Gesellschaft | Amnesty International schlägt Alarm - und stellt politische Forderungen
Jede fünfte Frau ist gemäss Umfrage Opfer von sexueller Gewalt
Mindestens jede fünfte Frau ab 16 Jahren in der Schweiz hat schon ungewollte sexuelle Handlungen erlebt, mehr als jede zehnte Frau hatte Sex gegen ihren Willen. Amnesty International schlägt nach den neusten Umfrageresultaten Alarm - und stellt politische Forderungen.
Eine am Dienstag publizierte Umfrage von GFS Bern bei rund 4500 Frauen zeigt, dass die Dunkelziffer von sexueller Gewalt an Frauen in der Schweiz hoch ist. Fast die Hälfte der Frauen gibt an, den Vorfall sexueller Gewalt für sich behalten zu haben. Nur 8 Prozent erstatteten Anzeige bei der Polizei. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt nur 1291 sexuelle Gewaltdelikte - darunter fallen sexuelle Nötigungen und Vergewaltigungen - von der Polizei registriert.
Auch viele Formen der sexuellen Belästigung sind weiter verbreitet als die Statistik zeigt. Rund drei von fünf Frauen haben schon einmal eine Belästigung in Form von unerwünschten Berührungen, Umarmungen oder Küssen erlebt. Die Schweizer Sektion von Amnesty International, welche die Studie in Auftrag gegeben hat, spricht in einer Mitteilung von "erschütternden" Ergebnissen.
Strengere Gesetze gefordert
Die Menschenrechtsorganisation nimmt das aus ihrer Sicht "veraltete Schweizer Sexualstrafrecht" ins Visier. In der Verantwortung stehe auch der Bundesrat. Amnesty fordert: Die im April 2018 in Kraft getretene Istanbul-Konvention müsse endlich umgesetzt werden.
Demnach hat eine Vergewaltigung und jede sexuelle Handlung mit einer anderen Person ohne gegenseitiges Einverständnis als Straftat zu gelten. Heute sei dies anders: "Liegt kein Nötigungsmittel vor, gilt die Tat in der Schweiz nicht als Vergewaltigung - selbst wenn ein Opfer klar Nein gesagt hat", schreibt Amnesty. Laut Amnesty ist nur in acht von 31 untersuchten Ländern in Europa das Prinzip des gegenseitigen Einverständnisses bereits Realität.
Erste Schritte sind getan
Mit einer Petition an Justizministerin Karin Keller-Sutter und der Lancierung einer nationalen Kampagne gegen sexuelle Gewalt soll nun Bewegung in die Sache kommen. Neben der Reform des Strafrechts verlangen die Betroffenen auch systematische Datenerhebungen und Forschung zur strafrechtlichen Verfolgung von Delikten gegen die sexuelle Integrität in der Schweiz.
Ein erster Schritt hat der Bundesrat im vergangenen Jahr bereits gemacht. Im April stellte er eine Reihe von Massnahmen vor, um Gewalt- und Sexualstraftäter härter anzupacken. Dabei stellte er auch in Aussicht, den Begriff der Vergewaltigung auszudehnen. Der Nationalrat folgte ihm. Nun ist der Ständerat an der Reihe.
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