Schweiz-EU | Regierungen müssen Prioritäten neu setzen und ihre Agenden umschreiben
Wie die Corona-Krise das Verhältnis Schweiz-EU verbessern könnte
Mit dem Entzug der Börsenäquivalenz im Juni 2019 wollte die EU auf die Schweiz Druck beim Rahmenabkommen ausüben. Das führte jedoch zu einer Verhärtung der Beziehung. Möglicherweise könnte die Corona-Krise nun dazu beitragen, das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU wieder zu verbessern.
Die Corona-Krise hat weltweit die politischen Agenden auf den Kopf gestellt. Auch nach der Krise wird nichts mehr so sein wie vorher, denn es droht eine weltweite Rezession. Regierungen müssen daher Prioritäten neu setzen und ihre Agenden umschreiben.
Das könnte eine Chance für die EU und die Schweiz bieten, ihre seit einigen Monaten zerrüttete Beziehung wieder etwas zu normalisieren. Denn aktuell ist die EU quasi dazu verdammt, die eingeschlagene harte Haltung gegenüber der Schweiz weiter einzunehmen. Würde sie diese ohne triftigen Grund abmildern, verlöre sie ihr Gesicht.
Grund für das schlechte Verhältnis ist das institutionelle Rahmenabkommen. Die EU wirft der Schweiz vor, einen Abschluss des Abkommens zu verzögern.
Um Druck aufzubauen, knüpfte Brüssel daher Fortschritte beim Rahmenabkommen an die Vergabe der Börsenäquivalenz. Ausserdem kündigte die EU an, nur noch bilaterale Abkommen zu aktualisieren, von denen sie und ihr Mitgliedstaaten auch selber profitieren.
Wurde zum Rohrkrepierer
Architekt dieser Idee - die Verknüpfung sachfremder Dossiers - war Martin Selmayr, damaliger Kabinettschef von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Doch wer droht, muss im Ernstfall seine Drohung auch wahrmachen, sonst untergräbt er seine Glaubwürdigkeit.
So kam es, dass im Juni 2019 die EU zu wenig Fortschritt beim Rahmenabkommen feststellte und der Schweizer Börse die Äquivalenzanerkennung verweigerte.
Was als Druckmittel hätte Wirkung entfalten sollen, wurde zum Rohrkrepierer. Die darauf hin von Bundesrat Ueli Maurer eingeführte Bewilligungspflicht für ausländische Handelsplätze zur Abfederung der Folgen liessen die Massnahmen der EU ins Leere laufen.
Doch auch die Schweiz hatte zum selmayrischen Kniff gegriffen und eine neue Kohäsionsmilliarde an die Vergabe der Börsenäquivalenz gebunden. Auch sie hat sich damit in ein politisches Korsett gezwängt, das eine Lösung im Kompromiss erschwert.
MRA böte erste Möglichkeit
Nun sind beide Seiten in einer Negativspirale gefangen. Bis anhin rechneten viele damit, dass diese Spirale am 26. Mai weiter drehen wird. Dann nämlich tritt eine für die Medizinaltechnik-Industrie wichtige neue EU-Regelung in Kraft. Entsprechend müsste dazu auch das bilaterale Abkommen über technische Handelshemmnisse (MRA) angepasst werden. Die EU aber verweigert dies bis jetzt.
Ausgerechnet die Corona-Krise könnte nun einen Ausweg bieten. Die Differenzen beim Rahmenabkommen würden zwar nicht verschwinden, doch die Negativspirale könnte gestoppt und das Verhältnis langsam wieder etwas normalisiert werden. So könnten Bern und Brüssel mit dem Argument, die wirtschaftlich negativen Folgen der Corona-Pandemie abzufedern, ihre harte Haltung sukzessive aufzugeben.
Die erste Möglichkeit dazu gibt es bereit - und zwar beim MRA. Denn der deutsche Medtech-Verband BVMed fordert ein Moratorium für die Inkraftsetzung der neuen EU-Regelung, denn er befürchtet Engpässen in der Patientenversorgung. Würde Brüssel tatsächlich die Inkraftsetzung verschieben und gleichzeitig gegenüber der Schweiz dies clever kommunizieren, könnte dies der Auftakt für eine Deeskalation sein, von der am Schluss beide profitieren.
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