Ostern | Dafür habe sich der kantonsinterne Verkehr in den letzten zehn Tagen verdoppelt
Tessin: 90 Prozent weniger Verkehr auf der A2
Deutlich weniger Verkehr aus dem Norden, dafür wieder mehr Tessiner auf den Strassen: So lautet das bisherige Fazit des kantonalen Führungsstabs. Auch der Grenzverkehr habe sich im Vergleich zum Vorjahr massiv verringert.
Sich möglichst wenig bewegen - so laute das Motto dieses Osterwochenendes, sagte der Tessiner Stabschef Matteo Cocchi an der Medienkonferenz am Freitagnachmittag.
Auch in den nächsten Tagen würden zahlreiche Kontrollen durchgeführt, und zwar sowohl in den klassischen Touristenregionen als auch in den Randgebieten des Kantons. Bei letzteren arbeite man eng mit dem Kanton Graubünden zusammen.
Kontrolliert würden Wanderer, Velo- und Motorradfahrer. Bei Versammlungen von mehr als 5 Personen könnten Bussen von 100 Franken vergeben werden, hielt der stellvertretende Chef der Kantonspolizei Lorenzo Hutter fest.
Der Krisenstab wolle nicht nur Versammlungen grosser Gruppen, sondern auch das Ausüben von Risikosportarten verhindern, fuhr Matteo Cocchi fort. In den letzten Tagen sei es zu einigen Unfällen gekommen. Diese würden das Gesundheitssystem zusätzlich belasten. Man behalte sich vor, Bussen zu verteilen.
«Erfolgreiche Sensibilisierungskampagne»
Der Osterverkehr falle bisher deutlich geringer aus als im Vorjahr, resümierte Lorenzo Hutter. Auf der A2 habe es 90 Prozent weniger Verkehr. In den Grenzregionen sei der Verkehr um 80 Prozent geringer als im Vorjahr.
Dafür habe sich der kantonsinterne Verkehr in den letzten zehn Tagen verdoppelt. Das müsse sich nächste Woche wieder ändern, sagte Stabschef Matteo Cocchi. Es werde nach wie vor dazu aufgerufen, sich vor allem im eigenen Quartier zu bewegen.
Es existiere zwar keine Statistik zur Herkunft der Reisenden von jenseits des Gotthards, doch zeigten Kontrollen, dass der Grossteil von ihnen Zweitwohnungsbesitzer seien, die schon länger im Tessin weilten. Zudem gebe es einige Tessiner, die in der Romandie wohnten und für die Ostertage zurückgekehrt seien, erklärte Hutter weiter.
Insgesamt hielten sich aber weniger Zweiwohnungsbesitzer im Tessin auf, ergänzte Stabschef Matteo Cocchi. Die Zweitwohnungsbesitzer waren dazu aufgerufen worden, sich bei den entsprechenden Gemeinden zu melden. Cocchi schliesst aus der vorläufigen Bilanz, dass die Sensibilisierungskampagne nördlich des Gotthards erfolgreich gewesen ist. Ein Bewegungsverbot existiere nicht. Wer im Tessin eine Wohnung besitze, dürfe diese aufsuchen.
Mehr Streit unter Nachbarn
Auf dem ganzen Kantonsgebiet seien bisher 8000 Kontrollen durchgeführt worden, hielt Hutter fest. 180 Bussen seien verteilt worden. Auch 506 Unternehmen seien auf das Einhalten der Massnahmen hin überprüft und 27 von ihnen geschlossen worden.
Entgegen der Erwartungen lägen der Polizei keine Zunahme von häuslicher Gewalt vor. Dafür würden Nachbarschaftsstreitereien zunehmen, hielt Hutter fest. Wie stark die Zunahme solcher Konflikte sei, könne er noch nicht sagen - dafür sei es noch zu früh.
Paolo Bianchi, Direktor der Abteilung öffentliche Gesundheit, informierte über den Zustand des an Covid-19 erkrankten Kantonsarztes Giorgio Merlani. Diesem gehe es gut, er sei von zu Hause aus voll im Einsatz.
Von 53 auf 130 Plätze
Das Gesundheitssystem des Südkantons sei gut vorbereitet gewesen auf die Coronapandemie, resümierte Bianchi. Am 30. März seien 340 Spitalbetten im Tessin belegt gewesen. In dieser Phase seien täglich 50 neue Patienten eingeliefert worden. Auf dem Höhepunkt der Pandemie waren 76 Plätze auf Intensivstationen belegt.
Vor der Pandemie habe das Tessin über 53 Plätze auf Intensivstationen verfügt, erklärte Bianchi weiter. Heute seien es deren 130. Das Tessiner Gesundheitssystem sei zwar gefordert gewesen - man hätte aber auch noch mehr Patienten aufnehmen können, hielt der Leiter der Abteilung öffentliche Gesundheit fest.
Heute befänden sich noch 229 Patienten in den Tessiner Spitälern. 100 Plätze seien derzeit frei, da viele Personen entlassen werden könnten. Trotzdem zähle das Tessin nach wie vor zu viele Todesfälle durch von Covid-19, resümierte Bianchi.
Nächste Woche werde seine Abteilung eruieren, wie man die Covid-19-Abteilungen redimensionieren könne - mit der Möglichkeit, diese wieder aufzustocken. "Wir benötigen nun aber auch wieder Platz für Patienten, die an anderen Krankheiten leiden", erklärte Bianchi.
Mindestens tausend Menschen in der Schweiz an Covid-19 gestorben
In der Schweiz sind mittlerweile mindestens tausend Menschen an der vom Coronavirus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19 gestorben. Dies hat die Zählung der Nachrichtenagentur Keystone-SDA am Karfreitag ergeben. Sie stützt sich auf offizielle Angaben der Kantone.
Konkret sind es 1001 Todesfälle, welche die Kantone bis am Freitag kurz nach 17 Uhr gemeldet hatten. Dies zeigen die auf den Internetseiten der Kantone vorliegenden Daten, welche Keystone-SDA regelmässig zusammenträgt.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) gab die Zahl der Todesopfer am Freitagmittag mit 805 an. Es bezieht sich dabei auf die Meldungen, die die Laboratorien sowie Ärztinnen und Ärzte im Rahmen der Meldepflicht bisher übermittelten.
Nach Angaben der Johns Hopkins-Universität in der US-Stadt Baltimore sterben in der Schweiz 3,9 Prozent der Corona-Patienten an der Lungenkrankheit Covid-19. Das sind 11 Todesfälle pro 100'000 Einwohner. Zum Vergleich: In Italien sind bisher 12,7 Prozent der Corona-Infizierten gestorben, das sind 30 Todesfälle pro 100'000 Einwohner. In Spanien starben bisher 10 Prozent der Erkrankten (33 Tote pro 100'000 Einwohner).
Eine gute Chance zu überleben haben Corona-Patienten in Deutschland und Österreich. In beiden Ländern sterben "nur" 2,2 Prozent der Patienten (3 Tote pro 100'000 Einwohner). In den USA, mit bisher mehr als 461'000 Corona-Infizierten und 16'500 Todesfällen, beträgt die Sterberate 3,6 Prozent. Das entspricht 5 Toten pro 100'000 Einwohner.
Mehr als 730 Neuansteckungen
Auch die Zahl der neuen Covid-19-Fälle in der Schweiz nahm weiter zu. Aktueller Stand sind nach Angaben des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) 24'308 laborbestätigte Fälle, 734 mehr als am Vortag.
Betroffen sind alle Kantone der Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein. Die Inzidenzen belaufen sich auf 283 Fälle pro 100'000 Einwohner, eine der höchsten in Europa. Die Hochrechnung basiert auf Informationen von Laboratorien, Ärztinnen und Ärzten.
Bisher seien über 184'750 Personen auf das Coroanvirus getestet worden und bei 15 Prozent sei der Test positiv ausgefallen, heisst es im neusten Situationsbericht des BAG.
Behördenaufruf respektiert
Zu Beginn des Osterwochenendes gab es für einmal freie Fahrt Richtung Süden. Am Karfreitag war vor dem Gotthard-Nordportal laut Viasuisse kein Stau zu verzeichnen. "Die Menschen respektieren offenbar den Aufruf der Behörden, nicht in das von der Corona-Pandemie besonders betroffene Tessin zu fahren", sagte eine Sprecherin von Viasuisse auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Bereits am Donnerstag habe es am Gotthard keine Staus gegeben.
Laut der Kantonspolizei Uri lag das Verkehrsaufkommen Richtung Süden am Karfreitag bei bei weniger als 10 Prozent im Vergleich zu anderen Jahren. So waren noch rund 1800 Fahrzeuge in Richtung Süden unterwegs. Zu Spitzenzeiten waren es in anderen Jahren um Ostern etwa 17'000.
Nach Angaben der Polizei in verschiedenen Kantonen hat die Bevölkerung zu Beginn des Osterwochenendes die Bestimmungen zur Eindämmung des Coronavirus meist respektiert. Dazu zählen das Abstandhalten von zwei Metern und Gruppen von maximal fünf Personen.
Daheimgebliebene bei Laune halten
Um die Zuhausegebliebenen über Ostern bei Laune zu halten, veröffentlichte das Bundesamt für Gesundheit ein Online-Osterhasen-Spiel. Der Wettbewerb läuft bis am Montagabend vor Mitternacht. Den Gewinner erwartet ein Geschenk im Wert von 500 Franken.
Unterdessen ging die nach Angaben des Aussendepartements EDA grösste Rückholaktion für Schweizer Reisende aus dem Ausland weiter: Am Karfreitag landeten je eine Maschine aus Indien sowie aus Costa Rica und Guatemala in Zürich, mit zusammen rund 500 Personen an Bord.
Mit Maske beim Coiffeur
Auch die vom Bundesrat angekündigte baldige Lockerung der Massnahmen gegen das Coronavirus ist immer mehr ein Thema. Coiffeure wollen unter den ersten sein, die dann wieder arbeiten dürfen. Ihr Branchenverband hat dafür ein Zwei-Phasen-Konzept erstellt, das unter anderem auf Masken setzt.
In der ersten Phase sollen die Coiffeure ihre Geschäfte teilweise öffnen können, wie Damien Ojetti, Zentralpräsident von Coiffure Suisse, auf der Webseite des Verbandes schreibt. Die Salons sollen zunächst - wegen des Sicherheitsabstandes - auf maximal die Hälfte ihrer Plätze bedienen, mit einem Teil der Belegschaft und höchstens einem Lernenden. Coiffeure und Kunden müssen zudem Schutzmasken tragen.
Weiter setzt das Konzept auf Einweghandschuhe für die Coiffeure, Einweg-Schutzumhänge für die Kundschaft und Desinfektion. Für Arbeiten im Gesicht - etwa Bartpflege, Rasur oder Kosmetik - sowie für Maniküre muss eine Plexiglasvisiermaske getragen werden.
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