nutzen des Denkund Werkplatzes Schweiz ist, wurde das Vorhaben der Walliser IT-Firma schliesslich finanziell ermöglicht. «Ferner zählt recapp seit 2014 auf die Unterstützung des Inkubators von The Ark. Die erfahrenen Berater des Gründerzentrums sind in vielen Situationen äusserst hilfreich und helfen uns Zeit zu gewinnen.»
Auf dem Weg zum Überflieger
Langfristig wolle sich die IT-Unternehmung recapp, die mit dem Forschungsinstitut Idiap als Technologiepartner auf weltweit führende Technologien im Bereich Spracherkennung zurückgreifen kann, als solides Walliser Unternehmen etablieren und mit Schweizer Technologie europaweit Spracherkennung anbieten, so Erika und David Imseng. Dass die Entwickler mit ihrer Dienstleistung auf dem besten Weg dazu sind, beweisen zahlreiche Auszeichnungen.
Erst im September 2015 wurde die Unternehmung von Startup.ch unter die Top 100 der innovativsten und erfolgversprechendsten Schweizer Start-ups gewählt. In ihrem ersten Geschäftsjahr konnte sich recapp bereits auf Rang 83 klassieren und gehört damit zu den fünf jüngsten Unternehmen, die es in die Top 100 geschafft haben. Weitere Anerkennung wurde den Wallisern im Juni dieses Jahres in Brüssel zuteil. recapp gewann den «Language Technology Innovate Award», womit führende Unternehmen im Bereich der Spracherkennung und maschinellen Übersetzung ausgezeichnet werden – eine verdient erfolgsverwöhnte Walliser IT-Firma.
Weitere Porträts von Oberwalliser Jungunternehmern und andere interessante Artikel zur Walliser Wirtschaftswelt finden Sie in der WB-Themenbeilage #UnternehmenWallis. Ein PDF mit allen Artikeln der Beilage gibt es hier.
pan
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