Musik | Mindboy und Frank the Songman machen aktuellen Rap
Am Puls der Zeit
Zwei Rapper aus dem Mattertal veröffentlichen Musik am Puls der Zeit. Mit Trap-Musik nehmen sie im Oberwallis eine Vorreiterrolle ein. Für sie bedeutet es aber mehr als nur schnelles Produzieren von Hip-Hop-Songs.
Dem Genre Hip-Hop haften leider immer noch billige Klischees wie schnelle Autos und teure Uhren an oder es wird zuweilen auf homophobe und frauenverachtende Texte reduziert. Und seit dem Echo-Debakel mit Farid Bang und Kollegah kommen noch antisemitische Vorwürfe dazu–und das völlig begründet.
Doch Hip-Hop kann viel mehr, ist oft am Puls der Zeit und hält der Gesellschaft den Spiegel vor. Nur einige Tage nach der Echo-Preisverleihung, bei der die Musik von zwei Rappern gewürdigt wurde, die Unsagbares in Worte gefasst haben, erhielt der Rapper Kendrick Lamar den Pulitzer-Preis. Als erster Rapper überhaupt erhielt er den begehrten Medienpreis für sein letztjähriges Album «DAMN.». Das war eine Überraschung. Das Album zeigt detaillierte Momentaufnahmen des afroamerikanischen Lebens auf so geniale Weise, dass der Preis zweifelsfrei verdient ist.
Erster Walliser Trap?
Eben dieser Rapper aus Compton, Kalifornien, ist ein grosses Vorbild der beiden jungen Rapper Mindboy und Frank the Songman aus dem Mattertal. Silvan Truffer und Francisco Cortez, wie sie bürgerlich heissen, haben im letzten Jahr bereits zusammen unter dem Künstlernamen Kidvillion eine EP veröffentlicht. Erst kürzlich folgten zwei weitere EPs und Mindboys erste Single namens «Bout U».
Darauf bildet ein harter, schneller Beat den Soundteppich, von oben herab regnet es Hi-Hats und darüber legt sich eine verzerrte Autotune-Stimme. Alles zusammen ist eine Mischung aus Pop und Rap. Oder der erste Trap aus Oberwalliser Hand?
Sie seien nicht die einzigen, die Trap machen. Aber im Oberwallis nehme man eine Vorreiterrolle ein, sagt Cortez dazu. Das hohe Tempo und ein Synthesizer halten alles in Bewegung, doch wohin die Reise geht, ist–wie so vieles zurzeit–unklar.
Selber möchten sie den Titel «Trap-Künstler» jedoch nicht tragen. Aber es gebe einen Begriff für privilegierte Trap-Musiker, die viel Zeit im Internet verbringen und einen ironischen Abstand zur Szene haben: «Sadboys. Das sind wir», erklärt Cortez.
Laut dem Urban Dictionary sind Sadboys Leute, die den schwedischen Rapper Yung Lean hören, Fischerhüte tragen und Arizona Ice Tea trinken. Das inszenieren die beiden Musiker auch in ihrem Videoclip zu dem Song «The Power»: Dort liegen gleich haufenweise Grünteeflaschen herum. Cortez sagt dazu, dass Yung Lean den grössten Einfluss auf sein musikalisches Schaffen hatte. Und auch Fischerhüte habe er vor ein paar Jahren getragen, fügt Cortez schmunzelnd an. Produziert wurde der Clip, wie auch der von «Bout U», von Sidney Von Rotz aus Agarn.
Schnelles Produzieren
Die Musiker aus dem Mattertal, die beide an der Universität Luzern studieren, gehen im Vergleich zu den althergebrachten Mechanismen der Musikindustrie neue Wege. Frank the Songman hat in diesem Jahr bereits zwei EPs veröffentlicht. Alles digital. Auf die Frage, ob die Zeiten von Alben-Veröffentlichungen in haptischer Form vorbei seien, antwortet Cortez mit einem knappen «Ja». Und fügt an: «Wer hört noch Alben mit mehr als 12 Songs? Niemand.»
Das schnelllebige Produzieren ist auch ein Teil des Trap oder Cloud Raps. Laut Cortez sei es ein Produkt der Globalisierung und der modernen Technologie: «Alles geht über die sozialen Medien. Dementsprechend muss man auch regelmässig Songs posten, um relevant zu bleiben», sagt er.
Früher hätte man zwei Jahre Zeit gehabt, um ein Album zu veröffentlichen. Beim Trap müsse man mindestens alle drei Monate ein Projekt herausbringen, sonst laufe man Gefahr, an Relevanz zu verlieren. «Das führt zu einer Überforderung», sagt Cortez.
Doch die modernen Technologien haben auch ihre Vorteile: «Alle Instrumente sind digital verfügbar», sagt Truffer. Dadurch würde die klassische Musik ihre elitäre Seite verlieren.
Therapeutische Wirkung
Auf der EP «I Have No Clout» rappt Frank the Songman besonders über Entfremdung. Der Entfremdung gegenüber sich selbst, gegenüber der Herkunft und gegenüber seinen Mitmenschen.
Das Schreiben der Songs habe für ihn eine sehr therapeutische Wirkung. Da der Zermatter Rapper Cortez sehr persönliche Themen anschneidet, hat er sich auch dafür entschieden, seine Texte in Englisch zu verfassen: «Ich hätte mich damals nie getraut, deutsche Texte zu veröffentlichen.»
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