Völkerrecht | Umsetzung dürfte bei Annahme viel zu reden geben

Initiative zur Durchsetzung von Initiativen beschäftigt die Schweiz

Personen demonstrieren mit Plakaten und einem Trojanischen Pferd gegen die Selbstbestimmungsinitiative der SVP.
1/1

Personen demonstrieren mit Plakaten und einem Trojanischen Pferd gegen die Selbstbestimmungsinitiative der SVP.
Foto: Keystone

Quelle: SDA 04.11.18 0
Artikel teilen

Die Selbstbestimmungsinitiative der SVP wirft Grundsatzfragen zur direkten Demokratie auf. Ein Ja würde die Volksrechte stärken, sagen die Initianten. Die Gegner sehen den Rechtsstaat in Gefahr.

Die SVP will erreichen, dass angenommene Volksinitiativen wortgetreu umgesetzt werden müssen - auch dann, wenn sie völkerrechtliche Bestimmungen verletzen. Auslöser für die Selbstbestimmungsinitiative war ein Bundesgerichtsurteil, das der SVP missfiel.

Das Bundesgericht untersagte 2012 die Ausschaffung eines Ausländers, obwohl das Stimmvolk die Ausschaffungsinitiative der SVP angenommen hatte. Es berief sich auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Vorrang für Schweizer Recht

Die Durchsetzungsinitiative der SVP zu Ausschaffungen lehnte das Stimmvolk später ab. Zur Debatte steht nun gewissermassen eine allgemeine Version davon: Die Initiative "Schweizer Recht statt fremde Richter" (Selbstbestimmungsinitiative) verlangt, dass die Bundesverfassung gegenüber dem Völkerrecht immer Vorrang hat - unter Vorbehalt zwingender Bestimmungen wie dem Folterverbot.

Wird eine Volksinitiative angenommen, die in gewissen Punkten mit einem internationalen Vertrag nicht vereinbar ist, dürfte die Schweiz den Vertrag nicht mehr anwenden - es sei denn, er unterstand dem Referendum. Sie müsste ihn neu verhandeln und nötigenfalls kündigen.

Volksrechte ohne Einschränkung

Der Volkswille soll also fast uneingeschränkt gelten, ohne das bisherige rechtsstaatliche Korrektiv. Die SVP macht geltend, die direkte Demokratie werde zunehmend ausgehebelt. "Was hier abläuft im Stillen, ist ein Staatsstreich", sagte SVP-Chefstratege Christoph Blocher bei der Lancierung der Selbstbestimmungsinitiative.

Mit dieser Haltung steht die SVP indes alleine da. Die anderen Parteien stellen sich geschlossen gegen die Initiative. Aus ihrer Sicht geriete damit das Verhältnis von Demokratie und Rechtsstaat aus den Fugen. Ohne starken Rechtsstaat drohe eine Willkürherrschaft der Mehrheit, argumentieren sie.

Schon heute Selbstbestimmung

Die Gegnerinnen und Gegner machen aber auch praktische Gründe geltend: Die Schweiz würde sich mit einem Ja zur Initiative gewissermassen vorbehalten, Verträge nicht einzuhalten, wann immer sie möchte. Damit würde sie zu einem höchst unverlässlichen Partner.

Justizministerin Simonetta Sommaruga stellte fest, die Schweiz entscheide bereits heute selber, welche Verträge sie abschliesse und welche nicht. Die Stimmbevölkerung habe dabei weitgehende Mitspracherechte. Komme es zu einem Konflikt mit einem internationalen Vertrag, habe die Schweiz heute verschiedene Lösungsmöglichkeiten. Die Selbstbestimmungsinitiative dagegen kenne nur einen Weg: Neu verhandeln, kündigen.

Schutz durch Menschenrechte

Gegen die Initiative kämpft auch eine "Allianz der Zivilgesellschaft", der Menschenrechtsorganisationen angehören. Mittelfristig liefe die Annahme auf eine Kündigung der EMRK hinaus, warnen sie. Die Menschen in der Schweiz verlören die Möglichkeit, sich in Strassburg gegen Grundrechtsverletzungen zu wehren.

Die Wirtschaft wiederum fürchtet um den Standort Schweiz. Die Initiative gefährde Stabilität, Verlässlichkeit und Rechtssicherheit, lautet das Argument ihrer Verbände. Internationale Verträge stünden unter Dauervorbehalt.

Verzicht auf Schocker-Plakate

Die SVP erklärte die Abstimmung zur wichtigsten seit jener zum EWR von 1992. Die Gegnerinnen und Gegner rechneten mit gewohnt provokativen SVP-Plakaten. Doch die Partei provozierte diesmal mit dem Verzicht darauf: Die Plakate und Flyer kamen betont moderat daher, als stammten sie von einer Mitte-Partei.

Für Kritik sorgte, dass auf dem Flyer, den die SVP an alle Haushalte verschickte, der Absender fehlte. Kein Parteilogo, dafür ein Zitat der ehemaligen SP-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey, welche die Initiative ablehnt: Das sei eine hinterlistige Täuschung des Stimmvolkes, monierten die Gegner. Sie konterten mit einem trojanischen Pferd - eine Botschaft, die sich wohl auch nicht allen Stimmberechtigten auf Anhieb erschlossen hat.

Unklarer Bezug zur EU

Für Verwirrung dürften zudem die Bezüge gesorgt haben, welche die SVP herzustellen versuchte - etwa jenen zu einem möglichen künftigen Rahmenabkommen mit der EU. Ein solches unterstünde dem Referendum. Das Stimmvolk könnte also ohnehin entscheiden.

Dass die Masseneinwanderungsinitiative wegen des Personenfreizügigkeitsabkommens nicht wortgetreu umgesetzt wurde, diente der SVP ebenfalls als Beispiel für die Notwendigkeit der Initiative. Dieses Abkommen unterstand allerdings dem Referendum und wäre somit bei einem Ja zur Selbstbestimmungsinitiative für das Bundesgericht weiterhin massgebend.

Ausgang offen

Unabhängig von ihrem Lösungsvorschlag könnte den Initianten die Tatsache in die Hände spielen, dass in der globalisierten Welt vieles international und nicht mehr innerhalb nationalstaatlicher Grenzen geregelt wird.

Wie das Stimmvolk entscheidet, wird sich am 25. November zeigen. In den ersten Umfragen sprach sich zwar eine Mehrheit der Befragten gegen die Initiative aus, doch ist der Ausgang gemäss den Meinungsforschern offen.

Sollte die Initiative angenommen werden, dürfte die Umsetzung viel zu reden geben. So ist etwa unklar, wann ein "Widerspruch" zur Verfassung vorliegt und wer darüber entscheidet. Auch die Forderung, ein Vertrag müsse "nötigenfalls" gekündigt werden, lässt Fragen offen.

04. November 2018, 10:39
Artikel teilen

Artikel

Kommentare

Noch kein Kommentar

Kommentar

schreiben

Loggen Sie sich ein, um Kommentare schreiben zu können.

zum Login
Corona Infoseite

Wallis: Abgesagt oder verschoben wegen Corona

Veranstaltungen

  • Hier ansehen.
  • Newsticker
  • Meistgelesen
  • 20:00 Ab morgen ein neues News-Portal für das Oberwallis
  • 19:45 Polizei löst Party auf
  • 17:00 Eine Region – ein News-Portal
  • 16:21 Update: Flächenbrand in Törbel verläuft glimpflich
  • 12:47 Staubtrockene erste Aprilhälfte
  • 09:58 Türkischer Präsident Erdogan lehnt Rücktritt seines Innenministers ab
  1. «Ich wurde fünf Stunden lang brutal vergewaltigt»
  2. Esther Waeber-Kalbermatten ist neue Regierungspräsidentin
  3. Heimattagung in St. Niklaus
  4. Gewählte, abgewählte und neue Gemeinderäte in der Übersicht
  5. Musikfest in Simplon Dorf
  6. Ringkuhkampf im Goler
Aktuelle Verkehrsmeldungen

Kolumne | Diese Woche zum Thema:

Offene Fragen zur Corona-Pandemie

Peter Bodenmann und Oskar Freysinger schreiben bis auf weiteres im Walliser Bote.

RZ | Der ehemalige SP-Schweiz-Präsident und Hotelier Peter Bodenmann und Alt-Staatsrat und [...]

Oberwalliser Baby-Galerie

Tena MatijevicMartín StephanEnio Karlen
zur Baby-Galerie
Anmeldung - WB Newsletter

Walliser Bote - Newsletter

    Täglich informiert mit dem WB-Newsletter!
  • Jetzt registrieren unter: www.1815.ch/newsletter

1815.märt - Jetzt inserieren

Hier können Sie Ihre Inserate direkt, günstig und flexibel im Walliser Bote und der Rhone Zeitung aufgeben.

Logo WalliserBote
  • Walliser Bote - Stellen
  • Walliser Bote - Immobilien
  • Walliser Bote - 5 Liber
  • Walliser Bote - Fahrzeuge
  • Walliser Bote - Diverses
  • Walliser Bote - Erotik
Logo Rhonezeitung
  • Rhone Zeitung - Inserate
  • Rhone Zeitung - 5 Liber
  • Rhone Zeitung - Baby Galerie - Kostenlos

Publikationen 2020

  • WB Publikationen 2020 [PDF]
  • RZ Publikationen 2020 [PDF]
Tweets von @1815_online
Rotten Verlag News

Kultur Wallis

    mehr

    Kursangebote

    Fehler beim laden der XML Datei

    mehr

    Das Walliser Erlebnismagazin

    Bergluft

    • Bergluft Nr. 30 [PDF]
    • Bergluft Nr. 29 [PDF]
    • Bergluft Nr. 28 [PDF]
    • Bergluft Nr. 27 [PDF]
    • Bergluft Nr. 26 [PDF]
    • Bergluft Nr. 25 [PDF]
    • Bergluft Nr. 24 [PDF]
    • Bergluft Nr. 23 [PDF]
    Initiative zur Durchsetzung von Initiativen beschäftigt die Schweiz | 1815.ch
    • Trauer
    • Login
    • ePaper
    • Babies
    • Umfragen
    • Videos
    • Bilder
    • Wetter
    • Suchen
    • 1815 Märt
    • Abo
    • Werbung
    • Newsletter
    • Impressum
    • Kontakt
    • Leser-Reporter
    Mengis Gruppe: Pomona Media AG
    Rotten Verlags AG
    Alpmedia AG
    1815.ch
    Wetter-Cam
    : °/°
    • Login
    • Abo
    • Werbung
    • Newsletter
    • Kontakt
    • Leser-Reporter
    • Babies
    • Umfragen
    • Bilder
    • Videos
    • Trauer
    • Sie sind hier:
    • Home
    • News
    • Schweiz
    • News-Schweiz
    • Initiative zur Durchsetzung von Initiativen beschäftigt die Schweiz

    Sitemap

    Impressum

    NEWS

    • Wallis
    • Schweiz
    • Ausland
    • Sport

    ABONNEMENTS

    • Aboservice
    • Alle Aboangebote
    • Probeabo
    • Ferienumleitung
    • Adresse ändern

    VERLAG & SERVICES

    • Regio Info
    • RSS
    • Werbung
    • Tarifdoku: WB, RZ, 1815

    MENGIS GRUPPE

    Pomonastrasse 12
    3930 Visp
    Tel. +41 (0)27 948 30 30
    Fax. +41 (0)27 948 30 31
    • Kontakt

     

    • Mengis Druck und Verlag AG
    • Rotten Verlags AG
    • Alpmedia AG

    © 2025 Mengis Druck und Verlag AG - Alle Rechte vorbehalten | Kontakt | Impressum | Datenschutzerklärung | AGB Abo | AGB Werbung | AGB 1815.club | AGB Rotten Verlags AG

    Website by update AG, Zürich