Kollegium | Nobelpreisträger Dubochet zu Besuch auf dem Briger Bildungshügel
Auf Augenhöhe mit den Schülern
Wenn ein Nobelpreisträger das Kollegium besucht, haben die Schüler ziemlich viele Fragen. Jacques Dubochet beantwortete sie alle – dreisprachig und mit ziemlich viel Humor.
Seit dem 4. Oktober 2017 hat Jacques Dubochet einen prall gefüllten Terminkalender. Obwohl er damals schon seit zehn Jahren im Ruhestand war, erlebte er daraufhin eine zweite Karriere. Die Ankündigung, dem heute 76-Jährigen werde der Nobelpreis in Chemie verliehen, machte ihn zu einem gefragten Mann. Es grenzt daher an ein Wunder, dass er die Reise nach Brig überhaupt angetreten hat.
Es ist der Hartnäckigkeit von Jean-Pierre Ménabréaz, der am Kollegium Französisch unterrichtet und Ende Schuljahr pensioniert wird, zu verdanken, dass Dubochet die Einladung angenommen hat. Bereits Anfang Jahr habe er Dubochet angeschrieben, ob er nicht Lust habe, mit den Schülern der Bilingue-Abschlussklasse über sein Buch «Parcours» zu diskutieren, sagt Ménabréaz gegenüber dem WB, er habe es zum Prüfungsstoff für die Matura ausgewählt.
Gründungsmitglied der Klimagrosseltern
So kam es, dass der Nobelpreisträger am vergangenen Montagmittag in Brig ankam – im Zug versteht sich – und nach einem Mittagessen mit der Lehrerschaft zuerst die Gruppe GecKo, die sich für den Umweltschutz und die Nachhaltigkeit des Kollegiums einsetzt, traf und anschliessend mit den Schülern der zweisprachigen Maturaklasse auf Französisch über sein Buch diskutierte – und vor allem Fragen beantwortete.
Dubochet, in Jeans und weiss-braun gestreiftem T-Shirt, war so, wie man es aus der Presse in den letzten Monaten oft lesen konnte: nahbar, offen, humorvoll. Die Schüler interessierte natürlich in erster Linie sein Engagement in der Klimapolitik. Dubochet, der sich selbst als «Altlinker mit einer Liebe für Berge und Natur» bezeichnet, hat sich den Klimaschutz nicht erst seit seiner plötzlichen Berühmtheit auf die Fahne geschrieben. Schon lange politisiert er im Gemeinderat seiner Heimat Morges VD zwar als SP-Politiker, aber mit den Themenschwerpunkten Energie, nachhaltige Entwicklung und Umwelt. Und 2014 war er Mitgründer der «Grand-parents pour le climat», der Klimagrosseltern.
Was man als Einzelner tun kann? Nicht viel!
Die Diskussionsrunde zu «Parcours» erübrigte sich schnell, die Schüler brannten auf die Antworten des Nobelpreisträgers zu ihren im Vorfeld eingereichten Fragen. «Was kann ich als Einzelner zum Klimaschutz beitragen?», lautete eine Frage – die Antwort war so ehrlich wie ernüchternd: «Nicht viel.» Dubochet ermutigte die Schüler zwar, klimafreundlich und nachhaltig zu konsumieren, ermahnte sie aber, dass nur die Politik die notwendigen Schritte einleiten könne, die Klimakatastrophe abzuwenden. «Dafür müsst ihr euch bei euren Verwandten und Bekannten, die in der Politik sind, einsetzen», sagte er.
Nach rund vierzig Minuten ging es weiter im straffen Zeitplan: Im Theatersaal des Kollegiums hielt Dubochet vor mehreren Dutzend interessierten Kollegiumsschülern und Lehrpersonen einen Vortrag zum Thema globale Erwärmung – auf Englisch, mit einzelnen Einsprengseln auf Deutsch oder Französisch, wenn ihm das passende Wort gerade nicht in den Sinn kam.
Kopernikus nahm ihm die Angst
Dubochet erzählte viel Persönliches aus seiner Kindheit und Jugend. Persönliches, das sich aber mehr oder weniger direkt auf seine Forschung ausgewirkt oder ihn zumindest dazu geführt hat: Vom Vater, der als Bauingenieur mit mehreren Projekten im Wallis beauftragt war, wodurch der junge Dubochet einen Teil seiner Kindheit in Nendaz und Sitten verbrachte. Aber auch vom eigentlichen Auslöser seiner wissenschaftlichen Neugierde: der Angst. Er sei als Kind verängstigt gewesen, dass die Sonne am Abend verschwindet und habe wissen wollen, wieso das so sei. Die Lektüre von Kopernikus, der ihm das heliozentrische Weltbild näherbrachte, nahm ihm die Angst – und stärkte seinen Wissensdurst umso mehr.
Nach dem biografischen Teil referierte Dubochet schliesslich über die globale Erwärmung und musste letztlich wieder eine Menge Fragen beantworten. Fragen nach seinem Lieblingsatom oder der Wahrscheinlichkeit, dass das Periodensystem durch die Entdeckung eines neuen Elements durcheinandergebracht werden könnte, konnte – oder wollte – der mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnete Biophysiker nicht beantworten.
Kurz vor 17 Uhr beendete Dubochet die Diskussionsrunde und machte sich auf den Weg in sein Chalet in den Mittelwalliser Alpen, wo er sich die nächsten Tage ausruhen wird. «Es war zwar kein Arbeitstag, aber auch Vorträge und Diskussionen ermüden», sagte er – und stieg in den InterRegio Richtung Sitten.
Adrien Woeffray
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