Personalie | SBB-Chef Meyer tritt Ende 2020 zurück
Der oberste Bähnler ist stets Manager geblieben
Andreas Meyer, CEO der SBB, hat am Mittwoch in Bern seinen Rücktritt per Ende 2020 verkündet. Er war seit 2007 Konzernchef.
SBB-Chef Andreas Meyer hat am Mittwoch seinen Rücktritt in einer Zeit angekündigt, in der er nach dem tödlichen Unfall eines Zugbegleiters öffentlich in die Kritik geraten war. Obwohl selbst in einer Bähnlerfamilie aufgewachsen, tat sich der Manager im Gegensatz zu seinem Vorgänger schwer, den Draht zum einfachen Bahnarbeiter zu finden.
Überraschend wurde im Juni 2006 der damals 45-jährige Jurist und Manager Andreas Meyer vom SBB-Verwaltungsrat an die Spitze der SBB befördert. Der Favorit, SBB-Manager Paul Blumenthal, hatte das Nachsehen. Auf dem Chefsessel des grössten Verkehrsunternehmens der Schweiz mit aktuell rund 32'300 Mitarbeitenden nahm Meyer zum Jahresbeginn 2007 Platz.
Der Baselbieter Meyer trat die Nachfolge des populären Benedikt Weibel an, der 13 Jahre an der Spitze der SBB gestanden war. Meyer konnte auf eine fast zehnjährige Tätigkeit bei der Deutschen Bahn (DB) zurückblicken. Von Haus aus Jurist, hatte sich Meyer aber auch als Krisenmanager beim deutschen Anlagenbauer Babcock einen Namen gemacht. Dort baute er Mitte der 90er-Jahre tausende von Stellen ab.
Sohn eines Bähnlers
Der heute 58-jährige Meyer wuchs zusammen mit einem Bruder in Birsfelden BL als Sohn eines Eisenbahners auf. Während des Rechtsstudiums an den Universitäten Basel und Freiburg jobbte er als SBB-Wagenreiniger.
Meyer passe mit seinem Auftreten und seinen von Verantwortungsgefühl und Leistungsorientierung geprägten Vorstellungen bestens zur SBB, lobte ihn der damalige SBB-Verwaltungsratspräsident Thierry Lalive d'Epinay. Der neue SBB-Chef besitze eine hohe soziale Kompetenz mit ausgeprägter Führungsfähigkeit und -erfahrung.
Die Lohnfrage
Schon zu Beginn seiner Tätigkeit und bis heute sorgt Meyers Gehalt immer wieder für Unmut in der Öffentlichkeit. Sein Lohn lag gleich zu Beginn seiner Anstellung um 100'000 Franken höher als bei seinem Vorgänger. Meyer erhielt zusätzlich zum Jahreslohn von 700'000 Franken einmalige Leistungen von 450'000 Franken. Die SBB erwarben zudem das deutsche Wohnhaus Meyers zu Gestehungskosten und organisierten den Verkauf, um den Wohnortswechsel des neuen Chefs zu erleichtern und schossen Geld in seine Pensionskasse ein.
Bis heute schwingt der oberste Bähnler der Schweiz mit einer Gesamtentlöhnung von rund einer Million Franken lohnmässig im Vergleich der bundesnahen Unternehmen obenaus.
Der Macher
In die Amtszeit Meyers fielen diverse Abbau- und Umbaumassnahmen bei der kriselnden SBB Cargo. 2008 wurden diese von massiven mehrwöchigen Protesten des Personals in Bellinzona begleitet. Meyer drohte damals auch damit, diese Arbeiten in andere SBB-Werkstätten oder von einer externen Firma in der Schweiz oder im Ausland ausführen zu lassen. Seit 1. Januar 2019 ist SBB Cargo eine eigenständige Konzerngesellschaft, an der sich nun auch private Transportunternehmen beteiligen.
Laut Meyer sollen bis zum Jahr 2023 rund 800 von 2200 Stellen im Güterverkehr abgebaut und 170 von 344 Bedienpunkten auf den Prüfstand gestellt oder geschlossen werden.
Radikal umgebaut wurde von Meyer 2010 die SBB-Chefetage. Die Öffentlichkeitsarbeit und die politische Vernetzung wurden dabei verstärkt. Kurz darauf geriet Meyer wegen seiner Personalpolitik in die Kritik. In den ersten drei Jahren seit seinem Amtsantritt hatten allein sechs Konzernleitungsmitglieder das Unternehmen verlassen.
Die Kosten für die Neubesetzung aller Kaderposten beliefen sich 2009 auf 2,5 Millionen Franken. SBB-Verwaltungsratspräsident Ulrich Gygi nahm Meyer öffentlich in Schutz und bezeichnete ihn als einen, der in seiner Führungsrolle zupackend sei.
Als ein Mensch mit Energie und Tatendrang wird Meyer auch auf der SBB-Homepage bezeichnet. Er versuche stets, das Beste aus einer Situation herauszuholen. Als CEO schaffe er Transparenz und spreche auch negative und unangenehme Themen an. Meyer sei ein nachhaltig denkender und handelnder Unternehmer, dem die Mitarbeitenden und die Umwelt am Herzen lägen. Meyer, der im steuergünstigen Muri bei Bern lebt, ist verheiratet und Vater von drei erwachsenen Kindern.
Nähe und Distanz
Bei seinen gut inszenierten Medienauftritten wirkt Meyer sehr selbstsicher und trotz seines militärischen Tonfalls zuweilen jovial. In Zeiten, in denen die SBB öffentliche Kritik einstecken muss, fallen sein mangelndes Einfühlungsvermögen und der zuweilen ungeschickte Umgang mit Untergebenen auf.
Unverständlich war beispielsweise angesichts der grossen Anteilnahme der Mitarbeitenden und des breiten Medienechos auf den Unfalltod eines Zugbegleiters im August 2019 aufgrund einer defekten Türsteuerung, dass Meyer nicht persönlich an dessen Beerdigung teilnahm. Meyer arbeitete laut eigenen Angaben am Beerdigungstag an dringenden Fragen zur Fernverkehrskonzession und war "in Gedanken beim verstorbenen Kollegen".
Seit dem Umzug des Hauptsitzes nach Bern-Wankdorf verfügt der SBB-Chef, wie die anderen Beschäftigten, über kein Einzelbüro mehr. Seit rund eineinhalb Jahren gilt bei den SBB über alle Hierarchiestufen hinweg zudem das Duzen. Trotzdem schien das Verhältnis zwischen Meyer und den einfachen Bahnangestellten schwieriger als jenes zu seinen Kadermitarbeitenden.
Aktuelle Baustellen
Immer wieder gab und gibt es auch Kritik am knapp bemessenen und teilweise sehr veralteten Rollmaterial der SBB. Die SBB habe es versäumt, rechtzeitig in die erforderliche technische Ausrüstung zu investieren, heisst es etwa. Im Herbst 2009 bestätigte Meyer, dass beim Unterhalt von Fahrleitungen und Schienen Nachholbedarf bestehe. Die Fehler ortete er allerdings in der Vergangenheit.
Meyer scheint rein äusserlich wenig beeindruckt von der aktuellen Missstimmung zwischen der SBB-Teppichetage und der Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV nach dem Unfalltod eines Zugchefs aufgrund einer Türe mit defektem Einklemmschutz und der breiten Kritik der Öffentlichkeit an den Sicherheitsmassnahmen.
"Auch diese anspruchsvolle Situation werde ich mit meinem Team meistern", sagte Meyer noch am 18. August 2019. Das hier sei nicht seine erste Krise. Er sei zwar nicht mehr neu, aber noch frisch, sagte Meyer, der zum Ausgleich gerne Sport treibt.
Pannenzug FV-Dosto
Für Kritik an Meyer sorgten auch die Pannen und Lieferverzögerungen bei den FV-Dosto-Zügen von Bombardier, die er über Jahre hinweg immer wieder mit Optimismus konterte und schön redete. Die 62 bei Bombardier bestellten Züge hätten 2013 geliefert werden sollen. Seit letzten Dezember sind etwa ein Drittel dieser Züge fahrplanmässig in Betrieb.
Mitte Januar 2019 wurden die Pannen rund um den FV-Dosto zum Politikum, als sich die Verkehrskommission des Nationalrats einschaltete und strengere Auflagen bei Beschaffungen forderte. Meyer schob damals die Schuld für die Verspätungen und technischen Probleme dem Lieferanten in die Schuhe.
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