Höhenbergsteigen | Klaus Tscherrig will am Samstag den letzten der Seven Summits schaffen
«Bei Sonnenaufgang wollen wir auf dem Mount Everest stehen»
Tibet. Erreicht der Täscher Bergführer Klaus Tscherrig am Samstag wie geplant den Gipfel des Mount Everest, wäre er der zweite Oberwalliser, der die sieben höchsten Gipfel aller sieben Kontinente bestiegen hat. Nur Diego Wellig ist das bis anhin gelungen.
Bis heute schaffte erst eine Handvoll Oberwalliser Bergführer den Aufstieg auf den Mount Everest, den mit 8848 Meter höchsten Gipfel der Erde. Neben Diego Wellig, der in den Jahren 2002 (mit dem Saaser Alpinisten Rasso Bumann) und 2012 bereits zweimal auf dem Dach der Welt stand, konnten auch Kilian Volken, Peter Gschwendtner, Meinrad Bittel und Patrick Z’Brun den Everest je einmal in ihrer Bergsteigerkarriere bezwingen.
Zeitfenster von vier Tagen
Mit Klaus Tscherrig könnte am Samstag ein weiterer Oberwalliser Höhenbergsteiger den Gipfel des Berges der Berge erreichen. Er befindet sich bereits seit dem 12. April im Rahmen einer Everest-Expedition von «Kobler & Partner» mit zwei Gästen im Himalajamassiv. «Für die nächsten vier Tage prognostizieren die Meteorologen ein Zeitfenster mit wolkenlosem Himmel und wenig Wind, sodass wir zuversichtlich sind, den Aufstieg zu schaffen», erklärt Tscherrig am Dienstag im Gespräch mit dem «Walliser Boten».
Tscherrig führt seine Gäste von der tibetischen Seite her zum Gipfel. Die Nordroute gilt objektiv als sicherer als jene in Nepal. «Wir befinden uns derzeit im sogenannten ABC-Lager auf 6400 Meter über Meer. Am Mittwoch steigen wir ins Nordcol auf 7000 Meter hoch, tags darauf ins Lager 2 auf 7900 Meter. Am Freitag wartet der Aufstieg ins Lager 3 auf 8300 Meter.» Von dort aus wollen die Alpinisten in Begleitung dreier Sherpas am Samstag aufs Dach der Welt schreiten.
Intensive Akklimatisation
Tscherrigs Expeditionsgruppe nimmt als eine der letzten der diesjährigen Wintersaison den Aufstieg von der Nordseite des Everests in Angriff. Zur Akklimatisation bezwang er mit seinen Gästen zwei 6000er in Nepal und stieg als Vorbereitung auf der Nordroute bereits zweimal auf 7000 Meter hoch. «Viele Alpinisten haben in diesem Jahr Erfrierungen aufgrund eisiger Winde im Gipfelbereich erlitten, in dem Temperaturen um die minus 25 Grad herrschen. Ein Höhenbergsteiger hat auf der Nordseite den Tod erlitten, fünf auf der Südseite», kennt Tscherrig die Gefahren, die in der sogenannten Todeszone ab 7000 Meter wegen geringem Sauerstoffangebot in Form von Hirn- und Lungenödemen lauern. «Wir haben uns lange in Geduld geübt und ein Zeitfenster abgewartet, welches diese Gefahren reduziert.»
Wenig Gepäck beim Gipfelsturm
Den Aufstieg in der Todeszone, wo die Höhenbergsteiger weitestgehend auf sich selbst gestellt sind und bei Unfällen auf keine zeitnahe Hilfe hoffen können, nehmen die zwei Dreierseilschaften am Freitagabend gegen 23 Uhr von Lager 3 aus in Angriff. «Bei Sonnenaufgang am Samstagmorgen wollen wir auf dem Gipfel stehen», erhofft sich Tscherrig einen erfolgreichen Abschluss der Expedition. Auf der letzten Etappe sind die Alpinisten nur mit einem kleinen Rucksack ausgerüstet, der eine Sauerstoffflasche enthält. «Hunger spürt man auf dieser Höhe nicht. Deshalb genügen einige Kraftriegel und zwei Liter Flüssigkeit für die letzte Etappe.» Noch gleichentags wollen die Bergsteiger wieder ins Nordcol-Lager auf 7000 Meter Höhe absteigen.
Gelingt Tscherrig und seinen Gästen der Aufstieg, hätte der Täscher es als erster Oberwalliser Bergführer geschafft, ein und denselben Gast auf die höchsten Gipfel aller Kontinente geführt zu haben, die sogenannten Seven Summits (siehe unten). «Schaffen wir das, geht ein tolles, über Jahre verfolgtes gemeinsames Projekt zu Ende. Mit der Genugtuung, einem Gast als Führer diese Besteigungen ohne Unfall ermöglicht zu haben.»
Sieben Kontinente, sieben Gipfel
Die Seven Summits gelten als besondere Herausforderung. Nur rund zehn Schweizer haben es bislang geschafft, die sieben höchsten Berge der sieben Kontinente zu besteigen. Der Erste von ihnen war der Natischer Diego Wellig.
Vor wenigen Tagen stand der blinde Bergsteiger Andy Holzer nach drei misslungenen Versuchen auf dem Gipfel des Mount Everest. Damit hat der 40-jährige Osttiroler gemeinsam mit zwei Bergsteigerkollegen den letzten der Seven Summits, der höchstgelegenen Bergspitzen der jeweiligen Kontinente, gemeistert.
Neben dem 8848 Meter hohen Mount Everest in Asien zählen der Aconcagua (6962 Meter) in Südamerika, der Denali (6190) in Nordamerika, der Kibo (5895) in Afrika, der Elbrus (5642) in Europa, der Mount Vinson (4892) in der Antarktis sowie die Carstensz Pyramide (4884) in Ozeanien dazu. Je nach Definition werden alternativ auch der Mount Kosciuszko (2228) in Australien und der Mont Blanc (4810) in Europa dazugerechnet.
Alle sieben Berge zu besteigen, gilt in Bergsteigerkreisen als besondere Herausforderung. Die Idee dazu kam in den 1980er-Jahren auf: Als erster Bergsteiger schaffte der US-Amerikaner Dick Bass bis 1985 den Aufstieg auf die höchsten Gipfel. Allerdings zählte er noch den Mount Kosciuszko in Australien zu den sieben höchsten. Ebenfalls unter den ersten Alpinisten meisterte Reinhold Messner alle Bergspitzen nur ein Jahr später. Gemäss seiner Auflistung zählte die Carstensz-Pyramide in Indonesien anstelle des Mount Kosciuszko zu den sieben Gipfeln. Messner war der erste Bergsteiger, der alle Bergspitzen ohne zusätzlichen Sauerstoff erreichte.
Laut einer fortlaufend geführten Liste auf der Plattform «7summits.com» haben bis August des letzten Jahres bislang insgesamt 416 Alpinisten alle sieben Gipfel gemeistert, darunter auch 71 Frauen. Die bislang jüngste Person war mit 15 Jahren der US-Amerikaner Jordan Romero, während der Däne Henrik Kristiansen alle Berge innert nur gerade 136 Tagen bestieg. Auch gut zehn Schweizer werden in der Liste geführt. Als erster Schweizer hatte im Jahr 2002 der aktuelle Walliser Landeshauptmann Diego Wellig die Liste mit allen sieben Gipfeln gefüllt. Mit dem Täscher Bergführer Klaus Tscherrig könnte nun in den nächsten Tagen ein zweiter Oberwalliser dazukommen.
zen / pmo
Artikel
Kommentare
Noch kein Kommentar