Freihandel | Grüne drohen mit Referndum
Ritter: «Das gibt sehr schwierige Diskussionen im Parlament»
Die Einigung der Efta-Staaten, darunter die Schweiz, über ein Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten hat zahlreiche und kontroverse Reaktionen ausgelöst. Die Grünen drohen bereits mit dem Referendum. Bauernpräsident Markus Ritter erwartet schwierige Diskussionen im Parlament.
Für den Schweizerischen Bauernverband (SBV) gehen die verhandelten Konzessionen im Agrarbereich "teilweise sehr weit", wie er am Samstag mitteilte. Der SBV weiss noch nicht, ob er das Abkommen unterstützt. Er will es zuerst im Detail analysieren.
Beim sensiblen Produkt Rindfleisch wolle die Schweiz deutlich mehr zugestehen, als die EU dies in ihrem Abkommen tat. Mangelhaft ist die Umsetzung für den SBV auch bezüglich der Umsetzung des neuen Verfassungsartikels 104a, Buchstabe b, den das Stimmvolk mit 79 Prozent Ja-Stimmen angenommen hat. Dieser verpflichtet den Bund zu grenzüberschreitenden Handelsbeziehungen, die zur nachhaltigen Entwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft beitragen.
Brasilien beziehungsweise dessen Präsident Jair Bolsonaro als grösster Mercosur-Agrarstaat trete den Umweltschutz und die Arbeitsrechte jedoch mit Füssen, so der SBV in seiner Mitteilung. Bolsonaro habe die Abholzung des Regenwaldes wieder erlaubt und über 200 Pflanzenschutzmittel zugelassen, die in der Schweiz und ganz Europa wegen ihrer Gefährlichkeit strikt verboten sind.
Unglaubwürdige Agrarpolitik
Für SBV-Präsident Ritter ist eine Agrarpolitik nicht mehr glaubwürdig, bei der einerseits im Inland strenge Vorgaben diskutiert und gemacht werden, deren Ziele andererseits beim Abschluss eines Freihandelsabkommens nur noch eine untergeordnete oder gar keine Rolle mehr spielen.
Die Agrarpolitik in der Schweiz müsse eine Linie haben, so aber werde das Argument der Nachhaltigkeit zum Feigenblatt und der Bundesrat mache sich unglaubwürdig, erklärte Ritter gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Er prophezeite eine "sehr schwierige Diskussion im Parlament".
Referendumsdrohung der Grünen
Der absehbar schwere Stand für das Abkommen in den eidgenössischen Räten illustriert sich an der Haltung der Grünen Partei. Präsidentin Regula Rytz forderte den Bundesrat am Samstag dazu auf, den Vertrag dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Die Grünen wollen das Abkommen wenn möglich schon im Parlament stoppen.
Falls dies nicht gelinge, werde sie sich bei ihrer Parteibasis für die Lancierung eines Referendum einsetzen, so Rytz gegenüber Keystone-SDA. Bereits an der Delegiertenversammlung vom nächsten Samstag entscheidet die Partei über die Vorbereitung eines Referendums.
Verträge, die mit Ländern wie Brasilien abgeschlossen würden und die "grüne Lunge und wichtigste CO2-Senke der Welt" bedrohten, müssten von der Schweizer Bevölkerung gestoppt werden können. Zudem brauche es wesentliche Verbesserungen zum Schutz des Regenwaldes und gegen die Vertreibung der indigenen Bevölkerung.
Mit der aktuellen Regierung des "rechtsextremen Regenwaldzerstörers Bolsonaro" dürfe es kein Freihandelsabkommen geben, schrieb der Aargauer SP-Nationalrat Cédric Wermuth auf Twitter.
Swissmem freut sich für die KMU
Hans Hess, Präsident des Industrieverbandes Swissmem, reagierte in der "Samstagsrundschau" von Radio SRF erfreut auf die Einigung. Nun hätten auch KMU Zugang zu einem neuen interessanten Markt, die Arbeitsplätze blieben in der Schweiz, der Standort Schweiz werde gestärkt.
Hess zeigte zwar Verständnis für die Vorbehalte. Es sei aber falsch, solche Verträge auf aktuell eventuell nicht genehme Regierungen abzustützen. Als Handelspartner könne man zudem Kritik besser anbringen und Wertsysteme für eine vernünftige Politik in diese Länder bringen.
Hess hält auch nichts davon, solche Vertragsabschlüsse an Bedingungen bezüglich Umweltschutz zu binden. Diesbezügliche Dialoge mit problematischen Staaten liessen sich "mit geöffneten Türen" besser führen.
Für den Wirtschaftsdachverband Economiesuisse ist erfreulich, dass die Schweizer Firmen ihre Ersparnisse aus den wegfallenden Zöllen für den Ausbau der Produktion in der Schweiz verwenden können und so für neue Arbeitsplätze sorgen.
Weiter würdigt Economiesuisse, dass die Parteien weitere Handelshemmnisse abseits der Zölle aus dem Weg räumen möchten und beispielsweise vereinfachen, dass Schweizer Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen in Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay mitbieten können.
Mercosur-Koalition: "Genau analysieren"
Die Mercosur-Koalition aus verschiedenen Hilfswerken, Umweltschutzorganisationen und dem SBV teilte am Samstag mit, sie werde das Abkommen im Parlament auf die Probe stellen und kritisch prüfen, ob die unerlässlichen Kriterien beim Umwelt- und Tierschutz, beim Konsumentenschutz und der Menschenrechtssituation in den Mercosur-Ländern erfüllt sind.
Die Zugeständnisse bei der Einfuhr von Landwirtschaftsprodukten sei zwingend auf die bestehenden WTO-Kontingente zu beschränken. Importiertes Fleisch müsse ohne Leistungs- und Wachstumsförderer und unter Einhaltung hoher Tierschutz- und Lebensmittelsicherheitsstandards produziert worden sein.
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