Energie | Rund 2,5 Milliarden Kilowattstunden jährlich
Bald fliesst Wasser durch das Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance
Im November soll zum ersten Mal Wasser durch die Rohre des Pumpspeicherkraftwerks Nant de Drance fliessen. Damit hat die letzte Etappe für das imposante Wasserkraftwerk begonnen. Ende Sommer 2021 soll es vollständig in Betrieb genommen werden.
An diesem kalten Herbstmorgen deuten im Dorf Le Châtelard im Trienttal kein Lärm oder Hektik auf die nicht weit gelegene Baustelle eines der leistungsfähigsten Pumpspeicherkraftwerke Europas hin.
Die Nachrichtenagentur Keystone-SDA hat die Baustelle auf Einladung besucht. Der Weg dahin, durch einen langen Tunnel, ist steil. Sehr steil. Die Steigung beträgt 12 Prozent - das ist doppelt so steil wie der Autobahnabschnitt A12 zwischen Châtel-St-Denis und Vevey. Die Reise führt durch ein Labyrinth von Stollen, die zum Herzstück des Kraftwerks, der Maschinenhöhle, führen.
1,7 Millionen Kubikmeter ausgehoben
Die Dimensionen der unterirdischen Höhle sind immens: 52 Meter hoch, 32 Meter breit und 195 Meter lang. Insgesamt wurden für das Kraftwerk 1,7 Millionen Kubikmeter Gestein ausgebrochen. In der Höhle befinden sich sechs Maschinen. Sicherheitsschuhe, Leuchtweste und Helm sind Pflicht.
Das Projekt Nant de Drance umfasst den Bau eines Pumpspeicherkraftwerks in einer Felskaverne zwischen den zwei bestehenden Speicherseen Emosson und Vieux Emosson. Mit einer installierten Gesamtleistung von 900 Megawatt ist die Anlage darauf ausgelegt, rund 2,5 Milliarden Kilowattstunden Spitzenenergie jährlich zu erzeugen.
Das Prinzip solcher Kraftwerke ist einfach. Sie verbrauchen Strom, indem sie Wasser in die Höhe pumpen. Dieses Wasser wird dann turbiniert, wenn der Strom zu guten Preisen verkauft werden kann. Das Geschäft machen die Energiekonzerne mit der Preisdifferenz. Das bedeutet im Wesentlichen: Verkaufspreis am Markt minus Energiekosten zum Hochpumpen des Wassers.
Testphase über mehrere Wochen
Zum ersten Mal Wasser durch die Rohre gepumpt werden soll in diesem November. Das sei ein wichtiger Schritt, der mehrere Wochen dauern werde, sagte Eric Wuilloud, Leiter der Nant de Drance gegenüber der Keystone-SDA.
Funktionieren wird das folgendermassen: Das Wasser füllt langsam die beiden 425 Meter hohen vertikalen Schächte sowie die Leitungsrohre. Dann aktiviert der Wasserdruck die erste Turbine. Bis zur vollständigen Inbetriebnahme im Spätsommer 2021 werden unzählige Tests, Anpassungen und Kontrollen durchgeführt.
Strom für 200 Dörfer
Mit dem erzeugten Strom könnten rund 200 Dörfer mit je 4000 Einwohnern versorgt werden, sagte Stéphan Vogel, Elektroingenieur bei Nant de Drance. Das Kraftwerk soll in Zukunft unter anderem dazu beitragen, die Stromspitzen im Schienenverkehr zu bewältigen sowie auch die unregelmässige Produktion von Wind- und Solarkraftanlagen aufgrund des Wetters kompensieren.
An Nant de Drance sind neben dem Stromkonzern Alpiq die Industriellen Werke Basel (IWB), das Walliser Energieunternehmen FMV AG sowie die SBB beteiligt.
Pumpspeicherwerke sind gleichsam riesig dimensionierte Batterien in den Alpen. Sie können dann Strom produzieren und liefern, wenn Elektrizität auf dem Markt kurzfristig benötigt wird. Das Problem dieser Kraftwerke ist die Unvorhersehbarkeit des Strommarktes. Dies verhindert, dass Pumpspeicherwerke die Rentabilität früherer Jahre erreichen.
Zehnjährige Baustelle
Die Situation könnte sich verbessern, wenn Klimamassnahmen, wie die Abschaltung von Kernkraftwerken und die Förderung erneuerbarer Energien, umgesetzt würden. Eric Wuilloud erinnert daran, dass es sich um eine langfristige Überlegung handelt, da die Dauer der Konzession der Nant de Drance SA 80 Jahre dauert.
Wuilloud hat das Projekt Nant de Drance seit Beginn geleitet - das sind nun schon mehr als zehn Jahre. Aufgrund von Qualitätsproblemen bei den Schweissnähten an Stahlbauteilen wurde das Projekt mehrmals verzögert. "Zum Glück wusste ich nicht, was mich erwartete", sagte Wuilloud schmunzelnd. 400 Arbeiter haben ihn beim Projekt unterstützt. Dabei kam es nie zu schweren Unfällen oder Verletzten. Mit der Inbetriebnahme des Kraftwerks wird er in den Ruhestand gehen.
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