Open Air Gampel | Ines Maybaum und Andi Brügge von den Broilers im Gespräch
«Alter Schwede, wir sind ja gar nicht mehr die kleine Kellerband!»
Vor zwei Jahren waren sie in Zürich die Vorband der Toten Hosen. Zum dritten Mal in Gampel, stehen sie im diesjährigen Programm nun gemeinsam mit ihnen als Headliner ganz oben auf dem Plakat. Ines Maybaum und Andi Brügge von den Broilers erzählen im Interview von ihrer Jugend und wie es zum Punk kam.
Wie ist euer Eindruck von Gampel?
Andi: Etwas zwiegespalten (lacht). Das erste mal als wir hier gespielt haben, wurde der jungen Dame neben mir die Handtasche mit dem Autoschlüssel gestohlen. Da mussten wir unseren Bus hier lassen und mit dem Zug zurück nach Deutschland fahren.
Ines: Deswegen ist unser erste Gedanken wenn wir Gampel hören „oh Gott, jemand klaut mir meine Schlüssel“ (lacht).
Ihr äussert euch in euren Liedern klar gegen Vorurteile. Nun seid Ihr im hinterletzten Tal der Schweiz, habt Ihr selber keine Vorurteile?
Ines: Ich wüsste nicht, was man da für Vorurteile haben kann. Wir sind eher neidisch auf die schönen Berge.
Andi: Ich habe heute Morgen das Fenster vom Night-Liner geöffnet und direkt einen Berggipfel gesehen, das ist unglaublich.
Gibt es Unterschiede zwischen Deutschem und Schweizer Publikum?
Ines: Im Publikum nicht, aber ich denke, dass in Schweizer Festivals häufig noch mehr Herzblut steckt. Man wird hier auch immer liebevoll empfangen.
Andi: Wir haben im Backstage-Bereich sogar einen Stand, an dem rund um die Uhr Raclettes gestrichen werden.
Ihr kommt wie die Toten Hosen aus Düsseldorf – hat euch die Stadt in eurem musikalischen Schaffen beeinflusst?
Andi: Wir lieben Düsseldorf sehr. In der Stadt findest du sowohl coole kleine Punk-Clubs, als auch die Königsallee mit ihren Pelzmänteln und dementsprechendem Klientel. Ich glaube, dieser Zwiespalt hatte einen Einfluss auf uns.
Ines: Geht man mit offenen Augen durch die Stadt, beobachtet Menschen und hört ihren Gesprächen zu, findet man viel Inspiration. Aber das ist wohl in jeder grösseren Stadt so.
Andi, du warst seit Anfang an dabei. Wie kommt man dazu, mit zwölf eine Punkband zu gründen?
Andi: Meine Eltern erzählen immer, dass ich mit drei Jahren zum ersten Mal gesagt habe, dass ich ein Schlagzeug möchte. Es hat dann noch neun Jahre gedauert, bis sie mir eines geschenkt haben. Dann kam der Punk aber von ganz alleine. Wenn man zwei Akkorde und einen Viervierteltakt hinkriegt, ist Punk das erste was man kann. Genau das fasziniert mich an diesem Genre. Man kann einfach loslegen und muss nicht Jazzgitarre studiert haben.
Dann ging es euch damals beim Punk noch mehr um die Kunst als um die Politik?
Ines: Wir waren immer schon dagegen, wollten anders sein, ein bisschen rebellieren und die Eltern schockieren.
Andi: Und die Jugend war schon immer links. Mit 15 war es normal, auf linke Demos zu gehen. Das ist heute verloren gegangen, aber für den Punk ist die linke Politik immer noch ein wichtiger Teil.
Was hat euch damals mehr angetrieben, links zu sein oder zu rebellieren?
Andi: Ich denke die Rebellion.
Ines: Ich war immer ein Hippie-Punk. Wenn ich an die ersten Brandanschläge anfangs der 90er in Deutschland denke, war das für mich schon prägend. In dem Moment habe ich mich das erste Mal mit Faschisten befasst und mir war klar, dass ich auf der anderen Seite stehen will und das auch zeigen muss.
Dann habt ihr euch dazu entschieden mit der Musik etwas zu verändern?
Ines: Zu dem Zeitpunkt haben wir noch nicht daran gedacht, etwas erreichen oder verändern zu können. Wir waren nur im Proberaum und zu den Proben kamen Freunde, die ohnehin schon wussten, wie wir ticken.
Kann man Kunst und Politik überhaupt trennen?
Andi: Das kann man, aber zumindest für mich ist es wichtig, dass die Künstler, die ich toll finde, keine konservativen rechten Spinner sind.
Hörst du keine Musik von Leuten, die politisch nicht gleich eingestellt sind?
Andi: Zumindest höre ich keine Musik von Leuten, die auf der anderen Seite stehen. Wenn ich im Radio ein tolles Lied höre und sich der Typ politisch gar nicht äussert, finde ich das Lied trotzdem gut. Wenn ich aber weiss, dass der Musiker völlig anders eingestellt ist, höre ich die Musik nicht.
Kann man mit der Musik überhaupt noch jemanden politisch erreichen, wenn dir ohnehin nur diejenigen zuhören, die deine Ideologie teilen?
Andi: Ich glaube nicht, dass man knallharte Faschisten mit einem Song zum Umdenken animieren kann. Aber es gibt viele Leute, die sich noch keine Gedanken gemacht haben oder vielleicht gerade erst anfangen, sich mit Musik oder Politik zu beschäftigen. Diese Leute kann man erreichen.
Ihr habt eine besondere Verbindung zu Gampels Haus- und Lieblingsband, den Toten Hosen.
Andi: Wir kommen beide aus derselben Stadt und die Toten Hosen haben damals ihr Album «Learning English Lesson One» herausgebracht, in welchem sie ihre englischen Punkhelden coverten. Das war für uns das Tor zu einer ganz neuen Welt und einer der Gründe, warum wir selber Punk machen wollten. Ohne diese Platte würde es uns heute nicht in dieser Art geben. Mittlerweile teilen wir uns das Management, musizieren miteinander und gehen zusammen etwas trinken.
Kennen sich die Musiker der Deutschen Punkszene auch sonst untereinander?
Ines: Häufig lernt man sich an solchen Festivals wie hier kennen.
Andi: Das ist einer der Gründe warum wir Festivals so mögen. Am Freitag haben wir zusammen mit Feine Sahne Fischfilet und Kraftklub in Winterthur gespielt, in Gampel spielten wir am selben Abend wie Jennifer Rostock. Backstage ist es wie an einem Klassentreffen.
Ines: Und man geht auch gegenseitig zu Konzerten, so besteht die Verbindung weiter.
Merkt ihr, wie ihr euch mit steigender Bekanntheit immer mehr vom Publikum abgrenzen müsst und nicht mehr zu allen Konzerten gehen könnt?
Ines: Man merkt natürlich, dass es mehr Leute gibt, die ein Foto mit uns machen wollen, aber das würde uns nicht davon abhalten auf ein Konzert zu gehen.
Andi: Das ist auch etwas, was wir dem Punk zu verdanken haben. In der Szene gibt es keinen Unterschied zwischen den Menschen auf der Bühne und denen vor der Bühne. Man trinkt vorher etwas mit den Leuten, spielt kurz für sie und trinkt mit ihnen weiter. Fans und Stars sind dieselben Menschen, nur die einen machen die Musik und die anderen hören sie.
Ihr seid in eure Berühmtheit hineingewachsen und erst nach einigen Jahren bekannt geworden. Half euch das, sich an den Ruhm zu gewöhnen?
Andi: Das half tatsächlich. Ich habe neulich mit einem Deutschen Musiker gesprochen, der relativ schnell gross geworden ist. Er kann nicht mehr so einfach unter die Leute gehen, weil die Fangemeinde plötzlich zu fanatisch wurde. Seine Freundin bekam Morddrohungen von jungen Mädels, die das Gefühl hatten, sie hätte ihnen den Mann weggenommen. So etwas gibt es bei uns Gott sei dank nicht.
Seid ihr euch eurer Berühmtheit überhaupt bewusst?
Andi: Man muss sich das immer wieder ins Gedächtnis rufen, damit man es auch zu schätzen weiss. Manchmal sehe ich an Festivals das Programmplakat und denke, alter Schwede, guck mal, wir stehen ganz oben auf dem Plakat, wir sind ja gar nicht mehr die kleine Kellerband!
Ines: Ich habe wirklich Schwierigkeiten, mir dem bewusst zu sein. Für mich ist das einfach nur musizieren, nichts weiter.
Am Anfang steht die Musik.
Beide: So ist es.
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