Bildung | "Die Schweiz braucht Leute wie mich nicht wirklich"
Schweizer Philantrop bildet im Kosovo junge Talente aus
Seit dem Ende des Krieges 1999 sind fast 35'000 Kosovaren aus der Schweiz in ihre Heimat zurückgekehrt. Einer von ihnen ist Vllaznim Xhiha, aufgewachsen in Zürich und im Tessin reich geworden. Im Kosovo widmet er sich nun der Förderung von jungen Talenten.
Bonevet ("Mach es selbst" oder "Do it yourself") heisst die Stiftung, die Xhiha im Jahr 2014 in der kosovarischen Kleinstadt Gjakova ins Leben rief. Deren Ziel ist es unter anderem, Kindern und Jugendlichen eine technische Ausbildung in Programmieren, Elektronik und Mechanik zu bieten.
Leider habe das Bildungssystem im Kosovo in diesem Bereich Schwachstellen, sagt der Philantrop im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA in Pristina. "Wir glauben, dass es sehr wichtig ist, den Kindern die Möglichkeit zu geben, die modernen Techniken zu erlernen und einzusetzen". Damit würden sie auf den Arbeitsmarkt von morgen vorbereitet.
Kreative Umgebung schaffen
Doch daneben gehe es auch darum, den jungen Menschen eine Umgebung zu bieten, in der sie ihre eigenen Talente und Interessen entdecken und weiterentwickeln könnten. Dazu gehörten neben dem Programmieren von Robotern auch das Erfinden von eigenen Spielen, das Lösen von Rätseln sowie das Lesen von Büchern und das Lernen von Sprachen.
Ausserdem könnten die Kinder durch die Zusammenarbeit mit anderen die Kinder ihre Fähigkeiten in Kommunikation und kritischem Denken verbessern. Das alles seien "Dinge, die man nicht unbedingt in der Schule lernt", sagt Xhiha. Und in diesem Ambiente fühlten sich die Kinder oft freier, um kreativ und erfinderisch zu werden. "Wir fördern so die komplette Entwicklung des Individuums".
Schule und Studium in der Schweiz
Der 1952 geborene Sohn eines jugoslawischen Diplomaten besuchte selber in der Schweiz die Mittelschule und studierte dann an der ETH Zürich Elektrotechnik. Danach lehrte er am Technologieinstitut in Pristina und half dort beim Aufbau des Wasserversorgungsnetzes der Hauptstadt des Kosovo.
1993 gründete Xhiha zusammen mit einem früheren Arbeitskollegen im Tessin das Unternehmen Newave, das sich auf die Herstellung von Geräten zur unterbrechungsfreien Stromversorgung spezialisierte. Er amtierte zuerst als CEO, später als Verwaltungsratspräsident der Firma. Im Jahr 2011 erwirtschaftete Newave einen Umsatz von 84 Millionen Franken und exportierte in mehr als 60 Länder. Von 2007 bis 2012 war Newave an der Schweizer Börse kotiert.
2012 verkauften Xhiha und sein Partner das Unternehmen mit seinen 200 Angestellten für 170 Millionen Franken in bar an ABB Schweiz. Nach dem Verkauf habe er sich dann entschieden, nach über 25 Jahren zurück in den Kosovo zu ziehen. Denn "die Schweiz braucht Leute wie mich nicht wirklich", sagt der Schweizerisch-Kosovarische Doppelbürger. Im Kosovo hingegen sei der Mangel an Ingenieuren und professionellen Technikern gross.
Bereits vier Zentren
Er habe in der Schweiz viel gelernt und wolle dieses Wissen im Kosovo einsetzen und an die nächsten Generationen weitergeben. In Bonevet würden die Kinder gebildet und ausgebildet. Die Hoffnung sei, dass so Persönlichkeiten heranwachsen, die zu Leadern und Manager von morgen werden könnten. "Das brauche wir im Kosovo", sagt Xhiha.
Bonevet Gjakova war die erste derartige Institution im Land. Am Anfang im Jahr 2015 verzeichnete das Ausbildungszentrum 260 Absolventen, bis 2018 stieg deren Zahl bereits auf 625. Insgesamt haben seit der Gründung über 5000 Studenten und Studentinnen an den verschiedenen Klassen oder Projekten teilgenommen. 2017 entstand ein erster Ableger in der Hauptstadt Pristina, mittlerweile gibt es auch ein Zentrum in Kaçanik und in der albanischen Hauptstadt Tirana.
Daneben investierte der Philantrop Xhiha aber auch in die Wirtschaft des Kosovo: Er war Aktionär und Präsident des Verwaltungsrates von "Rugove", eine Firma für Mineralwasser und Käse. Im Alter von 65 Jahren zog sich der Philantrop aber von allen operativen Aktivitäten zurück und widmet sich seither nur noch der Stiftung Bonevet.
Grosse Exil-Gemeinde
Der Krieg um die damalige serbische Provinz Kosovo forderte rund 12'000 Todesopfer und trieb 850'000 Menschen in die Flucht. Nach Angaben des Staatssekretariats für Migration (SEM) stellten in den letzten beiden Kriegsjahren 1998 und 1999 über 30'000 Personen aus dem Kosovo ein Asylgesuch in der Schweiz.
Aber bereits ein Jahr nach dem Kriegsende vom 10. Juni 1999 verliessen rund 20'000 dieser Gesuchsteller die Schweiz wieder. Seither kehrten rund 25'000 Menschen freiwillig in den Kosovo zurück, rund 10'000 wurden zurückgeführt. Weiterhin befindet sich in der Schweiz nach Deutschland die weltweit zweitgrösste kosovarische Exil-Gemeinde mit 150'000 bis 170'000 Angehörigen.
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