Politik | Michael Kreuzers Steuerentlastungsinitiative: Mehr als nur Wahlkampfvehikel?
«Apacku» oder einpacken?
Es riecht nach Wahlkampf. Politiker jeder Couleur drängen sich mehr oder weniger erfolgreich in den medialen Fokus und zielen damit offensichtlich auf Wählerstimmen ab. Das gefällt nicht allen.
Letzten Freitag war es Michael Kreuzer, Visper SVP-Gemeinderat und Kandidat für National- und Ständerat, der seine «Steuerentlastung – apacku» Initiative offiziell für die Unterschriftensammlung lancierte. Gleichentags wurde die Initiative auch im kantonalen Amtsblatt publiziert.
«Klar versuche ich, mich im Wahlkampf zu positionieren», sagte Kreuzer im Anschluss an die Pressekonferenz, «das ist legitim und andere machen es auch.» Geht es nach ihm, soll aus der Kampagne aber etwas entstehen, das auch langfristig Nutzen mit sich zieht. «Wenn wir die Unterschriften zusammentragen können – und davon gehe ich aus – haben wir an der Urne eine reelle Chance, das Anliegen durchzubringen», so Kreuzer.
Kreuzers Zahlen stimmen
Die Initiative behagt indes nicht allen. Bereits vor der Bekanntmachung der Lancierung schoss die SPO in Leserbriefen und deren Exponenten in den Kommentarspalten in den sozialen Netzwerken gegen Kreuzers Steuerentlastungsinitiative. Die Steuerausfälle von 55 Millionen Franken, die Kreuzer im Initiativtext ankündigt und vom Kanton absegnen liess, seien viel zu tief berechnet.
«Diese Zahl stimmt in etwa», sagt Beda Albrecht, Chef der kantonalen Steuerverwaltung auf Anfrage. Zumindest Stand heute. Dies beziehe die dynamische Berechnung indes nicht mit ein. «Je nach Inkrafttretungsdatum der Initiative könnte diese Zahl höher ausfallen», sagt Albrecht. Tritt die Initiative in fünf Jahren in Kraft – und davon geht auch Kreuzer plus minus aus – wird sich diese Zahl wohl eher noch nach oben verändern.
Albrecht erinnert daran, dass am 7. November dieses Jahres im Grossrat über die Unternehmenssteuerreform verhandelt werde. «Dabei geht es um einen Steuerausfall in der Grössenordnung von 91 Millionen Franken. Bei einem zusätzlichen Ausfall von 55 Millionen Franken gehen wir davon aus, dass Kompensationsmassnahmen vorgeschlagen werden müssten, um die Ausgaben und die Schuldenbremse im Lot zu halten», so Albrecht. Dies bedeutet, dass entweder zusätzliche Einnahmen vorgeschlagen oder auf Ausgabenseite Kürzungen vorgenommen werden müssen.
Kreuzer rechnet damit, dass ein Teil der ausfallenden 55 Millionen Steuerfranken über die real höheren Löhne der Bevölkerung wieder in die kantonale Wirtschaft zurückgespeist werde und von dort über die Steuern ins Staatsbudget zurückfliesst. Auf konkrete Zahlen wollte er sich indes nicht äussern, zu vage sind die Vermutungen, die er anstellen könnte. Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit aber eher hoch, dass das Geld auf Sparkonten oder im Ausland landet, statt zurück in die Staatskasse.
Streitpunkt: Ungleiche Entlastung
Die Initiative sei ein «unsozialer Rohrkrepierer», wurde von linker Seite im Vorfeld moniert. «Kreuzer spricht ständig davon, dass die kleineren und untersten Einkommen entlastet würden. Legt man die Prozentzahlen zur Seite und schaut sich die absoluten Zahlen an, sieht es anders aus», sagt SPO-Präsident Gilbert Truffer. Er rechnet vor: Mit 30 000 Franken würde die Steuerentlastung rund 180 Franken ausmachen, bei Einkommen von 300 000 lägen die Einsparungen über 2000 Franken. «Wenn die Initiative sozial sein soll, müsste es umgekehrt laufen», so Truffer. Bei kleinerem Einkommen beispielsweise 1000 Franken einsparen und Mehrverdiener in absoluten Zahlen halt weniger. «Ansonsten funktioniert es nicht.» Entlastungen von 1000 Franken seien bei Einkommen von 30 000 Franken oder 300 000 Franken nun mal nicht das gleiche, so Truffer.
Kreuzer widerspricht vehement: «Die Zahlen legen klar dar, dass es sich bei der Initiative nicht um einen ‘unsozialen Rohrkrepierer’ handelt. Von der Gesamtsteuerentlastung von 55 Millionen Franken kommen 46 Millionen Franken den kleinen und mittleren Einkommenssteuerklassen zugute. Das ist doch keine unsoziale Initiative. Unsozial wäre, wenn es das Gegenteil wäre.» So sollen die unteren Einkommenssteuerklassen bis 53 200 Franken um 15 Prozent entlastet werden, die mittleren bis 106 300 Franken um 10 Prozent und die hohen bis 354 400 Franken noch um 5 Prozent. «Ich bin dagegen, dass alle Leute, die Erfolg haben, dafür bestraft werden», so Kreuzer. Die Steuerprogression soll respektiert werden und das werde sie auch weiterhin.
«Man kann doch nicht sagen, es gäbe künftig 55 Millionen weniger Steuereinnahmen aber keine konkrete Lösung aufzeigen, wie man das Loch wieder füllt»
SPO-Präsident Gilbert Truffer
Wie werden die Ausfälle kompensiert?
Der Hauptkritikpunkt, so Truffer – «und ich spreche aus zehn Jahren Erfahrung im Grossrat», sagt er – ist, dass das Geld auf die eine oder andere Art wieder hereingeholt werden muss. Sparrunden seien nichts Neues. «In den meisten Fällen trifft es soziale Bereiche oder die Bildung», so Truffer. Zudem seien in den letzten Jahren die Subventionen der Krankenkassenprämien massiv unter Druck geraten.
Auf diese Punkte angesprochen, fiel Kreuzer vergangenen Freitag in ein längeres Grübeln. «Wir können in der Initiative nicht festhalten, wo das Geld eingespart werden soll. Rein juristisch. Das müssen der Staatsrat in der Budgetvorbereitung und der Grossrat bei der Genehmigung ausarbeiten. Ich gehe davon aus, dass der Staatsrat – insofern Einsparungen vorgenommen werden müssen – dies in Bereichen tun wird, die nicht elementar wichtig sind.» Die Diskussion betreffe schliesslich nicht 10 Prozent, sondern weniger als 1,5 Prozent des Staatsbudgets und werde sich wohl nicht in erster Linie auf Altersheime und Schulklassen auswirken, sagte Kreuzer. «Ich würde es nicht so machen», sagte er, «und ich gehe nicht davon aus, dass der Staatsrat dies so machen wird.»
Truffer stört sich an Kreuzers Argumentation. «Man kann doch nicht sagen, es gäbe künftig 55 Millionen weniger Steuereinnahmen aber keine konkrete Lösung auf politischer Ebene, wie man das Loch wieder füllt», sagt er, «wer solche Steuervorlagen lanciert, muss auch Lösungen aufzeigen.» Das Geld über die vermeintlich damit angekurbelte Wirtschaft hereinzuholen sei utopisch. «Läuft denn die Wirtschaft besser?», fragt Truffer, «davon bin ich nicht überzeugt.»
Fest steht für ihn, dass es sich bei Kreuzers Initiative um ein Wahlkampfvehikel handelt. «Ich habe Kreuzer noch nie über Steuern sprechen gehört», sagt Truffer. Nun, einige Wochen vor den Wahlen, lanciere Kreuzer eine solche Initiative. «Bauernfängerei», sagt er. «Nach den Wahlen wird Kreuzer wieder genau das gleiche Interesse an Steuerfragen aufzeigen wie bis anhin», ist sich Truffer sicher, «nämlich überhaupt keines.»
SVPO kurzfristig in Kenntnis gesetzt
Bereits vergangenen Freitag stellte Kreuzer klar, dass es sich bei der Initiative um ein persönliches Projekt mit eigenem Komitee handle, und nicht um eine SVP-Initiative. Wurde die Parteileitung mit diesem Entscheid übergangen – oder zumindest überrascht?
Von einer Überraschung möchte SVPO-Präsident Franz Ruppen nichts wissen. «Generalsekretär Michael Graber und ich als Parteipräsident sind im Vorfeld von Michael Kreuzer in Kenntnis gesetzt worden», sagt er. Aber erst kurz vor der Lancierung, wie er nachschiebt. «Letzten Mittwoch hatten wir eine Sitzung mit den Kandidaten. Dabei ging es um die Wahlen. Die Initiative war an dieser Sitzung nicht traktandiert», so Ruppen.
«Mit so einem Thema kann man Wahlkampf machen, und das macht Kreuzer auch», sagt Ruppen, «wir werden es zu gegebenem Zeitpunkt formell traktandieren und darüber befinden» Klar ist: Steuerentlastungen stehe man grundsätzlich positiv gegenüber. Nicht umsonst habe sich die SVPO «weniger Steuern, Abgaben und Gebühren» auf die Fahnen geschrieben, so Ruppen. Vorerst hätten National- und Ständeratswahlen aber klar Priorität.
Adrien Woeffray
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Kommentare
Marcel Sarbach, Susten - ↑1↓0
Herr Kreuzer nun ist die Doppelhochzeit zu Ende.
Armer Ruppen.
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Markus Jeiziner, Raron - ↑1↓0
die svp arbeitet nur für die reichen, kein krieg kein Stimmenzuwachs. vom klimaproblem
wollen sie nichts wissen. es ist zeit das sie eines auf die kappe bekommen.
prognose: schweizweit -3%
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Peter Fux, St. Niklaus VS - ↑10↓14
Jede Stimme zählt, vor allem die Stimmen derjenigen die nichts verstehen. So ein QUATSCH!
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Marcel Sarbach, Susten - ↑26↓11
Lockvogel
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