Flüchtlingshilfe | Dominique Gisin zu Besuch bei den «Rotkreuz-Ferien»
Den Alltag vergessen
Fiesch | Diese Woche finden im Feriendorf Fiesch zum dritten Mal die «Rotkreuz-Ferien» statt. Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) gibt dort Kindern aus Krisen- und Kriegsgebieten die Gelegenheit, ihre Bürde abzuwerfen und unbeschwert Kind zu sein.
Cedric Zengaffinen
Das Feriendorf in Fiesch zeigt sich im Moment von der lebensfrohsten Seite. Ohne zu verschnaufen tollen 45 Kinder aus aller Herren Länder auf dem Platz vor der Ferienanlage herum. Bald werfen sie sich Bälle zu, bald rennen sie schreiend hintereinander her. Mit ihrem fröhlichen und unablässigen Treiben erinnern sie an Kinder auf dem Schulhof, denen einzig die Pausenglocke Einhalt gebieten kann. In Fiesch ist es allerdings nicht das schrille Klingeln, blosse Handzeichen der Lagerleiter bringen die lustige Meute ruckartig zur Ruhe.
Ahnungslose Vorfreude
Brav setzen sich die Kinder auf eine Tribüne neben dem Platz und lauschen den Worten von Carine Fleury, der Leiterin der SRK-Ferien: «Heute, Kinder, dürft ihr das Highlight des Lagers erleben: Die Skirennfahrerin Dominique Gisin wird mit euch ein Sommertraining durchführen.»
Gisin, die ebenfalls als Botschafterin des Roten Kreuzes tätig ist, wird unter tosendem Applaus empfangen. Doch ist es wohl eher das Wort Highlight, das den Enthusiasmus entfachte, als die Ankunft der Olympionikin. Kaum eines der Kinder trug je Ski an den Füssen, geschweige denn weiss, wer seine heutige Trainerin ist. Trotzdem umschwärmt und begleitet die junge Truppe Gisin voller Lust und Freude.
Sommertraining
und Schattenseiten
In der prallen Sonne führen die Kleinen mit der Rennfahrerin einige Übungen durch: Sie hüpfen von der einen Ecke in die andere, rennen mit der bekannten Trainerin mit, und selbst nach einer gefühlten Ewigkeit in der Hocke verlieren sie nicht den Spass an einem simulierten Skirennen. «Es sind und bleiben Kinder», sagt die Leiterin Fleury mit Freude, fügt jedoch mit bitterem Unterton hinzu: «Doch darf ihre Geschichte nicht ausser Acht gelassen werden.»
In der Tat wird die Kamera von einigen argwöhnisch beäugt, der Zweck der Fotos wird oft hinterfragt. Wie ein drohender Schatten schwebt stets das Wort Konflikt umher und zieht über dem sonnigen Platz seine Kreise.
«Die Kinder sind für-
einander da»
Enorme Fortschritte
Barbara Hirsemann, eine Psychologin, die freiwillig am Lager teilnimmt, erklärt: «Grundsätzlich besitzen die Flüchtlingskinder dieselben Bedürfnisse wie alle anderen Kinder. Allerdings liess sich vor allem zu Beginn des Lagers feststellen, dass sie aufgeregter sind und sich schneller in Konflikte verstricken lassen.» Sie bemerkt mit Freude die grossen Fortschritte, die die Kinder seit ihrer Ankunft am Montag gemacht haben. «Eine unglaubliche Gruppendynamik hat sich im Lager entwickelt, die Kinder sind füreinander da.» Gemäss der Psychologin trägt diese Entwicklung stark zur Sozialisierung und Integration der Kinder bei. «Den gesamten Hintergrund der Kinder können wir in dieser einen Woche unmöglich aufarbeiten, so versuchen wir dies gar nicht erst. Es geht uns viel mehr darum, den Kindern ihren rauen Alltag vergessen zu lassen und ihnen eine tolle Woche zu schenken.»
Schöne Erlebnisse
Toll finden die Kinder die Woche allemal. Mit strahlenden Augen berichten sie von dem lehrreichen Schwimmkurs, dem Judokurs, den Bastelabenden und dem Tanzabend, der ihnen noch bevorsteht. Auf die Frage, was sie in dem Lager alles gelernt habe, belehrt mich die 13-jährige Syrerin Sibsa eines Besseren: «Die Frage sollte eher lauten, was haben wir nicht gelernt?» Sie bedauert einzig, dass sie im nächsten Jahr nicht wieder am Lager teilnehmen darf.
Die Teilnahme ist nämlich bloss Kindern im Alter von neun bis 13 Jahren vergönnt.
In der Regel dürfen etwa
50 Flüchtlingskinder aus allen Kantonen teilnehmen, die mindestens ein halbes Jahr in der Schweiz leben und sich so entweder in Deutsch oder Französisch Kenntnisse erworben haben. Begleitet werden die Teilnehmer von 19 Lagerleitern. Die Leiter schätzen die Dankbarkeit und das Vertrauen, welches ihnen die Kinder entgegenbringen. Es sei ein Geben und Nehmen zwischen ihnen und den Kindern, erklärt ein Leiter. Sie würden ihnen Zeit und Aufmerksamkeit geben, im Gegenzug erhielten sie einen tiefen Einblick in die fremden Kulturen.
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