Coronavirus | Daniel Koch richtet Appell an Betagte
Rekordanstieg an Ansteckungen in der Schweiz
Die Zahl der Coronafälle nimmt weiter stark zu, noch immer halten sich nicht alle an die Appelle des Behörden - und doch haben die Experten des Bundes Hoffnung auf Besserung. Wenn sich alle an die Regeln hielten, könnte die Epidemiekurve bald abflachen.
Die Zahl der Coronavirus-Erkrankungen in der Schweiz steigt weiter rasant an: Am Samstagmittag gab es bereits 6113 bestätigte Fälle, das sind 1273 mehr als noch vor 24 Stunden, wie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) mitteilte. 56 Personen sind verstorben. Es handelt sich um den bisher grössten Zuwachs an Infizierten innerhalb eines Tages.
Doch die Experten des Bundes haben Hoffnung auf Besserung. "Ich erwarte, dass in rund einer Woche der Anstieg nicht mehr so stark ist", sagte Daniel Koch vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) am Samstag vor den Bundeshausmedien. Damit es tatsächlich so weit komme, müsse die gesamte Bevölkerung Eigenverantwortung zeigen.
Uri hebt Ausgangssperre auf
Hingegen lassen die am Freitag beschlossenen Regelungen zum gesellschaftlichen Leben während der Coronakrise laut dem Bund keinen Raum für Kantone, selber Ausgehverbote zu verhängen. Der Kanton Uri hat deshalb die Ausgangssperre für Senioren am Samstag wieder aufgehoben.
Rund 630 in Peru und Kolumbien blockierte Schweizer Touristen werden am kommenden Dienstag und Mittwoch mit zwei Charterflügen in die Schweiz zurückgebracht. Die Rückholung erfolgt in Zusammenarbeit mit der Fluggesellschaft Edelweiss.
Bereits für kommenden Montag hat das EDA laut Mitteilung Kapazitäten geschaffen für die Rückkehr von rund 100 Touristinnen und Touristen aus Costa Rica.
Längere Dienstzeit für Armeeangehörige
Armeeangehörige, die jetzt im Dienst sind, müssen sich auf eine längere Dienstzeit einstellen. Das kündigte Brigadier Raynald Droz am Samstag vor den Medien in Bern an. Eine Verlängerung der Dienstzeit sei unvermeidlich, sagte er.
Wer im Wiederholungskurs sei, müsse mit einem längeren Einsatz als drei Wochen rechnen, sagte Droz. Genauere Angaben stellte er für nächsten Dienstag in Aussicht. Auch Durchdiener und Rekruten dürften betroffen sein - insbesondere jene aus den Sanitätsschulen.
Auch über 4000 Zivildienstleistende standen in der laufenden Woche im Einsatz - unter anderem in Spitälern, Heimen und Gesundheitseinrichtungen. Laut Christoph Hartmann, Direktor des Bundesamts für Zivildienst (Zivi), sollen ab Montag weitere Personen bereitstehen.
Eine positive Zwischenbilanz zieht die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV). Das neue Grenzregime werde grösstenteils akzeptiert, sagte Direktor Christian Bock. Trotzdem würden die Kontrollen verstärkt - unter anderem mit zusätzlichen Helikoptern.
Es gebe noch immer Versuche, über Feldwege oder abgesperrte Strassen die Grenze zu überqueren, sagte Bock in Bern vor den Medien. Das wolle man mit allen Mitteln verhindern. Deshalb werde das Zwischengelände nun noch genauer überwacht. In den vergangenen zwei Tagen wurden laut Bock rund 16'000 Personen die Einreise verweigert - das sei eine Zunahme von 5000 Personen.
Parmelin lädt zum runden Tisch
Wirtschaftsminister Guy Parmelin hat für kommende Woche alle Sozialpartner zum runden Tisch eingeladen, um Massnahmen in Bezug auf die Corona-Krise zu besprechen. Auch den Kontakt mit den Kantonen will der Bund intensivieren.
"Wir haben vielleicht unterschätzt, die Massnahmen mit den Sozialpartnern genau anzuschauen", sagte Guy Parmelin in der "Samstagsrundschau" von Radio SRF. 10 Milliarden Franken hatte der Bundesrat schon vor einer Woche zur Unterstützung der Wirtschaft gesprochen. Am Freitag legte er noch einmal 32 Milliarden Franken drauf.
Berset startet Social-Media-Kampagne
Gesundheitsminister Alain Berset hat unter dem Hashtag #soschützenwiruns (#voicicommentnousprotéger) eine Social-Media-Kampagne gestartet und dazu Promis wie Roger Federer, Christa Rigozzi und Stress ins Boot geholt. Unter dem Hashtag kann jedermann zeigen, wie er oder sie den erzwungenen Alltag zu Hause meistert und andere dazu aufrufen, die Vorgaben des Bundes einzuhalten.
Federers Auswahl erfolgte natürlich nicht zufällig, hat er doch über 7 Millionen Follower auf Instagram. Federer reagierte prompt und forderte auch andere Prominente wie NHL-Star Roman Josi oder Skirennfahrerin Wendy Holdener auf, an der Challenge teilzunehmen.
Marktstände und Lesen ermöglichen
Der Schweizer Bauernverband (SBV) richtet eine nationale Vermittlungsplattform für Arbeitskräfte ein. Damit will er den sich wegen der Corona-Krise abzeichnenden Personalmangel lindern.
In Absprache mit dem Bund versuche man vorerst sicherzustellen, dass zumindest jene Arbeitskräfte aus dem Ausland, die kommen könnten und wollten, auch in die Schweiz einreisen könnten, teilte der SBV mit.
Der Bauernverband bemüht sich weiter um eine Lösung für die Marktfahrer, wie er schreibt. Aktuell ist der Verkauf in Hofläden erlaubt, die klassischen Gemüsemärkte jedoch hat der Bundesrat verboten. Gestattet sind nur das Aufstellen von einzelnen Marktständen in Ortschaften oder ein Lieferservice.
Der Bibliotheksverband Bibliosuisse will den Zugang zu Büchern in Zeiten von Corona trotz geschlossener Bibliotheken ermöglichen. Dazu hat der Verband eine Reihe von Vorschlägen für Bibliotheken ausgearbeitet, darunter ein erleichterter Zugang zu Online-Medien.
Bibliotheken werden zudem dazu ermuntert, die entsprechende Geräte zur Verfügung zu stellen und möglicherweise eine Online-Beratung anzubieten. Generell ist es Bibliotheken erlaubt, Medien auf Bestellung vor Ort zu einer vereinbarten Zeit herauszugeben. Der Verband empfiehlt, Medien auch per Lieferdienst oder Post zu verschicken. Der damit verbundene Aufwand sei auch eine Möglichkeit, Personal zu beschäftigen, so Bibliosuisse.
Bund sieht trotz angespannter Coronalage Silberstreifen am Horizont
Die Zahl der Coronafälle nimmt weiter stark zu, noch immer halten sich nicht alle an die Appelle des Behörden - und doch haben die Experten des Bundes Hoffnung auf Besserung. Wenn sich alle an die Regeln hielten, könnte die Epidemiekurve bald abflachen.
"Ich erwarte, dass in rund einer Woche der Anstieg nicht mehr so stark ist", sagte Daniel Koch vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) am Samstag vor den Bundeshausmedien. Damit es tatsächlich so weit komme, müsse die gesamte Bevölkerung Eigenverantwortung zeigen.
Koch richtete am Samstag noch einmal einen dringenden Appell an ältere Leute. Wenn er Menschen mit dem Rollator an der Sonne spazieren sehe, finde er das in Ordnung. Weniger gut finde er es, wenn er die gleichen Leute im Einkaufszentrum sehe. "Jeder und jede muss versuchen, niemanden anzustecken und nicht angesteckt zu werden", sagte Koch. Das gelte ganz besonders für Risikopersonen. Diese müssten jetzt unterstützt werden, damit sie sich keinem Risiko aussetzten.
Am Abend rief der Schweizer Seniorenrat (SSR) die ältere Bevölkerung in einer Mitteilung dazu auf, zu Hause zu bleiben und Solidarität zu üben, denn damit "schützen wir Alle".
Verschärfte Massnahmen im Tessin
Im Kanton Tessin wurden am Abend weitere Massnahmen bekannt. Für ältere und gefährdete Menschen gibt es ein "explizites Verbot, selber einkaufen zu gehen", sie dürfen nur in einigen Fällen zum Arzt gehen oder arbeiten, wie Regierungspräsident Christian Vitta an einer Pressekonferenz in Bellinzona sagte. Die ältere Bevölkerung müsse sich Hilfe von Verwandten holen oder die kommunalen Dienste für die Hauszustellung nutzen.
Derweil musste der Kanton Uri am Samstag die Ausgangssperre für Senioren wieder aufheben. Die Regelungen zum gesellschaftlichen Leben während der Coronakrise lassen laut dem Bund keinen Raum für Kantone, selber Ausgehverbote zu verhängen.
Tessin: Arbeiten auf Baustellen sofort eingestellt
Im Gegensatz zu dem, was auf Bundesebene beschlossen wurde, müssen im Tessin die Aktivitäten auf den Baustellen sofort eingestellt werden, "unbeschadet der Arbeiten, die notwendig sind, um die Arbeitsplätze sicher zu machen", hiess es an der Pressekonferenz in Bellinzona weiter. Der kantonale Führungsstab könne Ausnahmen gewähren, wenn eine eindeutige Dringlichkeit oder ein überwiegendes öffentliches Interesse bestehe.
Die kantonale Verwaltung bleibt bis zum 27. März geschlossen, mit Ausnahme von dringenden Aktivitäten. In diesem Fall werden die Büros mit reduziertem Personal und ohne Kontakt zur Öffentlichkeit arbeiten.
Noch genug Betten im Tessin
Nach Angaben von Koch gibt es in der Schweiz inzwischen über 6100 positive Fälle und 56 Todesfälle. Diese Zahlen würden in den nächsten Tagen weiter steigen und erst dann möglicherweise abflachen.
Die Situation im Tessin sei angespannt - in Italien sei sie dramatisch. Dort habe es bereits über 4000 Todesfälle gegeben. Das sei sehr viel, auch im Verhältnis zu den Erkrankten, sagte Koch. "Wir werden alles daran setzen müssen, dass wir in der Schweiz nicht zu einer so hohen Todesfallrate kommt."
Momentan müssten im Tessin keine Patienten in Spitälern abgewiesen werden, sagte Koch. "Es gibt zurzeit noch genügend Betten." Das habe ihm der dortige Kantonsarzt am Samstagmittag versichert.
Koch kontert Kritik
In der ganzen Schweiz gibt es rund 800 Intensivpflegeplätze. Im Moment versuchten alle Spitäler und alle Kantone, laufend zusätzliche Intensivpflegeplätze zu schaffen, sagte Koch. Deshalb ist es sehr schwierig, jetzt eine fixe Zahl zu nennen.
Der Bund wehrt sich wie die Kantone gegen Kritik, wonach sich die Behörden schlecht auf eine Pandemie vorbereitet hätten. "Die Schweiz hat sich gut vorbereitet." Niemand habe die heutige Situation vorhersehen und vorbereiten können. Deshalb sei es auch nicht erstaunlich, dass gewisse Dinge nicht auf Anhieb funktionierten.
Helikopter an der Grenze
Eine positive Zwischenbilanz zieht die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV). Das neue Grenzregime werde grösstenteils akzeptiert, sagte Direktor Christian Bock. Trotzdem würden die Kontrollen verstärkt - unter anderem mit zusätzlichen Helikoptern.
Es gebe noch immer Versuche, über Feldwege oder abgesperrte Strassen die Grenze zu überqueren, sagte Bock in Bern vor den Medien. Das wolle man mit allen Mitteln verhindern. Deshalb werde das Zwischengelände nun noch genauer überwacht.
In den vergangenen zwei Tagen wurden laut Bock rund 16'000 Personen die Einreise verweigert - das sei eine Zunahme von 5000 Personen. Entspannt habe sich die Stausituation an der Schweizer Grenze. Der Handelswarenverkehr laufe einigermassen normal. Jedoch gibt es laut Bock immer mehr Chauffeure von Lastwagen, die sich weigern, Transporte durchzuführen, weil sie befürchten, irgendwo in Quarantäne zu kommen.
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