Coronavirus | Daniel Koch: «Unwahrscheinlich, dass wir in der Schweiz keine Todesfälle haben werden»
Zahl der Coronavirus-Infizierten in der Schweiz steigt rasant
Die Zahl der bestätigten Coronavirus-Fälle steigt rasant und nähert sich nach Angaben des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) inzwischen der 100er-Marke. Einige Kantone meldeten am Mittwoch weitere Fälle von Infizierten.
Das Referenzlabor in Genf hat in 58 Fällen Ansteckungen mit dem neuen Coronavirus bestätigt, wie das BAG am Abend mitteilte. Am frühen Nachmittag war noch von 54 bestätigten Fällen die Rede gewesen.
39 weitere waren von einem ersten Labor positiv getestet worden, wie Daniel Koch, Leiter der Abteilung übertragbare Krankheiten im BAG, am Mittwochnachmittag vor den Medien in Bern erklärte. Weitere rund 200 Verdachtsfälle seien in Abklärung. Bisher seien 2675 Menschen mit Verdacht auf das neue Coronavirus negativ getestet worden.
Es gebe keinen Grund zur Panik, doch die Lage sei ernst und werde immer ernster, betonte Koch. Besonders gefährlich sei das Coronavirus für ältere Menschen. Laut Koch steigt die Mortalität ab 65 Jahren rasch an.
Todesfälle unvermeidlich
In der Schweiz seien aktuell vor allem 20- bis 40-Jährige betroffen. Das seien jene Personengruppen, die reisten und viele soziale Kontakte hätten, erklärte Koch. Deshalb gebe es in der Schweiz noch kaum schwere Fälle. Laut Koch ist es aber "unwahrscheinlich, dass wir in der Schweiz keine Todesfälle haben werden".
Aktuell werden die Erkrankten in Spitälern isoliert. Laut Koch kann dieses Regime nicht unbegrenzt aufrechterhalten werden. Deshalb sei es wichtig, mit den vorhandenen Ressourcen haushälterisch umzugehen.
Vorerst gebe es noch ausreichend Tests. Die Kapazität liegt derzeit bei rund 1000 Tests pro Tag. Für Koch ist es absehbar, dass nicht mehr alle Verdachtsfälle getestet werden können.
Weitere Fälle in der ganzen Schweiz
Am Mittwoch wurden weitere Fälle von Infizierten von kantonalen Behörden mitgeteilt. So hat sich ein Tessiner Schüler in der Lombardei mit dem Coronavirus infiziert. Die Klassenkameraden sowie die betreffenden Lehrpersonen werden für zwei Wochen in Quarantäne bleiben.
In der Zollstelle Chiasso Strada hat sich eine Person der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) mit dem Coronavirus infiziert. Die Person, die eine Funktion ohne Kundenkontakt bekleidet, sei umgehend unter Quarantäne gestellt worden, teilte das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) mit. Damit stieg die Zahl der Infizierten im Tessin auf 15.
Im Kanton Waadt gibt es fünf weitere Coronavirus-Infektionen. Eine Frau und vier Männer im Alter zwischen 33 und 78 Jahren sind positiv auf das Virus getestet worden. Das Coronavirus sei erstmals auf dem Kantonsgebiet von Mensch zu Mensch übertragen worden, teilten die Behörden mit.
Im Kanton Freiburg sind bis Mittwoch vier Ansteckungen mit dem Coronavirus verzeichnet worden. In drei Fällen verläuft die Erkrankung günstig, eine vierte Person wurde im Freiburger Spital HFR hospitalisiert.
Schullager abgesagt
Der Kanton Neuenburg beschloss, ab dem kommenden Montag bis zum 30. April alle Studienreisen und Skilager abzusagen. Zudem sprach der Staatsrat ein bis zum 15. März geltendes Verbot für Anlässe mit mehr als 500 Personen in geschlossenen Räumen aus.
Der Kanton Schwyz meldete drei Infektionen, darunter auch einen Arzt der Seeklinik Brunnen. Die Infektionen im Kanton Schwyz sind nach Angaben des kantonalen Departements des Innern vom Referenzlabor in Genf bestätigt. Im Kanton St. Gallen wurde das Virus bei einer jungen Frau nachgewiesen. Sie ist der erste Fall im Kanton.
Eine siebte Person ist im Kanton Aargau am Coronavirus erkrankt. Sie habe sich im Umfeld eines bereits erkrankten Patienten angesteckt, sagte die Aargauer Kantonsärztin Yvonne Hummel. Im Kanton Zürich gab es einen zehnten Fall: Eine infizierte Person liege im Kantonsspital Winterthur, teilte das Spital mit.
Erster Fall in Liechtenstein
Auch das Fürstentum Liechtenstein meldete am Mittwoch seinen ersten Fall: Für eine im Landesspital isolierte Person sei der erste positive Befund durch ein Zweitlabor bestätigt worden. 15 weitere Verdachtsfälle hätten sich als negativ herausgestellt, teilte das Ministerium für Gesellschaft mit.
Im Kanton Bern wurden bei zwei weiteren Personen wahrscheinliche Corona-Ansteckungen festgestellt. Beide hatten sich zuvor im Raum Mulhouse aufgehalten. In mehreren Spitälern werden Quarantänemassnahmen für das Personal geprüft oder angeordnet. In Quarantäne gesetzt wurden einzelne Gesundheitsfachpersonen in den Spitälern von Biel und St-Imier sowie in der Bieler Klinik Linde.
MEM rechnet mit Konsequenzen
Das Coronavirus wirft seine Schatten auch die Lage von Branchen und Unternehmen. Die Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) rechnet mit spürbaren Folgen der Epidemie im ersten Halbjahr. Der Verband rechnet damit, dass die Situation im Sommer ausgestanden sein wird und es daher zu keinem Stellenabbau kommen werde.
Sollten sich die Verdachts- und Krankheitsfälle in Europa weiter ausbreiten, könnte es aber zu Lieferengpässen oder temporären Schliessungen bei Lieferanten kommen. Kurzarbeit sei für diese Situation sehr geeignet, sagte Swissmem-Präsident Hans Hess an der Jahresmedienkonferenz.
Der Messen- und Eventverband Expo Event rechnet aufgrund einer Umfrage bei seinen Mitgliedern für die Branche mit einem Schaden von über 150 Millionen Franken durch das Grossveranstaltungsverbot des Bundesrates. Durch Absagen von Ausstellern sowie Absagen oder Verschiebungen durch Veranstalter fänden derzeit 80 Prozent der geplanten Veranstaltungen nicht statt.
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