Walliser im Ausland | Walburga Baur-Stadler berichtet aus Südkalifornien
«Alles ist ganz anders hier»
Seit 17 Jahren lebt Walburga Baur-Stadler in Südkalifornien. Die 72-Jährige ist im Wallis aufgewachsen und seitdem hat es sie in alle Himmelsrichtungen verschlagen. Auf 1815.ch berichtet sie über die knifflige Umrechnung us-amerikanischer Masseinheiten und Kaffee, der so lange nachgefüllt wird, bis er einem zu den Ohren hinausläuft...
Walburga Baur-Stadler ist wahrlich eine Weltenbummlerin. Nach zahlreichen Auslandserfahrungen hat sich die heute 72-Jährige vor 17 Jahren gemeinsam mit ihrem Mann in Südkalifornien niedergelassen, ausserhalb von Los Angeles, am Fuss der San Gabriel Berge.
Ihre Zeit widmet sie ihrem Garten, dem Malen und Singen, unter anderem als Mitglied des gemischten Chors «Swiss Singing Society Harmonie». Ausserdem leitet Walburga Baur-Stadler die Redaktion der Regionalseiten USA der «Schweizer Revue», einer Publikation für Auslandschweizer.
Auf 1815.ch berichtet sie in loser Reihenfolge über ihr Leben im Land der unbegrenzten Möglichkeiten:
«Erst wenn Besuch kommt, merkt man, an was alles man sich in den USA so gewöhnen musste. Es fängt schon am Flugplatz an: 'Wie weit ist es bis zu euch nach Hause?' 'Ja, das kommt ganz auf den Verkehr an. In der Stosszeit eventuell zwei Stunden, aber sonst nur eine gute Stunde.' Sie merken es, kein Wort von Kilometern. Und wenn schon wären es ja Meilen. Eine Meile ist 1,609344 Meter lang. Distanz mal 1,6 ist kein Problem, das schaffen wir noch vor dem Morgenessen!
Und dann fahren wir einen SUV, ein Sports Utility Vehicle, also ein Sport-Nutz-Fahrzeug. Wieviel Benzin braucht denn dieser Wagen? Laut Fabrikant macht er 27 Meilen pro Gallone. Wie wollen wir das mit einem Schweizer Auto vergleichen, dessen Benzinkonsum mit Litern pro hundert Kilometer angegeben wird? Also, eine Gallone hat 3,78532 Liter. Spätestens hier geben wir es auf. Eine der nützlichsten Applikationen auf meinem iPad heisst 'Units Plus'. Alles was man umrechnen kann, geschieht hier auf Tastendruck: Meilen in Kilometer, Yard in Meter, Quarts in Liter und Quadrat-Fuss in Quadrat-Meter.
Aber so schlimm ist es gar nicht. Für mich als Hausfrau reicht es ja noch längst, wenn ich weiss, dass ein Quart Milch fast ein Liter ist und dass das Pfund mit dem die Früchte oder das Fleisch gewogen werden, ungefähr 50 Gramm leichter ist als unser Pfund. Dies stört mich vor allem seit dann nicht mehr, als ich sah, dass in der Schweiz der Preis des Fleisches oft pro 100 Gramm angeschrieben ist. Bei den Preisen würde ich es natürlich auch nicht wagen anzugeben, was ein ganzes Kilo kostet! Mit den Unzen (oz.) habe ich da schon eher Mühe. Eine Unze wiegt 28,3495 Gramm. Und wie viele Unzen hat es jetzt schon wieder in einem Pfund? Wieviel Fleisch kriege ich, wenn ich im Restaurant das Steak nach Gewicht auslesen muss: 8, 10, 12 oz. schwer oder noch mehr?
Falls Sie eine Reise in die USA unternehmen, gebe ich Ihnen hier gleich einen Gratis-Tipp: Immer die kleinste Portion bestellen, ausser Sie sind wirklich sehr hungrig oder durstig. Selbst der kleinste Kaffee ist grösser als bei uns eine Tasse Milchkaffee. Zum Essen wird hier im Restaurant regelmässig ein Glas Eiswasser eingeschenkt. Niemand stört sich daran, wenn Sie nichts anderes zum Trinken bestellen oder wenn Sie als gute Schweizer sofort noch ausrufen 'Bitte KEIN Eis!'. Und wenn Sie Kaffee verlangen, wird Ihre Tasse so lange nachgefüllt, bis Ihnen der Kaffee zu den Ohren hinausläuft. Alles zum selben (günstigen) Preis.
Da frage ich mich dann, was wohl die Amerikaner denken, wenn sie in der Schweiz Wasser bestellen und ein sündhaft teures Mineralwässerli vorgesetzt bekommen, und der Kaffee, der ihnen vorschwebt, in einer Tasse serviert wird, die kaum grösser als ein Fingerhut, dafür doppelt so teuer ist.
Hausfrauen haben es leicht. Vorausgesetzt, dass man kurz nach der Ankunft in den USA ein Set Masstassen und Masslöffel anschafft. Denn da heisst es dann etwa: 2 Tassen Mehl, 1 1/4 Tassen Zucker, 1 1/2 Teelöffel Zimt, 1 1/4 Teelöffel Backpulver usw. usw. Die Rechnungsmaschine und die Waage brauche ich nur, wenn ich ein Schweizer Rezept koche. Vor allem, wenn es dann heisst 'Bei 220 Grad 30 Minuten backen'. Umrechnen ist kein Problem, vorausgesetzt man hat Zeit und einen klaren Kopf: Celsius: 5 x 9 + 32 = Fahrenheit oder Fahrenheit – 32 : 9 x 5 = Celsius. Also doch lieber die Rechnungsmaschine benützen oder vorne im Kochbuch die häufigsten Temperaturen gleich einmal umrechnen und hineinschreiben.
Für den Alltag gibt es natürlich Eselsbrücken: 32 Grad F sind 0 Grad C, also kalt. 72 Grad F = 22 Grad C, gerade recht. Mehr ist wärmer, weniger ist kühler. 100 Grad F ist Fieber oder beim Wetter eine Affenhitze! Aber hier muss ich ehrlich sein: Vor meinem Küchenfenster habe ich eine kleine Wetterstation mit Aussentemperatur – in Fahrenheit. Dann hängt draussen an der Ecke auch noch ein Thermometer, der sowohl Celsius wie Fahrenheit angibt. Und wenn ich es genau wissen will, dann schaue ich dort. Ich muss meiner in der Schweiz lebenden Familie ja schliesslich genüsslich sagen können, dass es um 8 Uhr morgens heute bei uns bereits 15 Grad Celsius warm war!
Und nachdem Sie in Zukunft öfters hier über die USA etwas lesen werden, sollten Sie tun, was jeder Amerikaner auch tun würde: Artikel ausdrucken und mit einem Magnet am doppeltürigen Kühlschrank aufhängen, gleich neben den Notruf-Telefon-Nummern und noch oberhalb der Zeichnungen ihrer Kinder oder Grosskinder.»
Als Vierjährige zog Walburga Baur-Stadler mit ihrer Familie ins Wallis, wo sie aufgewachsen ist und die Real- und Handelsschule im Institut St. Ursula in Brig besuchte. Nachdem sie zwei Jahre lang Sekretärin bei den Walliser Kraftwerken in Visp war, zog es sie nach Oxford, um Englisch zu lernen.
Danach trat Walburga Baur-Stadler eine Stelle beim Politischen Departement in Bern (heute: Departement für auswärtige Angelegenheiten) an und wurde in Belgien, Marokko, Thailand und Madagaskar als Sekretärin eingesetzt. Nach ihrem Wechsel in die konsularische Laufbahn kam es erneut zu Versetzungen: Mailand, Kongo, Peru, Costa Rica und Kalifornien, wo sie ihren Mann, einen Zürcher, kennenlernte und heiratete. Gemeinsam waren die beiden noch in Spanien und Argentinien, wo sich Baur-Stadler Ende 1998 im Grad einer Generalkonsulin frühzeitig pensionieren liess.
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Kommentare
Claudia Bussien-Cengia - ↑0↓0
Ich habe Walburga gekannt als ich noch in St. Gallen-Bruggen an der Rittmeyerstrasse 5 wohnte. Walburga verbrachte damals eine gewisse Zeit bei ihren Grosseltern Schweiwiller, wo auch ihre Brüder hie und da während der Ferienzeit aus dem Wallis auf Besuch kamen.
Von ihrem Bruder Alban habe ich vor einigen Jahren von ihrer Berufskarriere erfahren und würde mich natürlich sehr freuen wenn Walburga mit mir nach so vielen Jahren Kontakt aufnehmen könnte. Es gäbe sicher enorm viel zu erzählen !
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Lerjen Anni - ↑5↓0
Alles sehr interessant und was Walburga so alles von Ihren vielen Stationen erzählen kann, unglaublich! Zudem ist sie eine gute Erzählerin und wir hängen alle hoch interessiert an ihren Lippen! Gerne warten wir auf den nächsten Bericht. eine Klassenkameradin Anni
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