Gemeindepolitik | Edwin Zeiter stellt sich vier weitere Jahre zur Wahl
Amtsältester Präsident der Schweiz stellt sich erneut zur Wiederwahl
Wer mit 23 Jahren erstmals in einen Gemeinderat gewählt wird und sich im Oktober 2016 nach 44 Jahren ununterbrochener Zugehörigtkeit zu diesem für weitere vier Jahre zur Wiederwahl stellt, ist wohl für die Politik geboren worden.
Edwin Zeiter, Ende 2016 werden Sie 40 Jahre als Gemeindepräsident von Bister im Amt. Stellen Sie sich im Oktober erneut zur Wiederwahl?
«Da sich keine andere Interessenten gemeldet haben, stelle ich mich erneut zur Verfügung.»
Hatten Sie je einen Gegenkandidaten?
«Nein, das war nie der Fall. Es kam mehrmals vor, dass ich sogar alle Stimmen erhielt. Die letzten zwei Amtsperioden wurde ich in stiller Wahl gewählt, nachdem im Wahlrecht diese Möglichkeit geschaffen wurde, wenn nicht mehr Kandidaten auf Listen hinterlegt werden, als es Ämter zu verteilen gibt.»
Woher holen Sie diese Motivation, sich so lange in den Dienst der Gemeinde zu stellen, wo viele Gemeinderäte bereits nach einer Amtsperiode am liebsten nicht mehr antreten würden?
«Mit 23 Jahren wurde ich in einer Zeit zum Vizepräsidenten der Gemeinde gewählt, als Bister noch die beiden C- Blöcke CSP und CVP kannte. Da herrschte noch ein rechter Wahlkampf, so wie man ihn heute noch in vielen Gemeinden kennt. Nach der Wahl zum Präsidenten vier Jahre später war damit Schluss. Ich habe immer wieder weitergemacht, weil niemand andere das Amt anstrebte, ich aber nach wie vor die vielen Vorteile einer selbstständigen Gemeinde sehe.»
Haben Sie im Verlauf dieser unglaublich langen Amtszeit je daran gedacht, Ihr Amt zur Verfügung zu stellen?
«Ja. Mitten in einer Amtsperiode in 1990er-Jahren reichte ich beim Staatsrat meine Demission ein. Auslöser war, dass man ein fertiges Projekt für eine Waldstrasse hinter meinem Rücken abänderte. Vom Strassenprojekt betroffene Bodeneigentümer versetzten die Linienführung der Strasse mithilfe eines Geometers kurzerhand auf den Boden der Anrainer. In diesem Spiel wollte ich nicht mitmachen.»
Dennoch blieben Sie Präsident. Was brachte den Gesinnungswandel?
«Es ist wohl nicht zuletzt dem diplomatischen Geschick meiner Frau zu verdanken. Ohne mein Wissen brachte sie den damaligen Präfekten des Bezirk Östlich Raron dazu, mit mir das Gespräch zu suchen und mich zu einem Rückzug der Demission zu bewegen. Was ihm auch gelang. Ausgeführt wurde dann trotzdem das abgänderte Projekt.»
Haben Ihre Frau und die beiden Töchter in all den Jahren nie einen Rücktritt gefordert?
«Nein. Das Gegenteil ist der Fall, sie haben mich in meinen Aufgaben als Präsident auch aktiv untersützt. Als ich immer wieder mal andeutete, mich nicht mehr zur Verfügung stellen, war es die Familie, die mich mich zum Weitermachen anspornte. Es aber auch zu sagen, dass sie nie unter dem Amt litt. Natürlich aber hätte ich in all den Jahren etwas mehr Freizeit gehabt.»
Neben Lokalpolitiker sind Sie Ziegenzüchter und Kunstmaler. Für welche Passion schlägt Ihr Herz am höchsten?
«Für mich sind unsere Tiere, die Natur und ökologisches Bauern heute vorrangig. Ebenso die Malerei. Die Politik liegt klar an dritter Stelle, weil ich nicht der bin, der die Politik sucht.»
Bister kennt nur drei Gemeinderäte. Wie funktioniert die Arbeitsteilung?
«Wir haben eine klare Trennung der Aufgaben. Der Vizepräsident ist gleichzeitig Gemeindeschreiber. Der dritte Gemeinderat ist für das gesamte Finanzwesen von Bister zuständig. Als Treuhänder ist er für die kleine Gemeinde eine Idealbesetzung, da er sich in allen Belangen der Gemeinden auskennt.»
Wie viele Gemeinderäte standen Ihnen in der 40-jährigen Amtszeit bisher zur Seite?
«Vier. Die beiden Amtierenden sind ebenfalls etliche Perioden im Amt und stellen sich auch im Oktober wieder zur Verfügung. Einer der beiden musste vor zirka 20 Jahren ohne sein Wissen das Amt antreten, weil sein Vorgänger am Wahlsonntag völlig überraschend erklärte, er stehe nicht mehr zu Verfügung. In einer Ad-hoc-Sitzung im Stimmlokal bestimmten die anwesenden Stimmbürger seinen Nachfolger, der von seiner Wahl aus dem Radio erfuhr.»
Wie viel verdient der Präsident der kleinsten Gemeinde des Wallis?
«Das Grundgehalt des Präsidenten und des Finanzverwalters beträgt 200 Franken pro Jahr. Der Schreiber erhält 50 Franken. Was an effektiver Arbeitszeit für die Gemeinde anfällt, wird mit 25 Franken pro Stunde vergütet.»
Existiert in Bister eine Parteienlandschaft?
«Seit 1976 gibt es hier keine Parteien mehr. Für den Gemeinderat wird seither jeweils nur mehr eine gemeinsame Liste hinterlegt.»
Kann man anhand von eidgenössischen Abstimmungen oder etwa Staatsratswahlen ablesen, für welche Partei die Bistener stimmen?
«Sie legen ein kunterbuntes Abstimmungsverhalten an den Tag und zeigen kaum Parteitreue. Ein Resultat dagegen war klar: Sie stimmten einstimmig mit den Linken für die Abschaffung der Armee. Weil ich an dieser Abstimmung als der einzigen in den 40 Jahren als Präsident nicht teilnehmen konnte, kam ein Telefon aus der Wahlzentrale in Sitten. Das könne nicht stimmen, da ich zu jener Zeit als Präsident des Unteroffiziersverbands Oberwallis sicher nicht ja gestimmt hätte. Bei den letzten Staatsratswahlen stimmten 80 Prozent für Oskar Freysinger am rechten Rand des Parteienspektrums.»
Im Wallis sind in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Gemeinden fusioniert worden. Wieso hat ausgerechnet die kleinste Gemeinde im Wallis noch nicht Anschluss an umliegende Gemeinden gesucht?
«Diese würden uns schon lange gerne zur Braut nehmen und machten immer wieder Anstösse zur Fusion. Dazu ist es bis anhin nicht gekommen, weil ich der Überzeugung bin, dass je kleiner und übersichtlicher eine Gemeinde, eine Gesellschaft oder andere Körperschaft ist, je besser die anfallenden Arbeiten zu bewältigen sind. Und weil Bister finanziell auf gesunden Beinen steht, ist auch die Bevölkerung der Ansicht, dass wir selbstständig bleiben. So kann man die Dorfgeschicke noch selbst mitbestimmen. Schliesst sich Bister mit 30 Einwohnern einer anderen Gemeinde an, sind wir niemand mehr und figurieren in der Prioritätenliste einer Grossgemeinde weit unten. Ein Beispiel: Nach einer Hangrutschung in Bister erklärte der Kanton nach einer Begehung, dass sich wohl Massnahmen ergreifen liessen, dass sich dies aber wegen dreissig Personen nicht lohne.»
Die Berggemeinden verlieren mehr und mehr Einwohner an die grossen Talgemeinden. Wie hat sich die Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten entwickelt?
«Vor rund hundert Jahren zählte Bister noch etwa 100 Einwohner. Dann gings stetig abwärts bis zur tiefsten Einwohnerzahl von 17 Personen im Jahr 1990. Bereits Ende der 1960er-Jahre titelte der ‚Nouvelliste’ über einen ganzseitigen Bericht mit Fotos von alten Leuten ‚Bister stirbt aus’ als erste Gemeinde im Wallis. In der Zwischenzeit sind rund 50 andere Gemeinden verschwunden. Bister hingegen lebt immer noch. Von Fusionen redete dazumals noch niemand. Heute hat sich die Zahl bei rund 30 Personen eingependelt.»
Gemeinden werden vom Kanton immer mehr Aufgaben zugewiesen. Spüren Sie das als Gemeindepräsident von Bister ebenso?
«Natürlich. Und mit der Abschiebung von Aufgaben steigen die finanziellen Aufwendungen ebenso. Alles nahm seinen Anfang mit der Überschuldung von Leukerbad. Seither hat der Kanton den Gemeinden ein rigoroses Finanzkontrollsystem auferlegt, das viel Aufwand erfordert. Der Staat aber nicht gemerkt, dass man grosse, mittlere und Kleinstgemeinden nicht in den gleichen Topf werfen sollte. Die jährlichen Ausgaben und Einnahmen von Bister lassen sich in einem Milchbüchlein auf ein paar Seiten notieren. Dennoch müssen wir 30-seitige Berichte zum Finanzwesen ablieferen, die uns rein gar nichts bringen ausser grosse Kosten.»
Und viel Arbeit für Gemeinderäte?
«Ja natürlich. Viele junge Leute scheuen heute gerade deshalb ein politisches Amt in der Gemeinde, weil sie wissen, dass sie in diesem staatlichen Diktat von Sachzwängen und Vorgaben kaum eigene Gestaltungsmöglichkeiten haben. Deshalb lassen sie lieber die Hände weg vom Amt und so finden etliche Gemeinden nur mit Mühe geeignete Kandidaten für ihre Räte.»
Kann die Gemeinde ihr Budget selbst bestreiten oder bezieht sie Geld aus dem Finanzausgleich?
«Nein, wir erhalten derzeit kein Geld aus dem Finanztopf, sondern sind Gebergemeinde. Wenn man bedenkt, dass etwa Naters Finanzausgleich bezieht und Bister einzahlt, muss meiner Meinung nach ein Systemfehler vorliegen. Als ich 1976 in den Gemeinderat gewählt wurde, war die Gemeinde verschuldet. Nach Einführung des Finanzausgleiches erhielten wir Geld. Gleichzeitig gingen wir mit den Geldressourcen so um, dass wir nicht mehr ausgeben als einnehmen. So konnten wir im Verlauf der Jahr sogar eine Reserve anlegen und waren so nicht gezwungen, mit einer anderen Gemeinde zu fusionieren. So sind wir überlebensfähig und haben für Arbeitsteilungen viele Abmachungen mit den umliegenden Gemeinden getroffen. Aufgrund unseres Vermögens gehört Bister heute zu den ‚reichen Gemeinden’. Dabei handelt es sich aber beim Vermögen um Rückstellungen für zukünftige und notwendige Investitionen in die Grundinfrastruktur in Bister.»
In Ihrer Amtszeit haben Sie bislang 16 Staatsräte und eine Staatsrätin erlebt. Wie war das Verhältnis zu Ihnen?
«Mit den Unterwalliser Staatsräten hatte und habe ich recht wenig zu tun, mit den Oberwalliser Vertretern auch nicht viel mehr. Das rührt auch daher, dass wir aufgrund unserer finanziellen Lage selten als Bittsteller in Sitten vorstellig werden mussten. Gut in Erinnerung bleibt mir aber jene Episode, als ich als Gemeindepräsident anordnete, dass der FO-Bus nicht mehr von Mörel nach Bister hochfahren dürfe, um die Schulkinder abzuholen. Gleiches galt für den Kehrichtwagen. Ich forderte die Bevölkerung auf, den Abfall trotzdem an die Strasse zu stellen. Denn wegen der baufälligen Strasse, mit deren Sanierung der Kanton nicht vorwärtsmachte, war die Strasse für Lastwagen und Busse mit einem Fahrverbot belegt, dass aber von der Polizei nicht durchgesetzt wurde.»
Wie waren die Reaktionen?
«Der damalige ‚Volksfreund’ berichtete in grosser Aufmachung darüber. Noch am Erscheinungstag wurde ich von der Geheimpolizei wegen Aufruf zum Streik einvernommen. Darauf wurde ich als Lehrer nach Sitten zum damaligen Bildungsminister Zufferey vorgeladen. Sein Adjunkt begrüsste mich mit den Worten: ‚Sie sind nichts anderes als ein Terrorist’. Das Departement sprach daraufhin eine Verwarnung gegen mich als Lehrer aus. Am Tag nach dem Bericht im ‚Volksfreund’ aber fuhren die Baumaschinen in Bister auf.»
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Kommentare
Natischer - ↑4↓1
Sicher hat Herr Zeiter in seinen Amtsperioden viel geleistet. Wer aber so lange am Sessel klebt, vergisst ab und zu, dass er der Gemeinde verpflichtet ist und nicht sich selbst.
Ansonsten wären einige seiner Machenschaften sicher nur schwer zu erklären.
Ich wünsche Bister künftig einen Präsidenten, der die Gesetze kennt und respektiert.
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Graue Zelle - ↑10↓1
Bister ist im Bezirk Östlich Raron so etwas ähnliches wie die Schweiz zur EU. Lauter Verträge mit den anderen Gemeinden......
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Graue Zelle - ↑9↓1
Ohne Zeiter kein Bister. Hinterlasse dann mit 95 keinen Scherbenhaufen für die Gemeinde.
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Bergler - ↑10↓1
Wenn man das Ortsbild Eingangs Bister anschaut, weiss man wieso die Gemeinde finanziell gut dasteht, auf Kosten davon kann man sich hier nirgends hinsetzen da die öff. Sitzbänke schon lange verfault sind.
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Natischer - ↑8↓3
Laut Aussagen von Herrn Zeiter ist Bister eine Gebergemeinde und Naters profitiert vom Finanzausgleich.
Daher schlage ich vor das Bister mit Naters Fusioniert, so könnte sich auch Naters Finanziel verbessern.
Viele Junge Leute von Bister sind einer Fusion sicherlich nicht abgeneigt sein.
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