Herdenschutz | Herdenschutzhund fügt Frau mit Kind am Arm Hämatome am Wadenbein zu
«Wer garantiert, dass Schutzhunde nicht Kinder angreifen?»
Am Sonntag ist es in Ergisch zu einem Zwischenfall mit einem Herdenschutzhund gekommen, bei dem eine Frau mit einem Kleinkind verletzt wurde. Das kantonale Veterinäramt prüft derzeit, ob und welche Massnahmen für den Hund angeordnet werden.
Der Vorfall ereignete sich am Sonntagmorgen bei Obermatten oberhalb von Ergisch. Eine Frau spazierte dort in der Nähe ihres Chalets mit ihrem 4-jährigen Sohn einer öffentlichen Strasse entlang. «Auf der Höhe einer eingezäunten Schafherde trottete plötzlich ein Herdenschutzhund auf meine Frau und mein Kind zu. Er zeigte aggressives Verhalten», schildert Stefan Berclaz die ungemütliche Situation, in der sich seine Ehegattin und sein Sohn urplötzlich befanden.
«Aus Angst nahm sie das Kind am Arm, wendete sich vom Hund ab und wollte die Strasse zurücklaufen. In diesem Moment schnappte der Hund von hinten ins Wadenbein meiner Frau.» Nach dem Vorfall liess sie den Angriff bei einem Arzt registrieren. Aufgrund der Hämatome wurde ihr dort eine Tetanusspritze verabreicht.
«Vorfälle dürfen sich nicht wiederholen»
Berclaz will den Vorfall nicht einfach so auf sich beruhen lassen. «Als pflichtbewusster Vater von zwei Kleinkindern verlange ich, dass der Kanton nun Massnahmen ergreift, damit sich Vorfälle dieser Art nicht mehr wiederholen können. Es geht nicht an, dass die mächtigen und furchteinflössenden Hunde ohne Aufsicht auf öffentlichen Strassen oder Wanderwegen herumlaufen. Denn wer kann garantieren, dass die Hunde nicht eines Tages ein Kind angreifen?», sagt Berclaz. Gleichzeitig bemängelt er die fehlende Beschilderung, die auf die Anwesenheit von Herdenschutzhunden am Ort des Vorfalls hinweist.
Schäfer Ewald Guntern, der Besitzer der Hunde, hat sich bei der Familie noch gleichentags für den Zwischenfall entschuldigt und will für allfällige Arztkosten aufkommen. Die Behauptung, auf die Anwesenheit von Schutzhunden werde nicht mit Plakaten hingewiesen, lasse er aber nicht gelten. «Dass ein Hund bellt, wenn Passanten an der Schafherde vorbeigehen, ist nicht zu verhindern. Auch nicht, dass ein Hund das eine oder andere Mal übers Gitter springt, um Passanten zu ‹begrüssen›. Bislang aber hat sich keiner meiner beiden Hunde gegenüber Menschen aggressiv verhalten.»
Hunde wurden durch Agridea geprüft
Guntern verweist in diesem Zusammenhang auf die Tatsache, dass er die Vierbeiner über die Fachstelle Herdenschutzhunde Agridea des Bundes erhalten habe. «Bevor sie im Frühjahr 2017 für meinen Betrieb freigegeben wurden, mussten sie erst eine Einsatzbereitschaftsprüfung ablegen.» Unter anderem erbrachten sie in einer videoüberwachten 24-Stunden-Prüfung den Beweis, dass sie sich nicht von den Schafen entfernen. Im Anschluss wurden sie auf erhöhtes Aggressionspotenzial gegenüber Menschen geprüft. Dort wurden keine Auffälligkeiten festgestellt, wie ein Herdenschutzfachmann in Diensten der Agridea dem «Walliser Boten» bestätigt.
Guntern, der bis zur Anschaffung der beiden Hunde im Frühling 2017 im Laufe der Jahre weit über 100 Schafe an den Wolf verloren hat, hat sich die Bewacher seiner Nutztiere letztlich auch angeschafft, «weil in der Region Ergisch Schafhaltung ohne Herdenschutz kaum noch zu betrei-ben ist. Durch die zahlreichen Risse in meinen Schafgruppen ist aber auch der Druck auf mich, Herdenschutzhunde
auf den Betrieb zu holen, stetig gewachsen.»
«Erste Sofortmassnahmen eingeleitet»
Beim Veterinäramt des Kantons Wallis ist das Vorkommnis in Ergisch bekannt. «Wir wurden über diesen Vorfall in Kenntnis gesetzt und haben den Hundehalter darüber informiert, ihm sein ‹Recht auf Gehör› erteilt und die ersten Sofortmassnahmen eingeleitet, so wie das vom Gesetz vorgesehen ist», erklärt Denise Affolter, Verantwortliche für Hundeangelegenheiten beim kantonalen Veterinäramt. «Zum jetzigen Zeitpunkt ist unser Amt jedoch noch nicht im Besitz sämtlicher Informationen und Angaben.» In Zusammenarbeit mit weiteren Behörden arbeite man daran, sich eine ganzheitliche Übersicht über diesen Vorfall zu verschaffen. «Im Anschluss werden dann weitere Massnahmen definiert und ergriffen.»
Durchschnittlich kam es im Wallis in den letzten Jahren
zu fünf Zwischenfällen jährlich zwischen Menschen und Schutzhunden, meist lagen sie im «Bagatellbereich» wie Kratzer, Hämatome und kleine Bisswunden. Auch wenn solche Zwischenfälle bei den Betroffenen körperlich wie mental nachhaltige Schäden bis hin zu Traumata hinterlassen, werden Beissunfälle im Rahmen des «Konzepts Herdenschutz» des Bundes bis zu einem gewissen Rahmen in Kauf genommen, da der Schutz vor Wölfen am besten mit Herdenschutzhunden gewährleistet werden kann. Gleichwohl aber untersucht der Kanton jeden einzelnen Vorfall und ordnet wo nötig Massnahmen an.
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Kommentare
Wilma Zahn, Ilbesheim - ↑90↓20
In Ländern mit Herdenschutzhunde-Tradition gibt es keine Qutdoor-Freizeitkultur wie bei uns. Niemand geht dort mit einem Kleinkind an der Hand oder einem Hund an der Leine spazieren. Man kennt die Gefahren, die von diesen Hunden ausgehen. Gäbe es die Hunde nicht, so wäre die Gefahr durch Wölfe allerdings noch größer.
Man hat den Hirten hier die Wölfe aufgezwungen, nun beklagt man sich über die dadurch notwendig gewordenen Herdenschutzhunde. Kein Schäfer füttert freiwillig ein Dutzend dieser Kolosse durch.
Entfernt die Wölfe, dann erledigt sich das Problem mit den Hunden von alleine.
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Doni Seiler, Seckach - ↑49↓15
Der Vorfall ist bedauerlich. Die Frau hat instinktiv mit Weglaufen reagiert, was bei vielen Hunden ein solches Verfolgen und evtl Schnappen erst auslöst.
Ich vermute, bei einer Begegnung mit einem Wolf würde sie auch weglaufen. Das würde aber kaum so glimpflich ausgehen.
Allerdings sollten Schutzhunde die Einzäunung wirklich nicht verlassen.
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Arthur Heinzmann, Visp - ↑46↓32
Jeder vernünftige, logisch denkende Hundehalter weiß, dass er seinen Hund nie unbeaufsichtigt lassen sollte. Anscheinend wissen das die fachkompetenten "Herrchen" bei der AGRIDEA nicht.
Darf man denn nur noch bewaffnet in die Natur?
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