Unglücks-Fahrer ausser Lebensgefahr
Aceton-Laster raste mit 100 km/h bis zur Unfallstelle
Der Fahrer des Unfall-Lastwagens beim A9-Werkhof in Gamsen verlor die Herrschaft über sein Fahrzeug auf der Simplonpassstrasse bereits fünf Kilometer vor der Unfallstelle. Dabei geriet er über grosse Strecken auf die Gegenfahrbahn, so Augenzeugen.
«Der Lastwagen muss nach dem Haselkehr oberhalb des Dorfes Termen rasant Tempo aufgenommen haben. In den Stützen überholte der Sattelschlepper mit eingeschalteten Warnblinkern eine Reihe von Personenwagen, die auf der zweispurigen Simplonpassstrasse Richtung Brig fuhren. Dabei geriet er teils auch auf die Einspurstrecke für die Autos, die von Brig auf die A9 in Richtung Simplon auffahren», sagt Urban Walker, Gruppenchef des Strassenunterhalts Simplon-Nord, gegenüber «1815.ch».
«Das war extrem»
Zum Unfallzeitpunkt war er bei der Ausweichstelle «Lingwurmbrücke» in den Stützen bei Ried-Brig beschäftigt. «Einige hundert Meter vor dem Laster fuhren ein identischer Tanklastwagen sowie ein Personenwagen. Das Fahrzeug näherte sich mir auf der falschen Strassenseite mit einer Geschwindigkeit weit über 100 Stundenkilometern. Das war extrem.»
Für Walker ist klar, dass beim Lastwagen die Bremsen versagten. Das kann er aus Erfahrungen mit ähnlichen Vorfällen am Simplon beurteilen. «Mit Handzeichen machte ich dem Chauffeur deutlich, dass er auf die korrekte Fahrbahn wechseln solle. Er reagierte nicht. Dass ihm keine Fahrzeuge entgegenfuhren, war riesiges Glück. Dann verlor ich ihn aus den Augen. Wenige Minuten später sah ich die schwarze Rauchwolke beim A9-Werkhof aufsteigen...»
Akute Gefährdung von Anwohnern
Damit ist klar, dass auch Bewohner entlang der A9 in Ried-Brig und Termen in akuter Gefahr schwebten. Bei einem Crash mit einem anderen Fahrzeug wäre der 40-Tönner mit dem explosiven Aceton womöglich neben Wohnhäusern explodiert. Es ist nicht anzunehmen, dass die Lärmschutzwände bei Ried-Brig den ausser Kontrolle geratenen Truck hätten stoppen können.
Endstation der Höllenfahrt war bekanntlich ein Brückengeländer kurz vor der Einfahrt zum Gamsentunnel auf Höhe des Werkhofs der A9. «Der Lärm war ohrenbetäubend, als der Lastwagen ungebremst die Leitplanken in der langgezogenen Linkskurve auf einer Länge von 50 Meter schlitzte», berichtet Heinz Fux, welcher den Horrorunfall von nächster Nähe beobachtete. Er ist zuständig für den technischen Dienst des A9-Werkhofs.
Chauffeur ausser Lebensgefahr
«Als der Lastwagen nach freiem Fall von der Brücke im Biotop aufschlug, wurde der Chauffeur aus dem Cockpit geschleudert», erinnert sich Fux an die dramatischen Szenen. «Der Fahrer konnte sich kurz vor einer Reihe von Explosionen bei einem Pfeiler unter der Brücke in Sicherheit bringen. Dort fanden ihn Sanitäter und Polizisten - nach kurzer Suche – barfuss und mit Verletzungen am ganzen Körper vor.» Er stand unter Schock.
Der 45-jährige Senegalese wurde nach einer Erstversorgung durch einen Notfallarzt eine Stunde nach dem Unfall mit einem Rettungsheli der Air Zermatt ins Inselspital Bern geflogen. Er ist inzwischen ausser Lebensgefahr. «Der Fahrer erlitt durch den Unfall keine Verbrennungen und ist ansprechbar», erklärt Markus Rieder, Mediensprecher der Kantonspolizei Wallis, am Freitag.
Totalschaden am Biotop
Inzwischen sind auch die Aufräumarbeiten beim Biotop in Angriff genommen worden, sagt Heinz Fux. Es wurde durch die giftigen und explosiven Chemikalien, welche für eine Chemiefirma im Unterwallis bestimmt waren, verseucht. Die Chemiewehr der Lonza pumpt nun zusammen mit der Stützpunktfeuerwehr Brig das vergiftete Wasser ab und führt es einer Spezialentsorgung zu.
Sobald es die Wetterumstände erlauben, muss der gesamte Humus abgetragen und entsorgt werden. «Damit sind auch die Pflege und Hege der letzten zwölf Jahre mit einem Schlag vernichtet worden. Rund 20 verschiedenen Vogelarten bot das Biotop Lebensraum. Ein Schaden, der sich nicht mit Zahlen ausdrücken lässt», bedauert Fux.
Staatsanwaltschaft ermittelt Unfallursache
Die Staatsanwaltschaft Oberwallis hat bereits eine Untersuchung zum Unfall eingeleitet. «So soll geklärt werden, wie es zu dem Unglück kommen konnte», sagt Staatsanwalt Rinaldo Arnold, welcher die Untersuchung leitet, gegenüber «1815.ch». «Insbesondere wird der technische Zustand des Lastwagens zurückverfolgt. Gleichzeitig wird der gesundheitliche Zustand des Führers zum Unfallzeitpunkt untersucht. Dazu gehören auch bereits durchgeführte Alkohol- und Drogentests.» Diese Resultate liegen noch nicht vor.
«Der Fahrer des in Italien immatrikulierten Tanklastwagens konnte zum Unfall noch nicht befragt werden. Gleichzeitig werden auch Augenzeugen befragt. Bereits in Auftrag gegeben wurde eine technische Untersuchung des Unfallfahrzeugs.» Mit dieser Aufgabe seien Experten aus dem Oberwallis beauftragt worden, so Arnold.
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Kommentare
Michi - ↑2↓1
Wieso wird nicht in Gondo eine Gruppe geschaffen, welche auf technische Lastwagenkontrolle spezialisiert ist? So würden sogar sinnvolle Arbeitsplätze geschaffen! Aber es muss wie so oft zuerst zu einer Tragödie kommen!
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Baer - ↑0↓0
Bei der Ausfahrt Brig-Zentrum ist die max. erlaubte Geschwindigkeit 100 km/h.
Vernünftigerweise müsste die Limite, mindestens für LKW, 80 km/h betragen.
Das wäre eine realistische Froderung, welche die (möchtgern) Parlamentarier vertreten sollte.
Ein Verbot der LKW am Simplon zu verlangen, ist reiner Populismus. Diese Politiker sind wegen Realitätsverlust nicht wählbar.
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Sepp - ↑0↓0
Zum besseren Verständnis und als Nachhilfeunterricht : Bei allen LKW und sämtlichen Fahrzeugen mit Anhänger (auch Personenwagen und Busse mit Anhänger) ist sowieso 80 km/h die Höchste erlaubte Geschwindigkeit. Ich kenne also Weltweit kein Land wo höhere Geschwindigkeiten zugelassen sind. Bitte melden, wenn jemand Kenntnis hat, in welchem Land höhere Tempi zugelassen sind.
Zum weiteren Verständnis : Es gibt überhaubt keine Bremsversager - die Versager sitzen nähmlich auf dem Stuhl hinter dem Lenkrad. Und diese Versager fahren auf der Bremse die Berge runter, weil sie die Getriebe auf Neutral schalten, damit der Motor nicht überdreht bei den zu hohen Tempo.
Dani - ↑0↓0
Zudem 80km/h ist ja noch tragischer bei bereits angeschlagenen LKWs... Noch mehr Motorenbremse noch mehr Bremspedal... Na dann gute Nacht. LKWs dürfen so oder so nicht 100 Fahren sondern 90.
Dani - ↑0↓0
@Bear: du hast recht. Wie du aber sicherlich gelesen hast schreibe ich von mobilen Kontrollen, die ich leider selten bis nie sehe... Kontrolliert werden muss da, wo täglich gegen das SVG und technischen Vorgaben verstossen wird...
Baer - ↑0↓0
@Dani:
Die gesetzlichen Vorgaben an die LKWs, deren Benutzung (z.B. Beladung) und die Fahrer muss eingehalten werden. Keine Frage!
Aber wo in Gondo soll ein technisches Zentrum Platz finden? Soll eine Kaverne gebaut werden? Ich sehe leider keine praktikable Lösung. Pragmatisch muss ich feststellen, dass wenigstens die LKWs auf einer Seite des Passes strikte kontrolliert werden.
Dani - ↑0↓0
Nicht prinzipiell verbieten... Aber was bringt ein technisches Zentrum in Gamsen wenn der marode LKW den Pass schon hinter sich hat? Wo sind die mobilen technischen Kontrolle hinter der Grenze? Noch selten gesehen... Dann könnte man sie noch zurück nach Bella Italia schicken... Ein Senegalese barfuss... Mindestens ein Socken wäre sicher nich dran gewesen wenn er nicht in Sandaletten Gefahren wäre.
moggi - ↑0↓0
Bin selber Chauffeur und könnte da noch ein andere Müsterchen erzählen, vom Simplon.
Eigentlich muss man wieder die CH-Norm-Bremsanlagen obligatorisch machen. Aber dank Lastwagenlobby gilt nur noch die Euronorm, um Geld zu sparen.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis im Engeloch ein Tanklastwagen mit Bremsversagen auf einen Reisebus trifft. 50 Tote....
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Dani - ↑0↓0
Jetzt müssen wir uns wehren liebe Oberwalliser!!! Steht endlich auf!!! Es ist genug!!!
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Dani - ↑0↓0
Liebe Brigerberger... Es gibt nur eines: unsere "Besten" Politiker schlafen und wenn etwas passiert ist sowieso nie Gefahr für die Bevölkerung. Nichts als Lügenbarone!!! Also legen wir diese Strasse endlich lahm... Und zwar an mehreren Wochentag wo die LKWs zu ihren Abladeorten müssten...
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Wallis - ↑0↓0
Ist doch zum lachen
Quecksilberverseuchung=keine Gefahr für die Bewohner
Lastwagen mit Aceton explodiert=keine Gefahr für die Bewohner, obwohl es einem fast den Magen kehrt wenn man vorbei fährt. Für wie dumm hält man die Bewohner im Talgrund?
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Orakel - ↑0↓0
Und wenn man das Gefahrensymbol auf dem LKW-Auflieger genau anschaut? Es bedeutet bei Austritt langfristige Schäden für Umwelt und so sicher auch für den Mensch! Und es stinkt noch immer in Brig-Glis!
Franz Rubben - ↑0↓0
Billige importierte Ware wollen wir Walliser natürlich alle, aber Lastwagen über unseren Simplonpass? Das geht dann natürlich wieder gar nicht. Das Christkind soll die Dinge bringen...
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Sigi - ↑1↓0
Lastwagen mit solchen oder ähnlichen Gefahrengütern , welche nicht mit einer verschleissfreien Hilfsbremse ausgerüstet sind , müssen auf solchen Alpenpässen verboten werden ! ! !
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Schnucki - ↑0↓0
Und es stinkt immer noch bis nach Naters, einfach eklig.
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Hans Brügger - ↑0↓0
Warum lassen die Walliser Lastwagen über den Simplonpass??????
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Herr Retiker, ein "einfach nur lächerlicher Öko" - ↑0↓0
Wer die Simplonstrecke häufig befährt riecht nicht selten heiss gelaufene Bremsen von LKW.
Ausweichbuchten werden nicht genutzt, Handzeichen ignoriert.
Offensichtlich sind einige Fahrer oder Fahrzeuge für diese anspruchsvolle Strecke nicht geeignet.
Aceton, was wie Ether sehr viel über'n Simplon gefahren wird, ist im Vergleich zu den anderen Gütern noch relativ harmlos. (-> App für UN-Nummern)
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DirrenLED - ↑1↓0
Unglaublich was der Chauffeur da erlebt haben muss . Der war sicher durchgeschwitzt bis auf seine Haut und hatte Todesängste . Wer selber Lastwagen fährt kann das verstehen . Gute Besserung dem Chauffeur . Es ist egal aus welchem Land der kommt
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