Arbeitsmarkt | Mehr Attraktivität durch Teilzeitangebote
«Ausdruck einer veränderten Werthaltung»
Der schweizweite Trend zu mehr Teilzeitarbeit hält an. Ende 2014 arbeiteten bereits mehr als ein Drittel der Erwerbstätigen mit einem reduzierten Pensum. Auch im Wallis ist die Nachfrage steigend.
In der Schweiz hat das Thema Teilzeit in den letzten Jahren zunehmend Fahrt aufgenommen. Ende September 2014 arbeiteten bereits rund 36 Prozent der erwerbstätigen Personen in Teilzeitarbeit. Besonders Beschäftigungsgrade zwischen 50 bis 89 Prozent hätten deutlich zugenommen, informierte das Bundesamt für Statistik (BFS) im letzten Jahr. Hierfür sei auch bei den männlichen Erwerbstätigen die Nachfrage gestiegen. Auf Seiten Arbeitgeber scheinen, wie Zahlen belegen, vor allem grössere Unternehmen und öffentliche Verwaltungen der Teilzeitarbeit aufgeschlossener zu begegnen. Die Möglichkeiten der Arbeitnehmer werden dabei allerdings durch verschiedene Faktoren beeinflusst, wie etwa dem Berufsumfeld oder den finanziellen Verhältnissen.
Eine Möglichkeit unter anderen
Die Walliser Kantonsverwaltung setzt als Arbeitgeber mit Teilzeitarbeit auf attraktivere Arbeitsplätze. «Die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben ist ein Kernelement der dynamischen und wettbewerbsfähigen Personalpolitik des Kantons», erklärt Daniel Vogel, Verantwortlicher Organisationsentwicklung und Rekrutierung. Waren es im Jahr 2012 noch nicht ganz 25 Prozent, wurden beim Kanton Ende 2014 bereits 29 Prozent Teilzeitarbeitende gezählt - von insgesamt etwas über 3100 Kantonsangestellten, das Lehrpersonal nicht eingerechnet. «Es gilt festzuhalten, dass vor allem bei Frauen ein erhöhtes Bedürfnis nach Teilzeitarbeit besteht.» Tendenziell sei die Nachfrage nach reduzierten Pensen aber sowohl bei Frauen als auch Männer steigend. «Sie entspricht auch einer generellen Tendenz unserer Gesellschaft nach mehr Flexibilität und ist Ausdruck einer veränderten Werthaltung», ist er überzeugt.
Neben Teilzeitarbeit bietet der Kanton weitere Möglichkeiten Berufs- und Privatleben besser zu vereinbaren, beispielsweise durch Job-Sharing, Telearbeit, unbezahlten Urlaub oder Jahresarbeitzeit. Teilzeitarbeit könne, betont der Fachmann, dabei auch für den Arbeitgeber selbst von Interesse sein. So bringe diese einige wichtige personalpolitische Vorteile mit sich, wie erhöhte Arbeitgeberattraktivität, gesteigerte Arbeitsmotivation und Leistungsfähigkeit, weniger Fehlzeiten oder geringere Fluktuationskosten. Zugleich könne Fachwissen längerfristig gebunden werden. «Der teilweise anspruchsvollere organisatorische Aufwand sowie die zusätzlichen Führungsanforderungen werden durch diese Vorteile weitgehend kompensiert», entschärft Vogel die Nachteile.
Wichtiges Modell bei Lonza
Wie Giovanni Gallo, Leiter Human Resources Visp, bestätigt, spürt man auch bei Lonza die gesellschaftlichen Trends. Rund acht Prozent der Mitarbeitenden seien aktuell in einem Teilzeitpensum angestellt - insgesamt also über 200 von 2700 Mitarbeitenden. «Frauen kehren vermehrt nach der Familienpause zurück. Mehr als ein Drittel unserer weiblichen Mitarbeitenden arbeitet in einem Teilzeitpensum.» Aber auch bei den Männern habe Teilzeitarbeit zugenommen. «Inzwischen arbeitet bald jeder zwanzigste männliche Lonza-Mitarbeitende in Visp Teilzeit.» Während sich die Pensen bei den Frauen mehrheitlich zwischen 40 und 80 Prozent bewege, seien diese bei den Männern tendenziell höher, vornehmlich zwischen 80 bis 90 Prozent.
Als Industriebetrieb, in dem ein grosser Teil der Belegschaft im Schichtbetrieb arbeitet, ist Teilzeitarbeit oftmals nicht umsetzbar, betont Gallo weiter. Nichtsdestotrotz liege es im Interesse von Lonza als möglichst attraktiver Arbeitgeber interessante Lösungen anbieten zu können. «Für uns ist Teilzeit ein wichtiges Modell, gerade mit Blick auf die Herausforderungen durch die demografische Entwicklung und den Fachkräftemangel. Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wurde in den letzten Jahren laufend wichtiger.» Bei den Abgängen durch Pensionierungen wird Lonza in den nächsten Jahren in diesem Zusammenhang mit zahlreichen Abgängen konfrontiert - um die 1000 Lonzianer werden den Betrieb aus Altergründen verlassen.
Qualifizierte Fachkräfte im Fokus
Auch bei der Matterhorn Gotthard Bahn handelt es sich bei aktuell 50 der rund 600 Stellen um Teilzeitstellen, bestätigt Barbara Truffer, Leiterin Marketing Kommunikation bei der MGBahn. «Der Anteil von derzeit acht Prozent wird in Zukunft mit Sicherheit weiter steigen.» Die Mitarbeitenden würden vermehrt anfragen, ob eine vorübergehende Reduktion des Pensums möglich sei, beispielsweise für Weiterbildungen oder Betreuungsaufgaben in der Familie. «Falls es die Arbeiten zulassen, kommen wir diesem Wunsch in der Regel nach», betont sie weiter. Daneben gebe es auch Wiedereinsteigerinnen, die etwa nach einer Babypause in Teilzeit ins Arbeitsleben zurückkehren möchten. «Auch hier prüfen wir die Möglichkeiten fallweise.»
Grundsätzlich stelle sich immer die Frage, ob eine Stelle für Teilzeitarbeit geeignet ist. «Wo dies zutrifft, können uns Teilzeitangebote helfen, qualifizierte Fachkräfte zu halten oder neue zu gewinnen. Das ist vor allem in Funktionen interessant, in denen gutes Personal knapper wird.» In solchen Fällen nehme das Unternehmen auch in Kauf, dass mit reduzierten Pensen gleichzeitig der Koordinationsaufwand steige. «Klar ist aber, dass Teilzeitarbeit kein Allheilmittel ist. Es braucht einen ganzen Strauss an Massnahmen, um angesichts des härter werdenden Wettbewerbs für Talente als Arbeitgeberin attraktiv zu bleiben», betont Truffer.
pmo
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