Coronavirus | Koch: Zu früh für Lockerung der Massnahmen
Schweiz weist eine der höchsten Neuansteckungsraten auf
Die Zahl der Coronavirus-Infektionen steigt konstant um rund 1000 Personen pro Tag. Der Höhepunkt sei noch nicht erreicht, sagte Daniel Koch, Delegierter des BAG für Covid-19. Für eine Lockerung der Massnahmen sei es viel zu früh.
Laut Koch müssen inzwischen 435 Patientinnen und Patienten künstlich beatmet werden. Vor den Bundeshausmedien erinnerte er am Samstag daran, dass die Massnahmen zur Bewältigung der Krise darauf abzielten, die Kurve der Ansteckungen flach zu halten. Zugleich gelte es, die Risikogruppen zu schützen. "Das sind die Leute, die unsere Spitäler und das Gesundheitssystem belasten und die um ihr leben fürchten müssen", sagte Koch.
Er wiederholte den Appell, zu Hause zu bleiben und Menschenansammlungen dringend zu meiden. Nur so könne die Ausbreitung eingedämmt werden. Vom flächendeckenden Maskentragen hält Koch nichts. "Wenn das genügen würde, hätten wir es schon längst angeordnet", sagte er.
Einen Mangel an Masken gibt es derzeit nicht. Laut Koch sind in der Schweiz rund 90 Millionen Hygienemasken am Lager sowie mehr als 4 Millionen Spezialmasken, die auch gegen Viren schützen. In Spitälern und Gesundheitseinrichtungen werden bis zu 2 Millionen Masken pro Tag verbraucht.
Unterbesetzte Spitalbetten
Zum Umstand, dass in manchen Regionen der Schweiz die Spitalbetten unterbesetzt sind, sagte Koch: "Glücklicherweise sind nicht alle Betten besetzt." Wie das Tessin gezeigt habe, könne der Ansturm sehr abrupt geschehen.
Koch räumte indes ein, es sei nicht vorhersehbar gewesen, dass die regionalen Unterschiede so auffällig seien. Das BAG habe eine schnellere und gleichmässigere Ausbreitung der Infektionen erwartet. Trotzdem mache das Herumschieben von unterbeschäftigtem Spitalpersonal durch die halbe Schweiz keinen Sinn.
621 Menschen verstorben
Die Zahl der in der Schweiz und Liechtenstein nachgewiesenen Covid-19-Infektionen ist laut Bund innerhalb eines Tages um 975 Fälle auf 20'278 gestiegen. Die Kantone meldeten am Samstag insgesamt 621 Tote - 49 mehr als am Vortag.
Dies ergab die Zählung der Nachrichtenagentur Keystone-SDA, die sich auf die offiziellen Angaben der Kantone stützt. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) gab am Samstag die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung mit 540 an. Es stützt sich auf Angaben der Laboratorien sowie Ärztinnen und Ärzte.
Mittleres Alter 83 Jahre
Bei den Toten waren laut BAG 64 Prozent Männer. Die Altersspanne der verstorbenen Personen betrug 32 bis 101 Jahre. Laut Koch sind nur 6 Prozent von ihnen unter 65 Jahre alt, das mittlere Alter lag bei 83 Jahren.
97 Prozent der Toten litten zuvor an mindestens einer Vorerkrankung. Die drei am häufigsten genannten Vorerkrankungen waren Bluthochdruck (69 Prozent), Herz-Kreislauferkrankungen (55 Prozent) und Diabetes (29 Prozent).
Mittlerweile weist die Schweiz eine der höchsten Raten an Neuansteckungen in Europa auf. Die Inzidenzen belaufen sich auf 236 Fälle pro 100'000 Einwohner. Bezogen auf die Einwohnerzahl sind die Kantone Tessin, Genf, Waadt und Basel-Stadt weiterhin am stärksten von der Pandemie betroffen.
Die Zahl der durchgeführten Tests auf Covid-19 beläuft sich bisher insgesamt auf rund 153'440, davon fiel das Resultat bei 15 Prozent der Fälle positiv aus. Verlässliche Zahlen zur Dunkelziffer konnte Koch noch nicht nennen.
Impfungen nicht verschieben
Trotz Mehrarbeit auf den Intensivstationen während der Coronakrise warnte Koch davor, Notfälle aus Angst vor einer Ansteckung nicht behandeln zu lassen. Auch Kinderkliniken sollten nicht gemieden werden. Wenn ein Kind krank sei, brauche es Hilfe. Zudem seien Babys und Kleinkinder am wenigsten von schweren Coronafolgen betroffen.
Aus diesem Grund riet Koch auch davon ab, Impfungen für Kinder zu verschieben. Diese seien notwendig und könnten ohne Probleme weiterhin durchgeführt werden.
NACHRICHTENÜBERBLICK NATIONAL
10 weitere Tote durch Covid-19
Im Kanton Tessin sind in den letzten 24 Stunden erneut 10 Personen an der Lungenkrankheit Covid-19 gestorben. 65 Personen sind neu positiv auf das Virus getestet worden.
Insgesamt wurden bis Samstagmorgen im Kanton Tessin 2442 Personen positiv auf das Virus getestet. 314 Personen konnten bisher das Spital verlassen. 165 Menschen verloren aufgrund des Coronavirus ihr Leben.
Notfallpatienten bleiben wegen Pandemie vermehrt zuhause
Wegen der grassierenden Coronavirus-Pandemie bleiben offenbar Menschen selbst mit medizinischen Notfällen vermehrt zuhause. Laut Rettungsdienstlern würden derzeit rund ein Drittel weniger Patienten in den Schweizer Notfallstationen eintreffen als vor der Pandemie.
Die Schweizerische Gesellschaft für Notfall- und Rettungsmedizin (SGNOR) warnte am Samstag in einer Mitteilung, dass Zuwarten bei ernsthaften Notfällen zu Langzeitschäden führen könne. Trotz der Pandemie gebe es in den Rettungsdiensten und auf den Notfallstationen in der Schweiz derzeit genügend Kapazitäten.
Gemäss den Spezialisten für klinische Notfall- und Rettungsmedizin bleiben insbesondere unter anderem vermehrt Herzinfarkt- und Schlaganfallpatienten den Notfallstationen fern.
Die Menschen hätten Angst, sich mit dem Coronavirus anzustecken, sagte SGNOR-Copräsident Aristomenis Exadaktylos auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Zudem wollten sie das Gesundheitssystem nicht zusätzlich belasten. Dies würden Patienten berichten, die sich mit "verschleppten Notfällen" später doch noch an die Rettungsleute wenden würden.
Angst vor Ansteckung
Die Notfall- und Rettungsmediziner erklärten, dass Menschen mit Brustschmerzen, Atemnot, Lähmungen oder allgemeiner Schwäche nicht zögern sollten, die Notfall-Einrichtungen aufzusuchen oder den Rettungsdienst zu rufen. Verspätetes Behandeln von Herzinfarkten oder Knochenbrüchen könne sich fatal auswirken.
Der Aufruf sei keine Arbeitsbeschaffungsmassnahme, sagte Exadaktylos weiter. Die Arbeit gehe den Rettungsmedizinern in der Zeit der Corona-Krise nicht aus. "Wir machen uns aber Sorgen, dass gewisse Patienten körperlich und seelisch nicht ausreichend versorgt werden."
Der Verband Fragile Suisse, der Hirnverletzte unterstützt, hatte bereits am Freitag mitgeteilt, dass seit dem Ausbruch der Coronavirus-Krise weniger Opfer von Hirnschlägen ins Spital gehen würden. Die Besuche in den wichtigsten Schweizer Behandlungszentren seien seit Mitte März durchschnittlich um rund 21 Prozent zurückgegangen. Dabei gebe es keinen Grund anzunehmen, dass landesweit aktuell weniger Personen einen Schlaganfall erleiden würden als in den Wochen vor der Abriegelung.
Kein Zögern bei Kindern
Wegen der Coronavirus-Pandemie ruft der Bundesrat die Bevölkerung auf, zuhause zu bleiben. Damit soll die Zahl der Neuinfektionen mit dem Virus Sars-CoV-2 reduziert werden. Unter anderem sind Versammlungen von mehr als fünf Personen verboten. Zudem sollen die Menschen zwei Meter Abstand zueinander halten.
Daniel Koch vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) warnte am Samstag vor den Bundeshausmedien davor, Notfälle aus Angst vor einer Ansteckung nicht behandeln zu lassen. Auch Kinderkliniken sollten nicht gemieden werden. Wenn ein Kind krank sei, brauche es Hilfe. Zudem seien Babys und Kleinkinder am wenigsten von schweren Coronafolgen betroffen.
Aus diesem Grund riet Koch auch davon ab, Impfungen für Kinder zu verschieben. Diese seien notwendig und könnten ohne Probleme weiterhin durchgeführt werden.
Kurzarbeit für jeden vierten Schweizer Beschäftigten angemeldet
Die Coronakrise führt zu einer Explosion der Kurzarbeitsgesuche: Bis Freitagabend wurde für 1,3 Millionen Angestellte Kurzarbeit angemeldet. Das entspricht laut der Staatssekretärin für Wirtschaft einem Viertel der Beschäftigten in der Schweiz.
"Das zeigt die grosse Tragweite der Unsicherheit bei den Unternehmen", sagte Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch am Samstag vor den Bundeshausmedien. Viele Betriebe würden nicht ohne Schaden aus der Krise kommen. Trotzdem sollen die vom Bundesrat beschlossene Soforthilfe von rund 60 Milliarden Franken "Zuversicht ausstrahlen".
"Wir müssen den Unternehmen eine Perspektive bieten", sagte Ineichen-Fleisch. Die jetzigen Massnahmen müssten schnell wirken und zielgerichtet sein. Es gehe darum, Massenentlassungen und Konkurse zu vermeiden - vor allem bei Unternehmen, die vor der Coronakrise gesund gewesen seien.
Sorgenfalten bei Tourismusdirektoren
Besonders dramatisch sei die Situation im Tessin. Dort würden derzeit statt 4 bis 5 Kurzarbeitsgesuche deren 8500 eingereicht - pro Woche. Weil die Abläufe noch nicht digitalisiert seien, dauere es im Südkanton eine Weile, bis die Gesuche beantwortet würden, sagte Ineichen-Fleisch.
Grosse Sorgen machten sich ihrer Ansicht nach auch die Tourismusdirektoren. An einer Telefonkonferenz in der laufenden Woche hätten diese zwar angegeben, dass die Massnahmen wirkten. Doch befürchteten viele, dass der Tourismus nach der Krise viel länger brauche, um sich zu erholen.
Arbeit von Risikopersonen
Staatssekretärin Ineichen-Fleisch präzisierte noch einmal die Anstellungsregeln für Personen, die zur Risikogruppe gehören. Wenn Homeoffice möglich sei, so könnten Angestellte auf jeden Fall weiterarbeiten. Wenn das nicht möglich sei, so seien die Angestellten zu beurlauben bei fortgesetzter Bezahlung.
Wenn explizit aufgrund der Krise gekündigt werde, dann sei eine Kündigung nicht rechtens, sagte Ineichen-Fleisch weiter. Aber es sei auch nicht jede Kündigung während der Krise widerrechtlich. "Ob eine Kündigung rechtens war oder nicht, muss im Einzelfall geprüft werden."
Fakt sei: Mit der Möglichkeit von Kurzarbeit wolle der Bund verhindern, dass Unternehmen Angestellte entlassen müssen.
Arbeitgeber-Chef lässt sich zu Exit-Strategie nicht auf Äste hinaus
Für Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt liegt es einzig und allein am Bundesrat, ob die Bedingungen für die Wirtschaft ab dem 20. April gelockert werden. Bezüglich der Exit-Strategie des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes hielt er sich in der "Samstagsrundschau" von Schweizer Radio SRF bedeckt.
Der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) und die SVP möchten die heutigen Arbeits- und Unterrichtsverbote ab dem 19. April schrittweise aufheben. SGV-Direktor Hans-Ulrich Bigler verlangte jüngst, die Geschäfte müssten ab diesem Datum wieder öffnen dürfen. Auch der Wirtschafts-Dachverband Economiesuisse arbeitet zurzeit an Vorschlägen für die Ablösung der heutigen Notrechts-Massnahmen.
Vogt liess sich im Gespräch zu den Forderungen nach einer Lockerung nicht aus der Reserve locken. "Dieser Entscheid liegt einzig und allein beim Bundesrat", sagte er. Die Wirtschaft müsse sich einfach gut darauf vorbereiten. Der Schweizerische Arbeitgeberverband arbeite an der Exit-Strategie. Er gehe davon aus, dass man in rund einer Woche soweit sein dürfte mit einem "konsistenten Plan".
Beim Wiederhochfahren gehe es nicht um die Frage Gesundheit oder Wirtschaft, sondern um Gesundheit und Wirtschaft, denn: "Niemand will eine zweite Ansteckungswelle." Deshalb müssten sich alle in den nächsten Wochen weiterhin an die Vorgaben des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) halten.
Vogt: "Arbeitslosigkeit wäre teurer"
Vogt bekräftigte weiter, die Kurzarbeit sei ein sehr gutes Instrument, um die Krise zu überwinden. "Arbeitslosigkeit wäre sehr viel teurer." Vor Vergleichen mit anderen Ländern warnte er. Jedes habe eine andere Strategie gewählt. Die Schweiz müsse ihre konsistente Strategie nun durchziehen.
Auch die Kreditgarantie durch den Bund sei ein sinnvolles Mittel für die Unternehmen. Vogt glaubt nicht, dass viele der rund 500'000 Kleinbetriebe in der Schweiz die Krise nicht überleben werden, weil sie sich mit den Krediten überschulden. Es sei für Firmeninhaber ganz viel Wert zu wissen, dass sie notfalls darauf zurückgreifen könnten. A fonds perdu-Beiträge seien keine Alternative.
Bei den Mieten für die Geschäftsliegenschaften warnte Vogt vor "Wildwestmethoden", indem jeder auf seinen Forderungen beharre bzw. diese einfach weitergebe. Hier böten sicher Stundungen der Mieten erste Erleichterungen. Das schone die Liquidität der Firmen. Nichts hält Vogt in diesem Zusammenhang von Direktzahlungen des Bundes, wie sie der freisinnige Nationalrat Marcel Dobler (FDP/SG) vorschlug. Das sei viel zu teuer, der Staat könne das nicht stemmen.
Weitere Absperrung hält Paare an Deutsch-Schweizer Grenze auf Distanz
Eine zweite Absperrung hält Paare an der Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz in Konstanz am Bodensee wegen der Corona-Pandemie jetzt auf Abstand. Auf Schweizer Seite sei ein weiterer Zaun aufgestellt worden, sagte ein Sprecher der Bundespolizei am Samstag.
Dort stehen nun zwei Drahtgitterzäune, wie man sie von Baustellenabsperrungen kennt - zwischen ihnen ist ein etwa zwei Meter breiter Abstand.
An den vergangenen Tagen hatten sich viele Paare an der Grenze getroffen und über die provisorische Absperrung hinweg direkten Kontakt aufgenommen. Händchenhalten, Umarmungen und Küssen sind jetzt nicht mehr möglich.
Wenn ein Partner in Deutschland wohnt und der andere in der Eidgenossenschaft, ist eine Fahrt zum Freund oder der Freundin derzeit ausgeschlossen. Besuchsreisen über die Grenze sind wegen der Coronavirus-Pandemie aktuell nicht erlaubt. Zuvor war die grüne Grenze am Bodenseeufer normalerweise offen für Fussgänger und Fahrradfahrer.
Grenzübergang Biel-Benken BL zu Frankreich wird wieder geöffnet
Der Grenzübergang Biel-Benken im Kanton Basel-Landschaft an der Grenze zu Frankreich wird wieder für den Verkehr freigegeben. Ab Montag um 04.00 Uhr darf er von bestimmten Personen wieder passiert werden.
Einreisen dürfen Schweizer Bürgerinnen und Bürger, Personen mit einem Aufenthaltstitel in der Schweiz sowie jene, die aus beruflichen Gründen in die Schweiz reisen müssen, wie die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) am Samstag mitteilte. Auch Personen in einer Situation "absoluter Notwendigkeit" dürfen einreisen.
Die Zollverwaltung hat den Entscheid basierend auf einer Verkehrsanalyse und in Absprache mit den in- und ausländischen Partnerbehörden getroffen, wie sie schreibt. Dadurch decke die EZV auch die Bedürfnisse der Velofahrer und Fussgängerinnen ab.
Der öffentliche Verkehr in Biel-Benken kann daher auch mit dem Velo erreicht werden. Wer die Grenze passiert oder passieren will, um auf der anderen Seite einzukaufen oder einer Freizeitbeschäftigung nachzugehen, wird bestraft.
In den vergangenen Wochen wurden an den Grenzen zu Italien, Deutschland, Österreich und Frankreich schrittweise Schengen-Grenzkontrollen eingeführt und die Einreise in die Schweiz beschränkt, um im Zusammenhang mit der Coronavirus-Krise die Schweizer Bevölkerung zu schützen sowie die Kapazitäten im Gesundheitswesen aufrechtzuerhalten.
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