Kultur | Das Tanzprojekt «Illusion» brachte im Visper La Poste über 200 Tänzerinnen auf die Bühne
Alles ist eine Frage des Seins
Visp | Die Oberwalliser Tanz-Szene traf sich am vergangenen Wochen ende im Visper La Poste. Elf Tanzgruppen jonglierten auf der Bühne mit den Kategorien Sein und Schein. Ein Verwirrspiel in 17 Akten.
Mathias Gottet
Ein riesiger Punkt wird immer kleiner, aus einem werden viele, bis alle verschwinden. Neue Körper kommen und gehen, sie drehen sich, geben ihre Form auf und machen Platz für etwas Neues. Sie zeigen: Alles ist eine Frage der Distanz. Oder der
.Perspektive. Von weit weg wird alles eins. Was bleibt ist die Verwirrung: Was ist real? Und was Illusion?
Während die Visualisierungen im Hintergrund weiter ihren eigenen Gesetzen folgen, wummern die Bässe von Pink Floyd unnachgiebig weiter. Davor bewegen sich die Tänzerinnen des Tanzzentrums Sosta. Und auch sie bewegen sich mit ihren eigenen Gesetzen: Sie sammeln sich zu Gruppen, zerfallen wieder und schaffen eine neue Ordnung. Es ist eine provozierende Darbietung. Frech, fordernd und fragend: Kann man der Realität trauen?
Ein buntes Allerlei
Das Tanzprojekt «Illusion», das am vergangenen Wochenende dreimal im Visper La Poste
gezeigt wurde, war ein Schaulaufen der Oberwalliser Tanz-Szene. Elf unterschiedliche Tanzgruppen zeigten 17 Darbietungen, die alle unter
dem Thema der Illusion versammelt waren.
Dabei war erstaunlich, wie unterschiedlich die Tanzgruppen mit dem Thema umgingen. So tanzte etwa die Gruppe «Projet Dix» in einem äusserst kreativen Kostüm: Die eine Hälfte bestand aus einem feuerroten Abendkleid, die andere aus einem chicen Smoking. Bei schnellen Drehungen wechselten die Tänzerinnen im Bruchteil einer Sekunde ihr Geschlecht. Das zeigte unsere scharfe Vorstellung von Geschlechtern. Und hinterfragte sie gleichzeitig auch.
Besonders diejenigen Tanzgruppen, die sich ein spezielles Konzept überlegt und auch durchgezogen hatten, konnten hervorstechen. Denn die insgesamt 17 Darbietungen kamen auch einer geballten Ladung an Eindrücken gleich. Andere Gruppen versuchten viele Einzelelemente aus, vermochten sie aber nicht zu einem Ganzen zusammenzuweben.
Den Illusionen
genügend Raum lassen
Die Freude am Tanzen war aber auf alle Fälle bei allen Gruppen überwiegend. Einige versuchten auch eine grosse Portion Spass hineinzubringen und machten aus ihrer Darbietung eine Party. Outfits in gleissenden Neonfarben, wild blinkendes Strobolicht oder dicker Nebel aus der Rauchmaschine: Die meisten Gruppen unterstützten ihre Auftritte mit den verschiedensten Elementen.
An der rund zweistündigen Show waren aber auch die unterschiedlichsten Tanzstile zu sehen: Von Ballett zu Reggae über Hip-Hop und Breakdance war alles mit dabei. Und die Tanzoase zeigte zusätzlich noch orientalische Tänze. Mit riesigen, farbigen Fächern kamen die Tänzerinnen auf die Bühne und liessen einer Fata Morgana gleich die Farben
und Realitäten ineinander verschmelzen und ihre Hüften maschinell und präzise kreisen.
Die ganze Aufführung war eine Suche nach einer Grenze: Wo hört die Realität auf? Und wo beginnen die Träume? Das Herantasten an diese Fragen aus unterschiedlichsten Richtungen war beeindruckend. Und zum Schluss bleibt dem Zuschauer die Erkenntnis: So starr sollte die Grenze doch gar nicht sein. Denn die Illusionen sollten im Leben genügend Raum bekommen. Denn am schönsten sind Träume immer noch, wenn sie real werden.
Mathias Gottet
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