Tourismus | Überschreitet die Werbung mit Drogen eine Grenze?
«Absolut geschmacklos»
Werbung ist oft langweilig und äusserst unkreativ. Mit der neu lancierten Kampagne des Oberwalliser Skipasses kommt eine weitere Kategorie hinzu: Skifahren mit Kokain zu bewerben, ist dumm.
Werbung ist eine nervige Angelegenheit. Entweder unterbricht sie einen spannenden Film, ploppt im Internet auf oder verkleistert die schönste Aussicht auf einer Bergstation mit riesigen Plakatwänden. Mühsam ist sie nicht nur, weil sie dort dazwischenfunkt, wo man eigentlich geniessen will. Mühsam ist sie auch, weil sie in den meisten Fällen nicht besonders kreativ daherkommt.
Um in der Masse nicht unterzugehen, versuchen Werbeagenturen deshalb zu provozieren. Frei nach dem Motto «Sex sells» müssen die abgemagerten und mit Photoshop verschlimmbesserten Körper fast für alles herhalten. In einigen Städten, wie etwa in München, ist sexistische Werbung auf städtischen Plakatflächen bereits verboten. Folgt in Zukunft die unnötige Provokation mit Drogen?
«Ich sehe auf der Werbung nirgends
Kokain»
Falsche Zusammenhänge
Die Lauterkeitskommission, die dafür sorgt, dass Werbungen fair sind, meldet sich erst zu Einzelfällen, nachdem eine Beschwerde eingegangen ist. Nachgefragt bei der Geschäftsführerin von Leading Swiss Agencies, dem Verband der grossen Werbeagenturen der Schweiz, spricht Catherine Purgly jedoch eine deutliche Sprache: «Der Vergleich von Kokain und Skifahren ist absolut unpassend», sagt sie. In der Werbung brauche es einen Zusammenhang zwischen dem Produkt und der Aussage. Der sei hier nicht gegeben.
Purgly sagt, die Macher der Werbung meinten wohl, es sei ein Lacher. «Meines Erachtens ist das aber völlig schiefgelaufen», sagt sie. «Die Botschaft ist auch nicht zielführend, nein, sogar irreführend. Man unterstellt der Zielgruppe, dass sie eine Affinität zu Kokain hat. Ich finde die Werbung absolut geschmacklos.»
Agentur beschwichtigt
Die Firma, die die Kampagne gestalterisch umgesetzt hat, ist sich der Polarisierung durchaus bewusst. Art Director der Tonic Agentur in Brig, Michel Roten, sagt, dass ihnen klar gewesen sei, dass man sich da eines Tabuthemas annehme. «Wir haben erwartet, dass die Kampagne einen viralen Effekt provozieren wird und auch laute Stimmen zurückkommen», sagt er. Man wollte schockieren und die Leute vor den Kopf stossen. Werbung dürfe das aber auch.
Karl Roth, Präsident des Vereins der Oberwalliser Bergbahnen, sieht das Ganze als halb so schlimm an. Auf die Frage, ob das Oberwallis keine besseren Argumente habe, als mit Kokain für den Skipass zu werben, sagt er: «Ich sehe auf der Werbung nirgends Kokain.» Die Werbung biete einen gewissen Spielraum. Und das Plakat sei auch nur ein Teil
der Kampagne, die noch fortgesetzt werde.
Suchtexperte warnt
Nachgefragt bei Christian Rieder, der als Leiter des Via Gampel täglich mit suchtkranken Menschen zu tun hat und Mitglied der Direktion Sucht Wallis ist, sagt: «Ich finde die Werbung ethisch fragwürdig. Sobald man mit Drogen Werbung für ein anderes Produkt betreibt, übertritt man aus meiner Sicht eine Grenze. Denn das kann dazu führen, dass der Konsum von Drogen verharmlost wird. Das Wallis bietet wunderbare Berge, Pisten und Landschaften, die man bewerben kann. Dass Kokain dafür herhalten muss, ist schade.»
Trotz der harschen Kritik hat die Werbung ihre Wirkung entfacht. Verschiedene Medien haben die Provokation aufgegriffen und darüber berichtet. Dabei sollte das Archiv der Oberwalliser Bergbahnen noch gefüllt sein mit schönen Winterfotos. Denn so viel Schnee wie im letzten Jahr hatte es lange nicht mehr. In Zukunft werden die Skipisten ja vielleicht wirklich so dünn aussehen, wie sie auf dem Plakat dargestellt sind. Optimismus sieht anders aus.
Dazu die passende Aussage eines Twitter-Users: «Hoffentlich sind die Pisten besser als die Werbung.»
Mathias Gottet
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Kommentare
Edmond Wäger, Visp - ↑37↓18
Was für eine Schnapsidee (entschuldigt, dass ich hier erneut ein Suchtmittel aufgreife) damit Werbung zu machen! Wie Frau Purgly richtig sagt, muss unbedingt thematischer Zusammenhang bestehen, ansonsten könnte man ja auch mit dem Weihnachtsmann für eine Limonade werben oder mit bekannten Science Fiction Filmmotiven für Autos, aber diese Kampagnen wären ja sicherlich zum Scheitern verurteilt.
Natürlich assoziiert man die beiden Linien direkt mit Drogenkonsum und hält Schneesportler für Junkies, denn in einer Welt in der Donald Trump Präsident ist, dürfte der Durchschnittsintellekt wohl kaum in der Lage sein, den Bogen zu "Walliser Berge machen echt süchtig", "Snowboarden pumpt dich wie Koks" oder "Skifahren motiviert wie ein chemisches Stimulans" spannen. Oder sind die Leute vielleicht doch nicht so grenzdebil, wie sie in dem Artikel dargestellt werden und tatsächlich doch zu einem Schmunzler und einer Differenzierung fähig?
Dennoch, die Werbung muss, wie beschrieben, "dumm" sein, war doch das erwähnte Ziel Viralität und Aufmerksamkeit (irgendwo habe ich mal gelesen, dass das für Werbung durchaus nützlich ist...). Dem macht ein Artikel in der grössten Zeitung des Einzugsgebietes aber gewaltig einen Strich durch die Rechnung, nicht wahr? ;-)
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Arthur Heinzmann, Visp - ↑48↓45
Wie es aussieht, schreckt man auch hier im Oberwallis vor rein gar nichts zurück, Geld zu machen. Wie vielerorts geht man nun auch hier über Leichen. Ein Wunder dass nicht unter den beiden Streifen noch der Zusatz "mit Koks chasch sus besser und lenger" steht.
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