Gesellschaft | Forderung nach griffigen Massnahmen
Klima-Run auf Bern
Die Klimafrage hat das Wochenende in der Schweiz geprägt: In Bern demonstrierten Zehntausende für ein «Klima des Wandels», das neuste Wahlbarometer verheisst den Umweltparteien deutliche Gewinne, und Avenir Suisse warnt vor einseitigen Massnahmen im Inland.
Die Organisatoren der nationalen Kundgebung in Bern vom Samstag schätzten die Zahl auf gegen 100'000 Teilnehmende. Zur Kundgebung aufgerufen hatte ein Bündnis von über 80 Organisationen. Die Klimademo bildete den Schweizer Schlusspunkt der Global Week for Future, während der weltweit Aktionen und Demonstrationen stattfanden.
Bunt, laut und friedlich
Geprägt wurde der bunte, laute und friedliche Demonstrationszug von der Klimajugend, doch nahmen Menschen jeden Alters und viele Familien teil. Tausende führten selbstbemalte Kartonschilder mit sich, auf denen zum konkreten Handeln gegen den Klimawandel aufgerufen wurde.
Die der Klima-Allianz angeschlossenen Organisationen fordern eine konsequente und griffige Klimapolitik mit einem Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas - auch bei Investitionen des Schweizer Finanzplatzes. Demonstriert wurde zudem für eine «Klimagerechtigkeit», die allen Menschen weltweit ein würdiges Leben garantieren soll.
Umweltparteien im Hoch, SVP verliert
Wenige Stunden nach Auflösung der Grosskundgebung veröffentlichte der Tamedia-Verlag am Sonntagmorgen die neuste Umfrage zu den Eidgenössischen Wahlen vom 20. Oktober. Im darin enthaltenen Sorgen-Ranking liegt Umweltzerstörung, beziehungsweise Klimawandel, neuerdings auf Platz drei und wird damit in der Schweiz nach den Gesundheitskosten und den Altersrenten als eines der dringendsten Probleme wahrgenommen.
Die erhöhte Sensibilisierung für die Umweltproblematik spiegelt sich auch in der Wahl-Umfrage. Wären an diesem Wochenende Wahlen gewesen, stünden die Klima-Parteien als Gewinner da. Die Grünen hätten demnach die 10-Prozent-Marke geknackt. Auch die GLP hätte kräftig zugelegt.
Die Werte der Umweltparteien liegen in der Umfrage signifikant über jenen zum gleichen Zeitpunkt vor vier Jahren. Die Grünen kommen demnach auf einen Wähleranteil von 10,2 Prozent, 3,1 Prozentpunkte mehr als bei den Wahlen 2015. Auch die GLP könnte kräftig zulegen und käme neu auf 7,2 Prozent (+2,6). Die grüne Welle setzt allen Bundesratsparteien zu - am stärksten dürfte die SVP verlieren. Sie erreichte in der Umfrage eine Wählerstärke von 27,9 Prozent, 1,5 Prozentpunkte weniger als 2015.
Bei den übrigen grösseren Parteien liegen die Verluste im statistischen Unschärfebereich. Die FDP käme laut Umfrage auf 15,6 Prozent (-0,8). Noch knapp vor den Grünen positionierte sich die CVP mit 10,4 Prozent (-1,2). Die SP bliebe mit 18 Prozent (-0,8) klar die zweitstärkste Kraft im Lande.
Gegensteuer von Avenir Suisse
Die nationale Klimakundgebung vom Samstag hat die liberale Denkfabrik Avenir Suisse zur vorzeitigen Publikation eines Kapitels ihres neusten Buches «Was wäre wenn - 13 mögliche Entwicklungen und Konsequenzen für die Schweiz» bewogen. Das Kapitel beleuchtet die Frage, was wäre, wenn die Schweizer Klimapolitik nur im Inland umgesetzt würde. Die «SonntagsZeitung» berichtete über das auf der Webseite des Thinktanks publizierte Kapitel.
Nationale Alleingänge in der Klimapolitik gilt es laut Avenir Suisse zu vermeiden. Der Klimawandel könne nur global gelöst werden. Dabei sei das Wirtschaftswachstum «nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung». Technische Innovationen seien von zentraler Bedeutung. Andernfalls seien Wachstum und Produktivität der Schweizer Wirtschaft in Gefahr.
Zudem würden mit neuen Subventionsquellen neue Interessengruppen und damit Abhängigkeiten, Anspruchshaltungen und Gewohnheiten geschaffen. Laut der Denkfabrik muss Klimapolitik zudem technologieneutral sein.
Weil der Einfluss der Massnahmen der Schweiz auf die weltweit Klimaerwärmung aller löblichen Anstrengungen zum Trotz vernachlässigbar klein bleiben werde, müssten sich Infrastruktur und Gesellschaft des Landes ebenso darauf einstellen, «dass es im Durchschnitt wärmer wird». Deshalb brauche es auch eine entsprechende Politik der Anpassung.
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