Coronavirus | 24 der 26 Kantone betroffen
Über 1000 bestätigte Coronavirus-Fälle in der Schweiz
Die Zahl der Coronavirus-Fälle in der Schweiz steigt weiter rapide an: Nach neuesten Angaben des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) vom Freitag gibt es hierzulande bereits 1009 bestätigte Fälle, bei 116 Fällen liegt ein erstes positives Resultat vor.
Damit nahm die Zahl der bestätigten Fälle alleine seit Donnerstag um 194 zu. Anfang Woche waren erst 281 Fälle bestätigt gewesen. Die Todesopfer-Zahl hingegen blieb seit Donnerstagabend gleich: Sieben Menschen sind in der Schweiz bisher an den Folgen der Lungenkrankheit Covid-19 gestorben.
Weiterhin seien Erwachsene deutlich mehr betroffen als Kinder, schrieb das BAG. Betroffen von der Epidemie sind nun 24 der 26 Kantone sowie Liechtenstein. Mit 219 bestätigten Fällen ist das Coronavirus im Kanton Tessin am meisten verbreitet, gefolgt von der Waadt mit 211, Zürich mit 103 und Genf mit 84.
Schulleitungen sollen Vorkehrungen für Schulschliessungen treffen
Die Schulleitungen in der Schweiz sollen sich auf mögliche Schulschliessungen vorbereiten. Die Schulen sollen Vorbereitungen für E-Learning treffen und Massnahmen vorbereiten, wenn verletzliche Lehrkräfte zuhause bleiben müssen.
Der Verband der Schulleiterinnen und Schulleiter hat die Schulen am Freitag in einem Sondernewsletter aufgefordert, angesichts des grassierenden neuen Coronavirus die nötigen Massnahmen zu treffen, wie er mitteilte. Am Freitagnachmittag wollte der Bundesrat über neue Entscheide informieren.
Den Schulen sei ein individuell anzupassendes Arbeitspapier zur Verfügung gestellt worden, schreibt der Verband. Grundsätzlich gelte es, die Weisungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zu befolgen. Die Schulen sollen nach den Massnahmen der kantonalen Behörden handeln.
Kanton Tessin schliesst nun doch alle Schulen
Im Kanton Tessin werden nun auch alle obligatorischen Schulen vom Kindergarten über die Primarschulen bis zur Oberstufe geschlossen. Dies gab der Tessiner Regierungsrat am Freitag bekannt.
Die Massnahme gilt ab kommendem Montag. Ab Dienstag soll ein Hütedienst in den Schulen eingerichtet werden, damit Eltern, die keine Betreuungsmöglichkeiten haben, ihre Kinder dorthin bringen können. Auf diese Weise sollen Ansteckungen von der jungen auf die ältere Generation verhindert werden.
Die Kantonsverwaltung wird zudem ihre Arbeit auf ein Minimum zurückfahren. Weitergehende Massnahmen für die Privatwirtschaft sollen spätestens am Samstag bekannt gegeben werden. Die Privatwirtschaft wird aufgerufen, die Grundversorgung sicher zu stellen und gleichzeitig eigene Aktivitäten zu reduzieren. Für den Nachmittag wurden weitere Informationen in Aussicht gestellt.
Bereits am vergangenen Mittwoch hatte der Kanton Tessin beschlossen, alle nicht obligatorischen Schulen zu schliessen und bis zum 29. März den Notstand aufgerufen.
Zwölf Massnahmen wurden dabei umgesetzt: Unter anderem dürfen über 65-Jährige Personen keine Kinder mehr hüten, weder an öffentlichen noch privaten Festen teilnehmen und keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzen.
Generell wurden Anlässe mit mehr als 50 Menschen verboten. Zudem wurden kleinere Grenzübergänge geschlossen. Auf eine vollständige Abriegelung der Grenze zu Italien, wie sie unter anderem die SVP gefordert hat, wurde zunächst verzichtet.
VBS installiert Meldesystem für Notfallbetten
Die Kliniken in der Schweiz müssen ab sofort täglich melden, wie viele Notfallbetten für Coronavirus-Patienten zu Verfügung stehen. Das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) hat ein entsprechendes Meldesystem installiert.
Das System soll kontinuierlich Informationen über die Zahl der Intensivpflegeplätze in den Spitälern bereitstellen, wie das VBS am Freitag mitteilte. Dokumentiert werden Isolationsplätze, Intensivpflegeplätze und Beatmungsplätze für Kinder und Erwachsene.
Laut der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin gibt es zurzeit in der Schweiz 82 Intensivstationen. Dort stehen zwischen 950 und 1000 Betten zur Verfügung, davon 800 bis 850 mit Beatmungsgeräten. Hinzu kommen bis zu 450 Betten auf Überwachungsstationen.
Das VBS fordert von den Kliniken zudem, mehr Kapazitäten zu schaffen. Es empfiehlt den Spitälern etwa, nicht lebenswichtige Operationen zu verschieben, Personen früher zu entlassen oder in die Rehabilitation zu verlegen.
Wegen der Coronavirus-Pandemie unterstehen verschiedene Spitäler Massnahmen. Der Kanton Zürich hat ein Besuchsverbot für alle Spitäler, Alters- und Pflegeheime sowie Invalideneinrichtungen erlassen, darunter auch das Universitätsspital Zürich (USZ). Am USZ waren am Mittwoch drei positiv getestete Patienten und elf Verdachtsfälle in Isolation.
Mitarbeiter des Lausanner Universitätsspitals Chuv müssen wegen der Coronavirus-Pandemie bis mindestens Ende April auf Ferien verzichten.
Am Inselspital in Bern und am Universitätsspital Basel (USB) wurden noch keine flächendeckenden Besucher- oder Ferienstopps eingeführt. Am USB waren am Mittwochabend 13 Corona-Patienten stationiert.
Kantonsspital St. Gallen rüstet sich für Coronavirus-Patienten
Das Kantonsspital St. Gallen bereitet sich angesichts der rasanten Zunahme der Coronavirus-Erkrankungen in der Schweiz auf die Zunahme von Patienten vor. Rund 100 Spitalbetten und 18 Intensivpflegeplätze sind reserviert.
Das Kantonsspital St.Gallen sei auf die Behandlung betroffener Personen vorbereitet, sagte Philipp Lutz, Sprecher des Kantonsspitals St. Gallen, im Regionaljournal Ostschweiz von Radio SRF. Mehr als 80 Prozent der infizierten Personen zeigten jedoch einen milden Verlauf.
Für die Intensivpflege der Coronavirus-Patienten ist eine Task Force eingesetzt worden. Um das Personal und die Kapazitäten der Betten besser planen zu können, werden bis Mitte April keine neuen Termine für stationäre Patienten und Eingriffe, die nicht zwingend nötig sind, mehr vereinbart.
Von den 36 Intensivpflegeplätzen am Kantonsspital St. Gallen könnten in einer nächsten Phase 18 freigegeben werden, sagte Lutz weiter. Zudem werden 100 Spitalbetten reserviert. Standardisierte Abläufe sicherten den richtigen Umgang mit Personen mit Verdacht auf oder bestätigter Coronavirus-Infektion. "Unsere Intensivmediziner treffen jeden Tag Entscheide darüber, wer jetzt ein Intensivbett braucht", so Lutz.
Aktuell dürfen Patientenbesuche wie üblich gemacht werden. Wer Husten oder Fieber hat, muss zu Hause bleiben.
Wartezeit auf Migros-Onlineshop "Leshop" wegen Corona-Hamsterkäufen
Wer sich derzeit wegen der Corona-Pandemie bei "Leshop.ch" mit Konserven eindecken möchte, der braucht Geduld. Wegen der stark erhöhten Nachfrage hat der Migros-Onlineshop für seine Website Wartezeiten eingeführt. Ein Test am Freitagmorgen zeigt, dass diese bis zu 20 Minuten betragen können.
Nach Betreten der Website erhalten die Kunden eine Meldung mit der aktuellen Wartezeit angezeigt. Ein Sprecher der Migros bestätigte auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP am Freitag, dass es nicht nur zu Wartezeiten beim Besuch von "Leshop.ch" komme, sondern auch zu Lieferverzögerungen von zurzeit drei Tagen.
Die Nachfrage habe in den vergangenen Tagen "rapide" zugenommen. "Indem wir mehr Personal eingestellt haben, Büro-Mitarbeitende im Leshop-Verteilzentrum einsetzen, mit Zusatzschichten planen und mehr Transporte einsetzen, bauen wir die Kapazität aus", sagte der Sprecher.
Unia fordert 4 Milliarden zur Entlastung der Arbeitnehmenden
Die Gewerkschaft Unia fordert vom Bundesrat die Schaffung eines Fonds in der Höhe von vier Milliarden Franken. Damit sollen die Löhne der Arbeitnehmenden, die Liquidität der Firmen gesichert und Entlassungen verhindert werden.
Die Covid-19-Pandemie fordere ausserordentliche Massnahmen, nicht nur gesundheitspolitisch, sondern auch arbeits-, sozial- und wirtschaftspolitisch, schrieb die Unia am Freitag in einem Communiqué. Denn vor allem prekär Beschäftigte und schlecht bezahlte Arbeitnehmende seien in dieser Situation besonders gefährdet.
Deshalb müsse die öffentliche Hand sofort die nötigen Massnahmen ergreifen. Dazu gehöre zum einen die Sicherung der Löhne: Sollte ein Unternehmen seine Tätigkeit reduzieren oder einstellen müssen, müsse die öffentliche Hand für die Dauer der Krise die Fortzahlung der Löhne sicherstellen.
Zudem müsse die Kurzarbeitsentschädigung "unbürokratisch ausgebaut" und auf alle Arbeitnehmenden ausgeweitet werden. Weiter fordert die Unia, dass Unternehmen, die wegen der Epidemie in Schwierigkeiten geraten, eine ausserordentliche Exportrisikogarantie oder andere Fondslösungen erhalten, damit sie keine Angestellten entlassen müssen.
Zur Finanzierung dieser beiden Massnahmen fordert die Unia die Schaffung eines Krisenfonds in der Höhe von vier Milliarden Franken. Das entspreche einem Prozent der gesamten Lohnsummen. Der Fonds müsse sofort zur Verfügung gestellt werden.
Des Weiteren fordert die Unia, dass die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld für über 50-Jährige "per sofort" um 200 Tage verlängert werden soll. Und es brauche ein Stabilisierungsprogramm für besonders betroffene Branchen, eine aktive Geldpolitik der Nationalbank und mittelfristig nachhaltige Investitionen in den Gesundheitsbereich.
Analyst rechnet bereits jetzt mit rund 10'000 Fällen in der Schweiz
Der auf geographische Daten spezialisierte Analyst Pierre Dessemontet schätzt die Zahl der Coronavirus-Betroffenen deutlich höher als die vom Bund publizierten. In Wirklichkeit dürften es derzeit rund 10'000 Fälle sein, sagte er in einem Interview der Tageszeitungen "La Liberté", "Le Courrier" und dem Onlineportal Arcinfo.
Dessemontet geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Viele erkrankte Menschen würden sich gar nicht erst melden, weil sie sich überhaupt nicht bewusst seien, dass sie angesteckt wurden und auch andere Menschen ansteckten.
Dessemontet stützt sich auf eine am vergangenen Dienstag auf der Onlineseite Medium.com veröffentlichte Studie mit dem Titel "Coronavirus: Why you must act now" (Coronavirus: Warum man jetzt handeln muss).
Die viel höher geschätzte Zahl der Erkrankungen sei das Resultat einer seriösen Statistikarbeit. Sie basiere auf der Zahl der Todesopfer unter Berücksichtigung der Bedingungen und der Qualität des Gesundheitssystems in jedem Land. Diese Zahl könne je nach Qualität der von den Behörden angegebenen Antworten im Verhältnis eins zu drei oder eins zu vier höher liegen.
Die Zunahme der Krankheitsfälle sei auch von der Robustheit des Gesundheitssystems abhängig. "Das Unsere ist gut organisiert und dürfte nicht überschwemmt werden", sagt Dessemontet, der Direktor von Microgis in Yverdon ist, die Studien verfasst. Ausserdem unterrichtet er an der ETH Lausanne.
Warnung vor "Tsunami im Gesundheitswesen"
Der Infektiologe Andreas Widmer vom Universitätsspital Basel warnt demgegenüber von einem "drohenden Tsunami im Gesundheitswesen". Bei einer so grossen Anzahl von Infektionen, wie sie momentan Italien erlebe, sei jedes Gesundheitssystem überfordert, sagte er in einem Interview der "Neuen Zürcher Zeitung" (NZZ).
"Wenn sich die Menschen wirklich an die jetzt ausgegebenen Verhaltensmassregeln halten, dann liegen hoffentlich maximal fünf bis zehn Coronavirus-Patienten auf der Intensivstation pro Klinik. Das können Ärzte und Pflegepersonal mit Ach und Krach noch bewältigen", sage Widmer weiter.
Die grösste Gefahr sieht der Infektiologe darin, dass das Personal selber erkrankt. "Wir müssen die Ärzte noch mehr schützen", sagte er weiter. Wenn sich ein praktizierender Arzt anstecke und für 14 Tage in Quarantäne geschickt werde, sei die Praxis geschlossen und die Patienten kämen in die Notaufnahme des Spitals. Wenn zu viele Patienten zur gleichen Zeit infiziert würden, dann komme es zum Stau im Gesundheitssystem.
Laut Widmer gibt es ein Modell der amerikanischen Spitalorganisation, die damit rechnet, dass 30 Prozent der Bevölkerung angesteckt werden. Die meisten dieser Fälle verliefen mild, aber zehn Prozent bräuchten ärztliche Betreuung in irgendeiner Form.
"Es wären also rund 300'000 Personen betroffen. Selbst wenn es bloss 100'000 wären, ist das immer noch eine gewaltige Zahl." Wenn nicht drastische Massnahmen ergriffen würden, so könne das Schweizer Gesundheitswesen eine solch massive Zahl von Fällen nicht bewältigen.
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