FC Sitten | Christian Zock und die lange Leidenszeit
Zweifel und Vertrauen

Er ist wieder zurück. Christian Zock trifft im Training, eine lange Leidenszeit ist zu Ende. Foto wb
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Elf Monate lang spielte er nicht mehr für den FC Sitten. Jetzt ist Christian Zock wieder da, die Leidenszeit nach seiner schweren Knieverletzung ist vorbei. Es war eine lange Phase zwischen Zweifel und Vertrauen.
Hans-Peter Berchtold
Muskelbepackt und 1,90 m gross, der 24-Jährige ist eine imposante Erscheinung. Von seiner physischen Stärke hat er schon immer profitiert, gepaart mit einer ausgefeilten Technik. Den Talentspähern in seiner kamerunischen Heimat in Yaoundé fiel er früh auf, Zock durchlief hier sämtliche Nachwuchs-Stationen und stand in den verschiedenen nationalen Junioren-
Auswahlen.
«Jeder Afrikaner will eines Tages in Europa spielen», doch sein Wegzug verzögerte sich. Nach Tests scheiterte ein Engagement in Belgien am nötigen Visum, dann legte ihm sein Berater einen anderen Vorschlag auf den Tisch: Schweiz, zweite Liga, FC Schaffhausen. Mit 22 Jahren klappte der Sprung nach Europa, in der Challenge League setzte er sich sofort durch. Als sein Verein in der Tabelle abrutschte, wurde Murat Yakin als neuer Trainer verpflichtet. 16 Spiele absolvierte Zock unter ihm in Schaffhausen. «Yakin schätzte damals schon mein physisches Spiel und setzte auf mich.» Deshalb passte es Zock, als der als neu-
er FC-Sitten-Coach engagiert wurde. Zu dem Zeitpunkt hatte der Kameruner indes andere Sorgen. Zock befand sich noch in der Aufbauphase, er hatte die schwierigste Zeit seiner bisherigen Karriere eben erst überwunden.
«Mental war
die Verletzung schwierig zu
verkraften»
Den 26. November 2017 vergisst er nie mehr. Im Heimspiel gegen GC, Maurizio Jacobacci stand an der Linie, spürte er bereits zur Pause Schmerzen im Knie. Er spielte trotzdem zu Ende, am Tag danach gab es eine Untersuchung. Die Diagnose war niederschmetternd: schwerer Knorpelschaden, so was hätte vor zehn Jahren noch das Karriereende bedeuten können.
Viele Abklärungen, alle Optionen durchgegangen, liess sich Zock zwei Monate später im österreichischen Feldkirch operieren. Eine komplizierte Knorpelzelltransplantation in zwei Eingriffen mit der Aussicht, ein Jahr lang im Abseits zu stehen. Dabei wurden in einem ersten Schritt Knorpelzellen von einem wenig belasteten Bereich im Knie entnommen, im Labor künstlich vermehrt und sechs Wochen später in die verletzte Stelle eingepflanzt.
«Mental war das für mich vorerst schwer zu verkraften, es gab Zweifel», blickt er zurück. Er hatte Glück im Unglück. Einer wie Anton Mitrjuschkin, der ebenso einen Knorpelschaden operieren lassen musste, fällt mittlerweile nach Komplikationen insgesamt anderthalb Jahre aus.
Starke Konkurrenz
Guy Christian Zock À Bep, wie er mit vollem Namen heisst, stand genau elf Monate nach dem Zwischenfall wieder auf dem Platz, als er am 27. Oktober gegen YB für die letzten sechs Minuten eingewechselt wurde. «Das Vertrauen der Leute hier mit Trainer Murat Yakin hat mir enorm geholfen.»
Gegen Thun spielte er im defensiven Mittelfeld neben Kouassi, Neitzke wäre hier die erwartete Variante gewesen. Die interne Konkurrenz auf dieser Position ist gross, Zock fürchtet sich nicht davor. Viele Möglichkeiten würden die Mannschaft besser machen. Sein bestes Spiel im Dress des FC Sitten machte er ausgerechnet am fatalen Novembertag 2017 beim 3:0 gegen GC, als ihn Jacobacci damals in die Zentrumsabwehr beorderte. «So was ist ungewohnt für mich», blickt er zurück, «ich habe bisher immer im Mittelfeld-Zentrum agiert.»
Als Nationalspieler
Zum FC Sitten ist er gekommen in der Hoffnung, in der höchsten Schweizer Liga seine Karriere in Europa endgültig zu lancieren. Jetzt will er das mit Verzögerung durch die lange Absenz wieder in Angriff nehmen. Für die Nationalmannschaft von Kamerun wurde Zock bisher für vier Testspiele aufgeboten, zuletzt hat er nichts mehr von den Verbandsverantwortlichen gehört.
Ein zweikampfstarker Defensivspieler, ruhig am Ball, mit einem sicheren Pass, Zock könnte für den FC Sitten doch noch zu einem wichtigen Spieler werden. Sein Vertrag hier läuft bis im Sommer 2020, Gedanken über seine Zukunft macht er sich keine. «Wer so lange gefehlt hat wie ich, der ist froh, überhaupt wieder spielen zu können.»
Das Training geht zu Ende, die Kälte wird empfindlich. Noch zwei Wochen, dann gehts für ihn zum Jahresende zurück in die wärmere Heimat. Nach Yaoundé, wo seine Eltern und seine fünf Geschwister leben.
Den wahren Zock, den wird man nach der nötigen Anlaufzeit wohl erst in der Rückrunde erleben.
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