Politik | Die Grüne Partei und die SP kommen gemeinsam lediglich auf 83 Stimmen
Grüne Bundesratsträume dürften am Mittwoch platzen
Drei Tage vor den Bundesratswahlen sind am Sonntag keine Anzeichen für ein "grünes Wunder" mit der Wahl von Regula Rytz anstelle des FDP-Bundesrats Ignazio Cassis in Sicht. Einen Bundesrat aus dem Amt zu befördern, kommt extrem selten vor.
Erfolgreiche Putschversuche hat es seit 1848 lediglich vier Mal gegeben. In frischer Erinnerung sind etwa die Abwahlen von CVP-Bundesrätin Ruth Metzler 2003 und von SVP-Bundesrat Christoph Blocher 2007.
Auf ihre Wahlempfehlungen festlegen werden sich die Mitglieder des eidgenössischen Parlaments erst an den Fraktionssitzungen vom Dienstag. Eine Schlüsselposition kommt dabei der CVP zu. Sie hat allerdings bereits im Vorfeld Rytz einen Korb gegeben und die Grünen-Präsidentin erst gar nicht zu einem Hearing eingeladen. Vermutlich werden am kommenden Mittwoch lediglich einzelne Parlamentarier der aktuell 44-köpfigen Mittefraktio, Rytz wählen.
Grün ist nicht gleich Grün
Das Grün nicht gleich Grün ist, zeigen die Grünliberalen. Die bei den nationalen Wahlen auf der grünen Erfolgswelle surfenden Grünliberalen haben Rytz zwar angehört, wollen ihre Strategie aber trotzdem erst am Vortag der Bundesratswahl festlegen. Möglich ist auch eine Stimmfreigabe der 16-köpfigen Fraktion. Rytz politisiert für einige GLP-Parlamentarier offensichtlich zu sozial.
Support erhielt Rytz, deren Partei auf 35 Stimmen im Parlament kommt, von SP-Präsident Christian Levrat. Die Wahl von Rytz anstelle von Cassis sei für die Christlichdemokraten die "einzige Überlebenschance im Bundesrat", warnte er die CVP.
In Anbetracht der Tatsache, dass die Stabilität der Zauberformel Vorrang vor allem habe, wie von CVP und SVP stets argumentiert werde, werde die CVP 2023 ihren einzigen Sitz verlieren, drohte Levrat. Dies, weil die Grünen bei der Wählerstärke erneut besser abschneiden dürften. Ob die 48-köpfige SP-Fraktion ihrem Präsidenten folgt, wird sich ebenfalls erst am Dienstag zeigen.
Kaum Stimmen erhalten dürfte Rytz aus dem rechtsbürgerlichen Lager. Gleich unmittelbar nach Bekanntgabe der grünen Ambitionen stellten FDP und SVP klar, dass sie den Angriff auf einen der beiden FDP-Bundesratssitze offiziell nicht unterstützten. Die SVP kommt in der Bundesversammlung auf 62 Sitze und die auf FDP 41.
Wohl kein "grünes Wunder"
Rein rechnerisch dürfte am Mittwoch ein "grünes Wunder" ausbleiben. Die Grüne Partei und die SP kommen gemeinsam lediglich auf 83 Stimmen. Stimmen SVP und FDP geschlossen für Cassis würden sie in der 246 Mitglieder zählenden Bundesversammlung 103 Stimmen auf sich vereinen. Das absolute Mehr liegt bei 124 Stimmen.
Aussenminister Cassis ist zwar auch im bürgerlichen Lager nicht unumstritten, dennoch dürfte er mehr Stimmen aus der Mittefraktion erhalten als Rytz. Für einige Grünliberale ist der Tessiner, der von der Partei doch etwas überraschend auch zu einem Hearing eingeladen worden war, sicher wählbar. Cassis könnte allerdings ein zweiter Wahlgang drohen - eine Schmach für jeden bisherigen Bundesrat.
Fraktionschef Balthasar Glättli und Rytz betonten im Vorfeld, dass es nicht um eine bestimmte Person, sondern um die Übervertretung der FDP gehe. Der Angriff der Grünen gilt deshalb zuerst dem an erster Stelle zu wählenden FDP-Sitz, und das ist jener von Cassis.
Die Grünen sind nach eigenen Angaben nicht für Spielchen zur Abwahl eines SP-Bundesrats oder einer SP-Bundesrätin, wie dies von einzelnen SVP-Exponenten angeregt wurde. Auch für die Abwahl von CVP-Bundesrätin Viola Amherd seien sie nicht zu haben. Man will auch keinen SVP-Sitz angreifen.
Diskussion um Wahlsystem gehen weiter
Unabhängig vom Ausgang der Bundesratswahlen, werden der Modus und die Zauberformel weiterhin zu reden geben. CVP-Präsident Gerhard Pfister forderte am Wochenende in einem Interview mit den Zeitungen der CH-Media eine Änderung des Wahlsystems für die Bundesräte und schlug eine Amtszeitbeschränkung von acht Jahren für die Bundesräte vor. Im Idealfall wären dadurch bei jeder Gesamterneuerungswahl zu Beginn der Legislatur jeweils drei oder vier Bundesratssitze neu zu besetzen.
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