Demokratie | Heftige Reaktionen nach Urteil
Moutiers Zukunft bleibt offen
Moutiers künftige Kantonszugehörigkeit bleibt weiter in der Schwebe: Nach der Regierungsstatthalterin des Berner Juras hat auch das bernische Verwaltungsgericht die Abstimmung von 2017 über den Kantonswechsel von Moutier für ungültig erklärt.
Wie das Gericht am Donnerstag mitteilte, hat es zwar einen Teil der Beschwerden gegen den erstinstanzlichen Entscheid vom November des letzten Jahres gutgeheissen. Das Gericht geht aber mit der Statthalterin einig, dass es zu viele Unregelmässigkeiten rund um die Abstimmung gab und spricht von "schweren Rechtsverletzungen".
Insbesondere hätten sich die Behörden von Moutier in ihrer Kommunikation zum Abstimmungsgegenstand viel stärker zurückhalten müssen, macht das Gericht deutlich. Als Organisatorin des Urnengangs könne die Gemeinde nicht auftreten wie andere Akteure. In Moutier regiert eine projurassische Mehrheit.
Unzulässig gewesen sei etwa ein Brief der Gemeinde an die Eltern von Tagesschülern. Darin gab die Gemeinde Moutier laut dem Urteil der Statthalterin von 2018 eine Art Garantie dafür, dass bei einem Kantonswechsel den Schülern die gleichen Leistungen angeboten würden.
Auch dass die Gemeinde Moutier erst am Abstimmungswochenende dem Kanton Bern und dem Bund die Wählerlisten abgegeben habe, gehe nicht. Nicht statthaft gewesen seien weiter ein Beitrag des Stadtpräsidenten in einer Online-Zeitung und die Art und Weise der Erweiterung des brieflichen Abstimmens.
Diese Gesetzesverstösse seien einzeln respektive als Ganzes geeignet gewesen, das Abstimmungsresultat zu beeinflussen. Deshalb sei es richtig gewesen, dass die Regierungsstatthalterin die Abstimmung annulliert habe. Beschwerde eingereicht gegen deren Entscheid hatten die Gemeinde Moutier und - einzeln oder als Gruppe - 89 Bürger.
137 Stimmen Differenz
Mit lediglich 137 Stimmen Differenz entschied Moutiers Stimmvolk am 18. Juni 2017, den Kanton Bern zu verlassen und künftig zum Kanton Jura zu gehören. Bereits als die Regierungsstatthalterin entschied, diesen Urnengang zu annullieren, gingen die Wogen hoch.
Auch am Donnerstag fielen die Reaktionen wieder heftig aus. Berntreue aus Moutier forderten, die Separatisten in der Stadtregierung müssten zurücktreten. Schliesslich habe das Verwaltungsgericht bestätigt, dass es zu Mauscheleien gekommen sei. Das Vertrauen sei zerstört.
Projurassier hingegen werteten den Entscheid als politisch. Das Komitee "Moutier Ville Jurassienne" zeigte auf seiner Facebookseite eine Todesanzeige. Die Demokratie sei gestorben. Es rief für Freitag zu einer Kundgebung auf.
Die jurassische Kantonsregierung bedauert den Entscheid. Es sei schade, dass die Zukunft Moutiers in der Schwebe bleibe. Die Berner Regierung gab bekannt, sie sei "betroffen vom Ausmass der Unregelmässigkeiten". Sie rief dazu auf, die Ruhe zu bewahren. Der separatistische Stadtpräsident Marcel Winistoerfer wies die Rücktrittsforderungen zurück.
Zwei Zukunftsszenarien
Allgemein wird erwartet, dass der Verwaltungsgerichtsentscheid ans Bundesgericht weitergezogen wird, obwohl sich Moutiers Separatisten dazu am Donnerstag noch nicht festlegen wollten.
Sollte der Fall in Lausanne landen, gibt es zwei Szenarien: Das Bundesgericht erklärt die Abstimmung von 2017 für gültig und Moutier wechselt den Kanton. Oder aber es bestätigt den Verwaltungsgerichtsentscheid.
In diesem Fall dürfte in Moutier erneut abgestimmt werden. Der Bund und die beiden Kantone Bern und Jura gaben schon im November 2018 bekannt, aus ihrer Sicht müssten sich Moutiers Bürger an einer gültigen Abstimmung über die Kantonszugehörigkeit aussprechen können.
Jean-Christophe Geiser vom Bundesamt für Justiz bestätigte am Donnerstag auf Anfrage diese Haltung der sogenannten Tripartiten Konferenz. Das ist eine Konferenz des Bunds und der beiden Kantone.
In Moutier ist man allerdings auch in dieser Frage gespalten. Pierre-André Comte vom Mouvement autonomiste jurassien sagte, eine solche Abstimmung stelle derzeit keine Option dar. Moutiers Bevölkerung wolle endlich den Kanton wechseln.
Die Proberner sagen, für eine zweite Abstimmung sei es zu früh. Zuerst müssten sich die Wogen glätten. Zudem dürfe nicht nochmals die Stadt Moutier eine solche Abstimmung durchführen. Der Bund müsste einen solchen Urnengang organisieren.
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